Im Interview spricht die langjährige ZIB-Moderatorin über ihre Pläne mit dem Haus.
Am 9. Juni moderierte Danielle Spera ihre letzte ZiB. Bereits am 30.6. tritt sie ihren Job als neue Direktorin des Jüdischen Museums in Wien an. Beim ÖSTERREICH-Besuch zeigt sie die in riesigen Vitrinen ausgestellte Fülle an hinreißenden Judaica, die man am liebsten einzeln herausnehmen und in ihrer fragilen, filigranen Schönheit betrachten wollte.
Geschichten.
Ähnliches hat Spera vor: „Jedes einzelne dieser Objekte hat eine unglaubliche Geschichte. Nehmen Sie zum Beispiel diesen etwas rußig wirkenden Thora-Aufsatz: Da würde man auf den ersten Blick vermuten, dass er nicht ordentlich geputzt sei. Tatsächlich ist er aber nach dem November-Pogrom in einer niedergebrannten Synagoge gefunden worden... Wir werden also gemeinsam mit den Kuratoren bestimmte Objekte heraussuchen und sie ihre Geschichten erzählen lassen.“
Antike Technik
Vordringlich sei aber jetzt, die antiquierte Technik zu erneuern: „Bei unseren klimatechnischen Bedingungen bekommen wir keine Leihgaben mehr“, gibt Spera zu bedenken. Zudem werde man ein größeres Augenmerk auf die PR legen müssen: „In den Reiseführern etwa kommt das Jüdische Museum nicht so vor, wie ich mir das wünschte.“
Arigona
Eine Instanz war sie im ORF, eine Instanz ist sie jetzt. Noch dazu kann Spera jetzt freimütiger zu gesellschaftlich brisanten Themen Stellung nehmen. So lässt sie sich zu einem Arigona-Statement nicht lange bitten: „Dass diese junge Frau, die in Österreich wirklich integriert ist, jetzt abgeschoben wird, ist eine echte Katastrophe.“
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Am Donnerstag, 1. Juni, übernimmt die langjährige ORF-Journalistin Danielle Spera von Karl Albrecht-Weinberger die Leitung des Jüdischen Museums Wien. Die 52-jährige Quereinsteigerin, die 21 Jahren die "Zeit im Bild" moderierte, gibt Auskunft über ihr Vorhaben.
Frau Spera, was steht denn an Ihrem ersten Tag als Museumsdirektorin ganz oben auf Ihrer To-Do-Liste?
Danielle Spera: Ganz oben steht ein Workshop mit den Kuratorinnen und Kuratoren, mit dem künstlerischen und wissenschaftlichen Team. Ich habe mir vorgenommen, in den ersten beiden Tagen meine Pläne mit den Ideen und Projekten der Kuratoren abzustimmen und ihnen mein Konzept vorzustellen.
Wie sieht denn dieses Konzept aus? Es gab ja Stimmen, nicht ein Konzept, sondern ein prominenter Name habe die Ausschreibung gewonnen.
Spera: Ich habe auf jeden Fall vor, das Museum zu öffnen und die Menschen einzuladen, hereinzukommen. Ich möchte die wunderschöne Vitrine mit Objekten aus der Sammlung Max Berger, vor der wir jetzt sitzen, besser kontextualisieren. Wenn Sie sich nicht den Hör-Guide nehmen oder das Erklärblatt, wissen Sie im Moment nicht: Wozu dienen die Objekte? Was ist ihre Geschichte, ihr Ursprung? Mit einer besseren Erklärung von jüdischen Ritualgegenständen könnte man auch gleich eine Einführung in die jüdischen Feiertage geben. Was ich mir wirklich abschminken muss: Dass es in einem Museum so zugeht wie bei der "Zeit im Bild", wo wir jeden Tag mit vollem Elan etwas Neues schaffen. Hier kann man mit vollem Elan natürlich nur längerfristig planen.
Bei der Sammlung Berger gibt es ja einen Neuzugang für das Museum.
Spera: Durch einen Zufall - aber vielleicht gibt es ja gar keine Zufälle - haben wir gerade mit meinem Amtsantritt einen großen Teil der Sammlung Berger dazubekommen. Die Witwe von Max Berger ist gestorben, wir haben den gesamten Nachlass erhalten. Das ist für uns eine Möglichkeit, diese neuen Objekte auszustellen und gleichzeitig etwas auch die Geschichte der Familie darzustellen.
Sie haben ein Buch über Hermann Nitsch geschrieben. Hat Sie nur das Jüdische Museum interessiert, oder hätten Sie sich genauso als Direktorin des Nitsch-Museums vorstellen können?
Spera: Mit Freunden zu arbeiten ist ja nie eine leichte Sache (schmunzelt). Zeitgenössische Kunst ist ein bisschen ein Faible, ich sammle seit langer Zeit. Ich habe das Glück, viele Künstler meiner Generation persönlich zu kennen und mit ihnen befreundet zu sein. Aber dieses Museum hier liegt mir seit Jahren am Herzen, Es liegt im Zentrum von Wien, es ist ein wunderschönes Palais. Hier kann man wirklich einen Ort der Begegnung, des Dialogs schaffen. Es gibt so viele Anknüpfungspunkte. Ich sehe auch bei den Menschen ein großes Bedürfnis danach. Ich bin auf dem Weg hierher von so vielen Leuten angesprochen worden, die gesagt haben: Wir kommen nächste Woche!
