Schau zeichnet ambivalente Geschichte der Wiener Juden mit Antisemiten Wagner nach.
Richard Wagner wird ihn nicht los, den dunklen Schatten seines Antisemitismus: Im auslaufenden Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag des Komponisten hat sich das Jüdische Museum Wien in einer kleinen Ausstellung unter dem Titel "Euphorie und Unbehagen" der Geschichte des jüdischen Wiens mit der Person und dem Oeuvre des Opernerneuerers gewidmet. Diese Aufarbeitung sei bitter notwendig gewesen, unterstrich der Historiker Hannes Heer am Dienstag bei der Präsentation der Schau: "Wien war die erste Hauptstadt des Wagnerismus."
Ablehnung gegen Judentum
"Ich habe in Wien eine wichtige Entdeckung gemacht", zeigte sich Heer andererseits verblüfft. So habe sich erst in der Zeit von Wagners Aufenthalt in der Donaumetropole zwischen 1861 und 1864 sein rassistischer Antisemitismus herausgebildet, als sich die Ablehnung durch die Hofoper und durch die Wiener Kritik zu einer paranoiden Verschwörungstheorie zusammenbraute. Zuvor habe er in der Erstfassung seiner unsäglichen Schrift "Das Judenthum in der Musik" noch eine anthropologisch geprägte Ablehnung der jüdischen Kultur vertreten. Mit dieser in Wien erworbenen Einstellung habe Wagner großen Einfluss gehabt, unterstrich Kuratorin Andrea Winklbauer: "Wagner hat in seiner Zeit wesentlich zur Entstehung des modernen Antisemitismus beigetragen." Diesem Phänomen, aber auch weiteren Themenblöcken abseits dessen, spürt man im Jüdischen Museum nach. Die berühmten, semitischstämmigen Wagner-Kritiker Eduard Hanslick oder Daniel Spitzer werden ebenso beleuchtet wie die glühenden Wagner-Verehrer, allen voran Theodor Herzl, der des Abends "Tannhäuser" in Paris sah, bevor er sich des Nachts ans Schreiben von "Der Judenstaat" machte. An beiden Wiener Wagnervereinen, die Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurden, waren federführend Juden beteiligt.
Auch jüdische Wagner-Interpreten der Vorkriegszeit kommen zu ihrem Recht, während in einer kleinen Sektion die Rezeption nach 1945 Raum greift. "Unsere heutige Populärkultur ist derart durchdrungen von Wagner, dass es vielen nicht mehr auffällt", so Winklbauer. Das reiche von "Star Wars" bis zu "Herr der Ringe", was mit Filmausschnitten unterstrichen wird.
Wagner-Boykott in Israel auch Thema
Zum Abschluss widmet man sich dem bis heute bestehenden Wagner-Boykott in Israel, der unaufgeregt mit zwei Kaffeehaustischen symbolisiert ist, die am Ende der Ausstellung stehen und Zeitungsausschnitte zum Thema bereithalten. "Wir sind keine Propheten", stellte Direktorin Danielle Spera klar. Ob der Boykott auch in Zukunft aufrechterhalten bleibe, wenn die letzten Überlebenden der Schoah verstorben sind, könne man nicht prognostizieren. Das wirkliche Pfund, mit dem die Ausstellung wuchern kann, ist allerdings der Katalog, der für viele Objekte unabdingbar für das Verständnis ist und darüber hinaus zweisprachig zahlreiche interessante Aufsätze zum Thema enthält.
Weitere Highlights
Ab 19. November ist dann die neue Dauerausstellung "Unsere Stadt! Jüdisches Wien bis heute" im Museum zu sehen. Tags zuvor, am 18. November, wird diese bei einem Festakt aus Anlass der 25 Jahre zurückliegenden Museumsgesellschaftsgründung und des 20. Jahrestags der Eröffnung in der Dorotheergasse präsentiert. Sie fokussiert auf das jüdische Leben Wiens und arbeitet sich dabei chronologisch von der Gegenwart über den Holocaust abwärts zum Mittelalter.
Info
"Euphorie und Unbehagen. Das jüdische Wien und Richard Wagner" im Jüdischen Museum, Dorotheergasse 11, 1010 Wien von 25. September bis 16. März 2014 von Sonntag bis Freitag jeweils von 10 bis 18 Uhr. Katalog zur Ausstellung im Metroverlag, 224 Seiten, 29,90 Euro. www.jmw.at