Drei Starschauspieler sprechen in tollem Bühnenbild in Höchsttempo wirre Text.
Was ist Theater-Luxus? Wenn man sich einen Düsenjäger aus Sperrholz nachbauen und diesen vor einem schön gemalten Prospekt einer New Yorker Straßenschlucht auf der Bühne landen lässt, davor einen raffinierten, mit Plastikbällen gefüllten Graben aufbaut, in dem Menschen verschwinden und auftauchen können, drei Spitzenschauspieler fünf Viertelstunden lang in Höchsttempo Text sprechen und das Ganze als Uraufführung herausbringt. Das Akademietheater verfügt offenbar nicht nur über luxuriöse Mittel, sondern auch über ein Luxus liebendes Publikum: "Cavalcade or Being a holy motor" von Rene Pollesch wurde am 25. September im Akademietheater ausgiebig gefeiert.
"Klingt wirr? Ist wirr!"
Der seltsame Titel bezieht sich auf zwei Filme von Frank Lloyd und Leos Carax. Schwer zu sagen, wie viele Anspielungen, Zitate und Querverweise Spezialisten an diesem Theaterabend zu entdecken vermögen. Es geht um Unfall und Zufall, Witz und Wahnwitz, Hysterie und Historie, Träume und Theater, um Freuds Psychoanalyse und Kim Jong-ils Pressemitteilungen, "toxische Terrortypen" und traurige Taxis. Klingt wirr? Ist wirr!
Minichmayr und Co. glänzten
Wenn Birgit Minichmayr, Ignaz Kirchner und Martin Wuttke ans Werk gehen, kann dennoch nichts schief gehen, möchte man meinen. Tatsächlich stürzen sich die Drei mit Verve und Todesverachtung in die Pollesch-typischen Schnellsprechübungen, bei denen sich der Zuhörer zwischen Tiefsinn und Schwachsinn auf die Schnelle kaum entscheiden kann. Wer sich darauf verlegt, die ständigen, unerwarteten Brüche, die ansatzlosen Wechsel von Sprechhaltungen und Figuren - das Auf-die-Spitze-Treiben des ganz normalen Theaterwahnsinns also - in ihrer Virtuosität zu genießen, hat dennoch etwas vom Abend.
Kampf um Parklücke für Jet
Minichmayr und Wuttke (die vor drei Wochen in "Glanz und Elend der Kurtisanen" an der Berliner Volksbühne bereits einen Pollesch-Paarlauf lieferten, dessen Glitzerfransen-Vorhang sich auch im Akademietheater findet) liefern rund um den kostspielig wirkenden Witz, dass mit einem Kampfjet in einer Parklücke der 5th Avenue ein-und ausgeparkt wird (Bühne: Bert Neumann), eine Art abgefahrene Beziehungskrise auf Speed ("Du bist am Ende und ich genieße es..."), während Kirchner im roten Anzug den Beobachter und sparsamen Kommentierer gibt. Den philosophischen Überbau dazu bietet Zizek. Nicht Slavoj Zizek, der slowenische Philosoph - dessen Buch "Die bösen Geister des himmlischen Bereichs" neben "Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere" des österreichischen Philosophen Robert Pfaller offenbar als Anregung diente -, sondern Almut Zizek, "die Frau des Deli-Laden-Besitzers um die Ecke". "Almut Zizek hat gesagt, es ist wie mit den Würfeln", heißt es da etwa. "Es gibt sechs Möglichkeiten. Das ist die Zufälligkeit, ganz einfach; die Struktur ist schon da, sie ist vorgegeben." Beim Würfelspiel kann ein Wurf allerdings ganz schön daneben gehen. Doch: No risk, no fun. Würde vielleicht Almut Zizek dazu sagen.
Info
Rene Pollesch: "Cavalcade or Being a holy motor", Regie: Rene Pollesch, Bühne: Bert Neumann, Kostüme: Nina von Mechow; Mit Birgit Minichmayr, Ignaz Kirchner und Martin Wuttke; Akademietheater, Nächste Vorstellungen: 27., 30.9., 5., 20.10., Karten: 01 / 513 1 513, www.burgtheater.at