Opulente Szenen, ungeschönte Körper: Bögen bis zum Expressionismus.
Das Untere Belvedere geht mit "Dekadenz" in den Sommer. Ab dem 21. Juni bis zum 13. Oktober widmet man sich dem österreichischen Symbolismus. "Das fantastisch Überbordende dieser Kunst galt lange als unmodern", fand es Direktorin Agnes Husslein-Arco bei der heutigen Presseführung "bedauerlich", dass eines ihrer "Lieblingsthemen" von der heimischen Museumslandschaft so lange vernachlässigt wurde. Mit einer reichhaltigen Ausstellung, die zwischen Karl Mediz und Gustav Klimt, Eduard Veith und Kolo Moser, aber auch zwischen Hans Makart und Egon Schiele die zentrale Bedeutung der symbolistischen "Geisteshaltung" für die Entwicklung der Moderne nachweist, wird nun kräftig nachgeholt.
Körper und Landschaft, Mythos und Idyll
Körper und Landschaft, Mythos und Idyll - die Symbolisten entwickelten für alle klassischen Motive der Malerei ihre eigene Formensprache. Sie verklärten ihre Szenerien einerseits durch opulenten Farbauftrag und gigantische Bilderrahmen - Max Klingers "Urteil des Paris" wurde jahrelang restauriert und ist mit seiner skulpturalen Marmorrahmung erstmals wieder im ursprünglichen Zustand aufgestellt - und hielten dem Menschen und seinem Körper andererseits einen verblüffend ungeschönten Spiegel vor. Falten, Druckstellen von der Unterwäsche, Härchen, Verfärbungen - "achten Sie auf die Hautunreinheiten!", gab Kurator Alfred Weidinger als Hinweis mit.
Die Allegorie, der Frau als Symbol
Während sie sich an Themen wie der Allegorie, der Frau als Symbol, dem Weltall oder der Wagner-Begeisterung der Symbolisten abarbeitet, spannt die Ausstellung zahlreiche Bögen, von den späten 1870er Jahren bis in die frühe Moderne, zeichnet den Hang zu symbolistischem Gedankengut sowohl in den Ausläufern des Historismus als auch in den Anfängen des Expressionismus nach und wartet zwischendurch mit viel Sinnlichkeit und Farbigkeit sowie mit manchem wohlbekanntem Meisterwerk auf. Klimts "Judith" etwa oder Mediz' "Roter Engel", der auch das Plakat ziert. Andere Preziosen erblicken nur selten das Licht außerhalb der Depots oder sind trotz ihrer aufwendigen Komposition weitgehend dem Vergessen anheimgefallen - etwa Wilhelm Bernatziks "Eingang ins Paradies" oder das nach langer Zeit wieder zusammengesetzte Wilhelm-List-Triptychon zum Tod der heiligen Elisabeth.
Erstaunliche Parallelen
Dabei gelingen erstaunliche Parallelen: Kinderbilder von Elena Luksch-Makowsky, Oskar Kokoschka, Egon Schiele und Max Oppenheimer geraten fast zu Suchbildern nach Unterschieden, auch der Raum mit Frauendarstellungen - von der Mutter bis zur Femme Fatale - verweisen Mediz, Klimt, Veith und andere in einen gemeinsamen Kosmos von Suggestion und Subjektivität. Der Symbolismus sei nicht so sehr eine Kunstströmung wie eine "Geisteshaltung", betonte Husslein. Ihrem spartenübergreifenden Einfluss - vor allem in die Poesie und die Musik - will man in der Ausstellung durch eine zusätzlich eingeführte Klangebene gerecht werden. Der kanadische Komponist Robin Minard hat mehr als 2.000 kleine Lautsprecher als blumenhafte, sich an den Wänden hoch schlängelnde Elemente gepflanzt und hinterlegt die Schau mit diffusen, aber stimmungsvollen Sounds.
Info
"Dekadenz. Positionen des österreichischen Symbolismus", von 21. Juni bis 13. Oktober, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr, Katalog im Eigenverlag, 312 Seiten, 42 Euro; www.belvedere.at.