Krampfhaft-originelle Choreografie zerstört die besten Songs auf der Bühne.
Die Premiere des Musicals "Cabaret" im Grazer Schauspielhaus hat am Donnerstag zwiespältige Gefühle hervorgerufen: Einerseits sind alle Darsteller bis in die kleinsten Rollern ausgezeichnet und können gut singen, dazu spielt auch die Band hervorragend. Die uninspirierte Regie von Ingo Berk verhindert aber einen gelungenen Theaterabend - und die Choreografie zerstört gnadenlos jeden Song.
Versuch "Caberet" zu entwurzeln, ging schief
Berlin zu Beginn der 30er Jahre ist der Schauplatz des Musicals "Cabaret" von John Kander, Fred Ebb und Joe Masteroff. Das fiebrige Nachtleben, die Liebesaffären, aber auch die wachsende Bedrohung durch die Nazis sind hier eingefangen. Das Stück aus seiner Zeit zu lösen, ist daher praktisch unmöglich, weil dann die ganz spezielle Stimmung, von der dieses Werk lebt, komplett wegfällt. Regisseur Ingo Berk hat es trotzdem versucht, und zumindest den Liedern einen modernen Anstrich verpasst. Der Rest ist eine halbherzige Angelegenheit, von den Nazis spürt man kaum etwas, weswegen der kleine Bub mit seinem "Der morgige Tag ist mein" - eine Hymne auf die zukünftigen Machthaber - ziemlich unmotiviert wirkt und vom Publikum, das die Zusammenhänge nicht kennt, auch noch beklatscht wird.
Schauspieler gingen unter
Dabei stehen dem Regisseur gleich reihenweise Darsteller zur Verfügung, von denen man jedem Einzelnen eine wirklich großartige Produktion gewünscht hätte. Pia Luise Händler ist eine junge, mit rauchiger, starker Stimme und gekonnten Bewegungen ausgestattete Sally Bowles, die alles drauf hat, was diese Rolle braucht. Als Conferencier kann Christoph Rothenbuchner nicht nur faszinierende Körperbeherrschung und geschmeidige Eleganz zeigen, er singt ebenfalls ausgezeichnet und besticht durch kühl-lauerndes Spiel. Julius Feldmeier ist ein liebenswürdiger, naiver Clifford, der am Ende nicht nur Berlin, sondern eine ganze untergehende Welt verlässt. Ein unglaublich berührendes Paar sind Steffi Krautz als Fräulein Schneider, das dem Überlebenskampf die Liebe zum jüdischen Obsthändler opfert und Franz Solar als ihr Verehrer, der warmherzig-naiv die Zeichen der Zeit nicht erkennen will. Evi Kerstephan (Fräulein Kost) schafft mühelos die Wandlung von der großherzigen Nutte zur eleganten deutschen Nazi-Gespielin, die zum aalglatten politischen Aufsteiger (Florian Köhler) passt.
Choreographie ging nach hinten los
Absolut daneben gegangen sind allerdings die Choreografien (Salome Schneebeli) zu den Songs. Offenbar wollte man sich um jeden Preis vom Film lösen und hat zu jedem Lied etwas gesucht, das weder mit der Geschichte noch mit der Zeit etwas zu tun hat und obendrein noch optisch wenig ansprechend ist. So wird "Money, Money" von einem Trupp dunkelgewandter Einbrecher dargeboten, "Mein Herr" zeigt ein paar unbeholfene Geishas in Kimonos und zu "Cabaret" agiert Sally Bowles als durchgeknalltes Hippiemädchen mit einem schwarzen Sarg. Falls das nicht die Halloween-Einlage war, ist diese Nummer nur peinlich. Die Kostüme (Eva Krämer) sind ebenfalls eher unerfreulich, die Bühne (Damina Hitz) wenigstens praktikabel. Ein großer Pluspunkt der Aufführung sind dafür die Musiker unter der Leitung von Bernhard Neumaier, die flott und gleichzeitig mit jener Härte spielen, die der Aufführung sonst total fehlt.
Von Karin Zehetleitner/APA
Info
"Cabaret". Musical im Grazer Schauspielhaus von John Kander, Fred Ebb und Joe Masteroff. Regie: Ingo Berk. Choreografie: Salome Schneebeli. Kostüme: Eva Krämer, Bühne: Damian Hitz. Mit Christoph Rothenbuchner (Conferencier), Pia Luise Händler (Sally Bowles), Julius Feldmeier (Clifford Bradshaw), Steffi Krautz (Fräulein Schneider), Franz Solar (Herr Schultz), Florian Köhler (Ernst Ludwig), Evi Kerstephan (Fräulein Kost). Nächste Aufführungen: 2., 6., 8., 12. und 16. November, 4., 19., 27. und 31. Dezember 2013, Karten unter Tel.0316/8000 oder /schauspielhaus-graz.at