"Weltregisseur" Body hat "das Gefühl, dass ich ein bisschen zu lange hier war!"
"Ich habe das Gefühl, dass ich ein bisschen zu lange hier war", zog Luc Bondy kürzlich im "Spiegel" seine persönliche Festwochen-Bilanz. Um dieses Gefühl zu verstehen, muss man sich nur vor Augen halten: Der letzte alleinverantwortliche Intendant vor ihm war Klaus Bachler. Der nennt sich nicht nur mittlerweile Nikolaus, sondern war danach lange Burgtheaterdirektor und ist nun Opernchef in München. Luc Bondy aber war seit 1997 bei den Wiener Festwochen an Bord - zunächst in einem Dreierdirektorium mit Klaus-Peter Kehr (Musiktheater) und Hortensia Völckers (Tanz und Sonderprojekte), seit 1. Juli 2001 als programmverantwortlicher Intendant. Zwei Schauspiel-Chefinnen (Marie Zimmermann 2001-2004, 2006/07, sowie Stefanie Carp 2005 und ab 2008) und zwei Musikdirektoren (2002-2004 Hans Landesmann, seit 2005 Stephane Lissner) standen ihm dabei zur Seite.
Wien machte glücklichen Fang
Im März 1996 war es, als Wiens Kulturstadträtin und Festwochen-Präsidentin Ursula Pasterk (S) der Presse von dem "geglückten Fang" des damals 47-jährigen "Weltregisseurs" und "internationalen Theaterzauberers" Luc Bondy berichtete. Mit dem feinnervigen, frankophilen Schweizer, der die Berliner Schaubühne ein paar Jahre mitgeprägt, bei den Salzburger Festspielen und den Wiener Festwochen viel besprochene Inszenierungen gezeigt und die Österreicher mit seiner Affinität zu Mozart, Schnitzler und Handke begeistert hatte, wollte man auch die "Exportfähigkeit" des Festivals weiter ausbauen.
Bondy blieb Wien treu
Ein Jahr später war Pasterk nach ihrem Ausscheiden aus der Politik in einer Debatte um eine mögliche Rückkehr als Intendantin ins Kreuzfeuer geraten und als Festwochen-Präsidentin zurückgetreten. Die Festwochen 1997 wurden als "Übergangsjahr" zwischen Bachler und der Troika rund um Bondy absolviert. Der Regisseur Bondy war mit Strindbergs "Jouer avec le feu" aus Lausanne mit Emmanuelle Beart und Pascal Greggory dennoch präsent - und sollte dies auch die kommenden Jahre bleiben. Eine fremdsprachige Koproduktion mit internationalen Stars und eine in Wien erarbeitete Inszenierung - das war das Rezept, mit dem Bondy nahezu Jahr für Jahr die Festwochen prägte - bis hin zur diesjährigen letzten Ausgabe, für die der Intendant Harold Pinters "Heimkehr" in einer französischen Fassung mit Bruno Ganz, Emmanuelle Seigner und Pascal Greggory aus dem von ihm geleiteten Pariser Odeon-Theater mitbrachte und am Akademietheater "Tartuffe" inszenierte. Internationales Flair und die kontinuierliche Regiehandschrift eines der größten Theatertalente seiner Generation wollte man von Luc Bondy - und das hat er den Wienern auch geboten.
"Figaro läßt sich scheiden" zum Antritt
Dabei konnte man Bondy anfangs durchaus als Festwochen-Revoluzzer missverstehen. Bereits bei der Vorstellung seines ersten Programmes 1998 (die Eröffnungspremiere besorgte Bondy mit Horvaths "Figaro läßt sich scheiden" selbst) verließ ihn bald die Contenance. Als nicht nur zeitgenössische Literatur, sondern auch eine Würdigung des damaligen Lehar-Jahres vermisst wurde, tönte er verärgert: "Die Diskussion kriegt einen chauvinistischen Anklang." Und doch machte schon die 1998er-Ausgabe mit großen Künstlern wie Luca Ronconi, David Maayan, William Kentridge, Peter Steins (brachte Botho Strauß' "Die Ähnlichen" zur Uraufführung) oder Christoph Marthaler fast alle glücklich.
Große Verbundenheit zu Festwochen
1999 kamen Bondy mit Gesprächen über eine Leitungsfunktion am Deutschen Theater Versuchungen in die Quere, denen er jedoch nicht erlag: "Ich konzentriere mich auf meine Arbeit in Wien". Castorf, Zadek und Ostermeier markierten die ästhetische Bandbreite, zu der Bondy die Uraufführung des Botho Strauß-Stücks "Lotphantasie" sowie eine "Warten auf Godot"-Inszenierung beisteuerte. Dass er die Stelle eines Intendanten einnehmen werde, schloss Bondy damals "momentan" aus: "Ein Intendant muss sich Tag und Nacht mit dem Festival beschäftigen." Im Jänner 2000 gab Bondy in den Verhandlungen mit Kulturstadtrat Peter Marboe (V) seine Vorbehalte auf. Er wurde als Allein-Intendant für 2002 bis 2004 bestellt und musste sich davor "mehrmals im Bett wälzen. Es ist schwer, so etwas zu entscheiden, wo die Lebens- und Empfindungsumstellung sehr groß ist."
