"F" befindet sich bereits auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis.
"F" ist nicht nur der kürzeste Titel der Saison, sondern für den damit etwas dick auftragenden Rowohlt Verlag auch "der wichtigste Buchstabe dieses Bücherherbstes". "F" wie falsch, könnte man da erwidern, oder "F" wie frech. Gerecht würde man dem neuen Roman von Daniel Kehlmann, der Ende der Woche ausgeliefert wird, allerdings ebenso wenig. "F", ein Buch über eine Familie namens Friedland, über drei Brüder, die Finanzberater, Kunsthistoriker und Priester sind, ist nicht fad, sondern fesselnd. Dass es "F" auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat, ist daher kein Fehlurteil, sondern nur folgerichtig.
Brüdergeschichte
"'Fatum', sagte Arthur. 'Das große F. Aber der Zufall ist mächtig, und plötzlich bekommt man ein Schicksal, das nie für einen bestimmt war'", heißt es knapp vor Ende des Buches. Arthur Friedland ist der Vater der drei Brüder. Er hat sich in ihrem Leben rargemacht und taucht dort ebenso wie in der Öffentlichkeit wie ein Phantom auf. Er ist erfolgreicher Schriftsteller und erinnert in seiner geheimnisvollen Erscheinung an J.D. Salinger oder Thomas Pynchon. Seine Bücher heißen "Mein Name sei Niemand", "Die Stunde des Jägers" oder "An der Mündung des Flusses".
Alles begann vor knapp 30 Jahren
Doch die Geschichte beginnt im Jahr 1984, als Arthur Friedland noch ein erfolgloser Autor war und mit seinen Söhnen eine Vorstellung des Hypnotiseurs Lindemann besucht: Martin, der bei seiner Mutter, die vor langem von Arthur verlassen wurde, lebt, und die beiden 13-jährigen Zwillinge Iwan und Eric, die Arthur mit seiner aktuellen Frau hat. Martin wird später Priester werden und dennoch unablässig um seinen Glauben ringen, mehr von Rubiks Zauberwürfel denn von der Seelsorge fasziniert. Eric macht in der Finanzberatung zunächst ein Vermögen, ehe er sich mit betrügerischen Transaktionen an den Rand des Abgrunds manövriert. Der künstlerisch begabte Iwan studiert in Oxford Kunstgeschichte und beginnt ein abenteuerliches und einträgliches Spiel, in dem "F" wie Fälschung eine große Rolle spielt.
Gefürchtete Träume
"Lindemann lehrt Sie, Ihre Träume zu fürchten", steht auf dem Werbeplakat des "Meisters der Hypnose", und schon im ersten Kapitel seines neuen Buches erweist sich Daniel Kehlmann erneut als ein Meister des Erzählens. So, wie der Hypnotiseur Arthur auf der Bühne im scheinbar beiläufigen Gespräch den Kern seines Lebens entlockt ("Was wollen Sie? - "Weg." - "Von hier?" - "Von überall."), entwirft der Autor seine Szene ohne allzu sehr zu forcieren mit großer Direktheit und Lebendigkeit. Am Ende des Abends wird Arthur zu seinem geheimen Wunsch stehen. Er haut ab und lässt die verdutzten Söhne bei ihren Müttern zurück.
Verstrickte Familiengeschichte
Nach dieser Introduktion begegnet man den drei Brüdern, aber auch dem Vater immer wieder. Kehlmann konzentriert sich dabei ganz auf den Augenblick, versucht den Leser in die jeweils aktuelle Episode hineinzuziehen und gleichzeitig die Zusammenhänge zu verschleiern. Auch die Protagonisten verlieren gelegentlich den Überblick. Statt des einen erscheint überraschend der andere Bruder Erics zu dem von der Sekretärin telefonisch arrangierten Mittagessen - eigentlich bloß ein Missverständnis und doch dazu geeignet, den im Dauerstress befindlichen Manager ein Stück näher zum Zusammenbruch zu treiben.
Bestsellerautor brilliert
Kehlmann legt geschickt seine Fährten aus, baut Spiegelszenen ein, irritiert mit Einschüben, die wie Sackgassen wirken, und führt sorgsam ein Puzzlespiel zu Ende, dessen fertiges Bild manches an Irritation und Erschrecken bietet. Die Welt ist nicht gerecht. Nicht immer kommen Reue und Umkehr rechtzeitig, Verbrechen kann sich auch auszahlen.
Von Geisterhäuser und Gespenstererscheinungen
Zuletzt war Kehlmann vorgeworfen worden, bei der Verfilmung seines Erfolgsromans "Die Vermessung der Welt" und in seinem zweiten Stück "Der Mentor" allzu sehr der leichten Muse zu huldigen. In den entscheidenden Passagen von "F", den Kulminationspunkten der Figuren, in denen sich alles verdichtet, zeigt Kehlmann, dass er auch als Thrillerautor reüssieren könnte, als Ghostwriter im wahrsten Sinne des Wortes: Man trifft auf Geisterhäuser und Gespenstererscheinungen und liest dennoch atemlos weiter, den Autor als Herr über Zeit und Raum akzeptierend.
Resümee
"F" wie fesselnd und faszinierend, also. Mit einem Wort: famos. Nur: "Mein Name sei Niemand" ist besser. Zumindest in der Theorie. Wie Kehlmann auf wenigen Seiten den Erstling Arthur Friedlands beschreibt, ein Buch, in dessen Zentrum ein junger Mann namens F steht, das eine wahre Selbstmordwelle auslöst und den raschen Ruhm des geheimnisvollen Autors begründet, ist brillant. Man könnte das kokett finden: Ein Autor, im Bewusstsein seines großen handwerklichen Könnens, deutet an, wie es noch besser ginge. "F" wie fatal? Lieber: "F" wie Fortsetzung! Einne Eindruck von "F" könnten Leser am 8. September gewinnen, wenn Kehlmann persönlcih um 11 Uhr im Theater in der Josefstadt aus seinem Roman liest. Im Anschluss ist eine Diskussion und eine Signierstunde angesetzt.
Info
Daniel Kehlmann: "F", Rowohlt Verlag, 384 S., 23,60 Euro, erscheint am 30. August