160 Gemälde, Papierarbeiten, Skulpturen, Keramiken und Holzbett von Matisse warten.
Von einer "unglaublich aufregenden, so noch nie da gewesenen Ausstellung zur Geburtsstunde der Moderne" sprach Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder bei der heutigen Presseführung zur Schau "Matisse und die Fauves", die am 19. September eröffnet wird. Diese Geburtsstunde umfasse "einen Zeitraum, wie er kleiner kaum sein könnte, nämlich zweieinhalb, drei Jahre". Im Mittelpunkt der von Heinz Widauer und Claudine Grammont kuratierten und bis 12. Jänner laufenden Ausstellung steht das kleine südfranzösische Fischerdorf Collioure, das als Geburtsort des Fauvismus gilt.
Fauvismus als österreichisches Stiefkind
"Der Fauvismus ist in Österreich ein Jahrhundert lang stiefmütterlich behandelt worden", sagte Widauer. Erst die Stiftung Batliner habe es ermöglicht, über einen größeren Bestand an Werken dieser Avantgardebewegung zu verfügen und davon ausgehend mit Leihgebern in Verhandlung zu treten. Rund 160 Werke wurden für diese erste umfassende Fauvimus-Schau in Österreich zusammengetragen, neben Gemälden auch rund 60 Zeichnungen und Aquarelle, einige Skulpturen, Keramiken und (überflüssiger Weise) auch das geschnitzte Holzbett von Henri Matisse.
Matisse in der Albertina
"Zum ersten Mal emanzipiert Matisse die Kunst von der Naturbetrachtung", beschrieb Schröder das Revolutionäre an der Arbeit jener Künstler, die - vielfach ohne akademische Ausbildung - sich daran machten, Farben und Formen nicht aus der Natur, sondern aus der eigenen Eingebung zu übernehmen. Die Aufregung, welche die Künstlergruppe um Matisse beim 3. Pariser Herbstsalon 1905 verursachte, lässt sich heute dennoch kaum mehr nachvollziehen. Dass der Kunstkritiker Louis Vauxcelles von "Fauves" sprach, von Malern, die sich wie wilde Tiere auf der Leinwand aufführten, gab der Gruppe später immerhin ihren Namen.
Wichtige Augenblicke der Kunstgeschichte
In mehreren Stationen versucht die Schau diesen wichtigen Augenblick der Kunstgeschichte zu beleuchten - von der Vorgeschichte der Jahre 1900 bis 1905, über den Einfluss afrikanischer Skulpturen, Seitenstränge und Einzelgänger der Gruppe, zu der auch Maurice de Vlaminck, Raoul Dufy, Emile-Othon Friesz und Georges Braque gehörten, bis zur baldigen Auflösung in individuelle Wege. Überraschender Weise ist Matisse, von dem u.a. "Das offene Fenster" aus der National Gallery of Art in Washington geliehen werden konnte und von dem sehr schöne Bronzeskulpturen zu sehen sind, gar nicht der Höhepunkt der Ausstellung. Den liefert nämlich sein Kollege, der Autodidakt Andre Derain, von dem eine breite Auswahl beeindruckender Werke zu sehen ist.
"Der blaue Baum"
In Derains "Der blaue Baum" (1906) konzentriert sich alles, was an den Fauves als revolutionär empfunden wurde; in acht gezeigten Hauptwerken versucht er eine Antwort auf Monets berühmte impressionistische London-Gemälde zu finden; Vasen bemalt er mit stilisierten weiblichen Figuren und verbindet das Fauvistische mit dem Dekorativen; die kubische Steinskulptur eines "Kauernden" zwingt Form und Ausdruck eindrucksvoll zusammen; der "Sturz des Phaeton" schließlich erinnert frappant an den explosiven und expressiven Gestus der Zeichnungen von Günter Brus. Ebenfalls als Entdeckungen können die düsteren, sozialkritischen Bilder von Georges Rouault und die farbprächtigen Porträts von Kees van Dongen gelten. Als zwei völlig gegensätzliche Pole zeigen sie, welche Bandbreite der Fauvismus letztlich umfasste.
Info
"Matisse und die Fauves", Ausstellung in der Albertina, 20. September 2013 bis 12. Jänner 2014, tgl. 10-18 Uhr, Mi 10-21 Uhr; Katalog, Hg. von Heinz Widauer und Claudine Grammont, Wienand Verlag, im Museum: 29 Euro, im Buchhandel: 39,80 Euro, 328 S.; auch auf Englisch erhältlich; www.albertina.at