Sie haben bei Ihrer Designierung gesagt, Sie liebten dieses Museum, seien aber traurig, dass Sie so häufig alleine hier waren. Jährlich 76.000 Besucher hat das Jüdische Museum an allen Standorten zusammengenommen, inklusive Veranstaltungen sind es rund 100.000. Welche Zahl wollen Sie schaffen?
Spera: Ich sehe es nicht in den Zahlen, sondern am Ort der Begegnung. Anknüpfend an aktuelle Ereignisse wie etwa rund um die Gaza-Flotte kann man selbstverständlich Diskussionen machen. Ich sehe aber auch viele Anknüpfungspunkte zu anderen Museen, wo wir Querverbindungen herstellen können. Ich bin sehr froh darüber, dass dieses Museum zu einem großen Teil von Jugendlichen, von Schulklassen besucht wird. Da möchte ich noch mehr ansetzen und auch mit Tourismus-Einrichtungen enger zusammenarbeiten.
Das Fernsehen ist doch das Paradebeispiel einer Institution, in der gleich danach anhand der Quote überprüft wird, wie viele Menschen man erreicht hat. Was ist die Latte, die Sie überspringen wollen?
Spera: Die habe ich mir noch nicht gelegt. Ich möchte mir erst ein konkretes Bild machen, auch über die Besucherzahlen an den einzelnen Standorten. Der Judenplatz ist ein wunderbarer Ort. Wir haben die Synagoge, die immer größeren Zulauf hat. Daran sieht man, dass die Menschen gerne mehr vom Judentum wissen wollen. Da könnten wir einen wichtigen Schritt setzen, indem wir auch religiöse Objekte dem Zuschauer (lacht und korrigiert sich), nein, dem Besucher zugänglich machen, dass er unsere Feiertage besser versteht.
Mit Veranstaltungen wollen Sie rasch reagieren. Wie viel Aktualität wollen und können Sie ins Ausstellungsprogramm bringen?
Spera: Erstens werde ich versuchen, langfristig an einer neuen Dauerausstellung zu arbeiten. Diese soll insofern aktuell sein, als sie das jüdische Leben in Wien heute zeigen wird. Das ist ein Aspekt, den ich heute im Museum vermisse. Natürlich versuchen wir auch, im Internet mehr und aktueller präsent zu sein. Das ist vor allem als Einstiegsdroge für Jugendliche wichtig. Ich möchte nicht mehr so viele Wechselausstellungen machen und kann das auch nicht, denn die sind in einem Bereich, wo das Jüdische Museum heute nicht mehr mithalten kann. Ich hätte mir sehr gewünscht, mit Berlin eine Kooperation einzugehen in Bezug auf die wunderbare Ausstellung "Koscher & Co", die sehr viele Parallelen zum Christentum und dem Islam aufgezeigt hat, Ich habe mich sofort erkundigt, ob es möglich wäre, die Ausstellung in kleinerem Rahmen nach Wien zu holen, und habe erfahren, dass diese Ausstellung 800.000 Euro gekostet hat. Das ist das Doppelte unseres Ausstellungsbudgets, das wir für beide Häuser am Judenplatz und in der Dorotheergasse haben. Ich denke an zwei Wechselausstellungen pro Jahr und möchte auch ein starkes Gewicht auf den Judenplatz legen. Ich halte ihn für einen der wunderbarsten Plätze in Wien, und die meisten Leute wissen nicht, dass es dort ein Museum gibt, eine Synagoge aus dem Mittelalter. Auch dort werden wir an einer neuen Dauerausstellung arbeiten, um das Judentum im Mittelalter besser zu präsentieren.
Bei Ihrer Designierung haben Sie gesagt, Sie seien in Budget-Verhandlungen und zuversichtlich. Wie sieht's heute aus?
Spera (schmunzelt): Ich bin noch immer zuversichtlich. In dem Haus ist ein größerer Bedarf nach technischer Aufrüstung. Ich glaube, dass wir im Herbst gemeinsam mit der Stadt Wien ein schönes Konzept vorlegen können, um das Haus technisch wieder auf den letzten Stand zu bringen.
Sie waren eben mit politischen Delegationen in Israel. Wie weit ist Ihr Posten auch ein politischer?
Spera: Ich habe mich sehr gefreut, dass ich die Möglichkeit hatte, sowohl mit dem Bundeskanzler als auch mit dem Vizekanzler nach Israel zu reisen. Es waren zwei sehr spannende Besuche. Es gibt eine politische Vertretung der österreichischen Juden, das ist die Kultusgemeinde, und es gibt eine religiöse Vertretung, das ist der Oberrabbiner. Ich werde mich aber nicht verschließen, wenn man mich um meine Meinung fragt.