Großer Beifall

"La Boheme" erobert Kammeroper im Sturm

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Junges Ensemble legt packend-heutige Interpretation vor.

Die Kammeroper entwickelt sich zunehmend zum Kraftwerk für das Mutterhaus Theater an der Wien: Nach einer enttäuschenden "Radamisto"-Inszenierung tags zuvor im Haus am Naschmarkt legte das junge Ensemble am Fleischmarkt Montagabend (21. Jänner) eine packende Version von Giacomo Puccinis "La Boheme" vor. Welcher Stoff wäre auch für das junge Ensemble passender geeignet als das Porträt der armen Künstlergemeinschaft?

Reduktion des Orchesters
Die vom britischen Komponisten Jonathan Dove in den 1980ern erstellte Kammerversion des Werks reduziert das große Puccini-Orchester auf 14 Musiker - ohne dass das Wiener Kammerorchester unter Claire Levacher dabei die Intensität reduzieren würde. Überdies hat die junge deutsch-türkische Komponistin Sinem Altan der Puccini-Partitur elektronische Zwischenspiele hinzugefügt, die von Husten bis zu Kaufhausjingles den wirkungsvollen Konnex zur Istzeit herstellt.

Die innere Armut einer dekadenten Künstler-WG

Schließlich fokussiert die niederländische Regisseurin Lotte de Beer in ihrer Inszenierung eher auf die innere Armut einer dekadenten Künstler-WG denn die äußere Armut eines Künstlerkollektivs im 19. Jahrhundert und verlegt das Geschehen in ein abstraktes Penthouse. Am Ende steht ein Kondensat des Puccini-Rührstücks, das letztlich fokussierter als das Original daherkommt, die Aspekte des Sozial- und Unterschichtskitsches reduziert. Diese "Boheme" ist sexueller, direkter und entfaltet eine Stärke, die von den Inszenierungen der großen Häusern fast unbekannt ist.

Ensemble begeisterte
Andrew Owens und Cigdem Soyarslan zeigen als Rodolfo und Mimi eine natürliche Leidenschaft, wie man sie selten auf der Bühne sieht, und Ben Connor gelingt es, seinen Marcello aus der Ecke der Nebenfigur herauszuführen. Die Inszenierung bleibt dabei durchaus humorvoll, geht streckenweise auch angstfrei auf Schrilles zu, ohne ihr Sujet je der Lächerlichkeit preiszugeben. Wenn jedoch Mimi am Ende mit von der Krankheit gezeichneter Glatze hinter der Glaswand eines Krankenhauses stirbt, kommt einer der bekanntesten Operntode mit einer Wucht über die Zuschauer, die im trägen Fluss des Allzuoft-Gehörten oftmals unterzugehen droht. Wer eine kraftvolle, heutige Oper sehen möchte, kommt um die Kammeroper-"Boheme" nur schwerlich herum.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

Info
"La Boheme" von Giacomo Puccini in der Kammerversion von Jonathan Dove  ist noch  am 23., 26. und 30. Jänner sowie am 1., 10., 15., 17., 21. und 24. Februar in der Wiener Kammeroper zu sehen. Alle Informationen sowie Tickets erhalten SIe unter www.theater-wien.at.

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