Bitte liebt Österreich - erste europäische Koalitionswoche"
Dass Bondy seinen Wiener Job und seine kämpferische Ansage zum Thema Xenophobie ("Wir müssen Haltung beziehen und nicht die Sachen geschehen lassen") im Umfeld von Anti-Schwarz-Blau-Demos ernst nahm, zeigte sich u.a. bei Christoph Schlingensiefs Container-Aktion "Bitte liebt Österreich - erste europäische Koalitionswoche", die zu einem der größten Festwochen-Aufreger überhaupt wurde. Wer von ihm erwarte, dass er bei den Festwochen nur "hehre, schöne Kunst" präsentiere, habe sich getäuscht, so Bondy. Doch es wurde wieder ruhiger. 2002, in seinem ersten Intendanten-Jahr, programmierte Bondy gleich drei eigene Inszenierungen ("Anatol", "Auf dem Land", "The Turn of the Screw"), hatte aber auch sein nunmehriger Nachfolger Markus Hinterhäuser seinen ersten Festwochen-Auftritt als "zeit_zone"-Mitorganisator.
Immer wieder in die Verlängerung
2002 verlängerte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (S) Bondys Vertrag bis 2007: "Er hat Impulse nicht nur bei den Wiener Festwochen, sondern innerhalb der gesamten Wiener Theaterlandschaft gesetzt." Wien sei für Bondy "geistiges und kulturelles Zentrum Europas, gleichzeitig ist er gleichsam Garant oder Kristallisationspunkt genau dafür." Ein Jahr darauf griff der Intendant angesichts der Streichung der Bundessubventionen durch die schwarz-blaue Regierung zu martialischen Tönen: "Wir befinden uns in einem Kulturkrieg mit der Regierung!" Auf diese von der Regierung ausgehende "Politisierung" wolle man mit einer "Repolitisierung" antworten. Kunststaatssekretär Franz Morak (V) konterte, dass die erfolgte Streichung der Bundessubvention von 364.000 Euro nicht einmal den Prosecco-Konsum der Wiener Festwochen decke. Man zog gegen "falsche Tatsachenbehauptungen" in den "Prosecco-Krieg" und erklärte nach einer erfolgreichen Festwochen-Bilanz 2003 "den Kulturkrieg für gewonnen".
Feinde immer und überall
"Ich hatte noch nie so viele Feinde, seit ich diesen Job mache", bekannte Bondy 2004. Unter anderen war immer wieder Kritik laut geworden, dass der Intendant, dessen Jahresgehalt um die 200.000 Euro brutto gelegen haben dürfte, relativ selten in Wien anwesend sei. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man internationale Festwochen vorbereitet, indem man nur in Wien ist", erwiderte Bondy. "Ich bin eine Zusammensetzung von verschiedenen Ländern und Kulturen. Das ist das, was ich nach Wien bringe. Es kann sein, dass das nicht mehr reicht, oder dass ich nicht mehr gut bin." Im Kulturamt verhandelte man Ende 2004 mit Martin Kusej über die Bondy-Nachfolge, ließ es dann bleiben und verärgerte beide, den Doch-Nicht- und den Doch-Noch-Intendanten, der verschnupft reagierte und die Vorgangsweise als "enorm beschädigend" qualifizierte, sich dennoch weitere zwei Male (2005 für eine Verlängerung bis 2010 und 2008 für bis 2013) für Vertragsverlängerungen bereit erklärte. Rückblickend wäre das wohl der richtige Zeitpunkt gewesen, eine personelle Neuordnung anzustreben - und es ist nicht auszuschließen, dass dies beide Seiten so sehen.
Produktivitöt im Vordergrund
"Wenn man zu lange an einem Ort arbeitet, dann kümmert man sich nicht mehr richtig", gab sich Bondy im "Spiegel" selbstkritisch. Das konnten die Wiener auch daran sehen, dass der Intendant tatenlos dabei zusah, dass die Musiktheatersparte unter Scala-Intendant Stephane Lissner zu einem Nebenjob wurde und immer weniger Herausragendes bot, und seine Schauspielchefinnen bienenfleißig Jahr für Jahr umfangreiche Programme zusammenstellten, offenbar ohne, dass dies von intensiven und produktiven programmatischen Auseinandersetzungen begleitet worden wäre. "Es wäre schöner gewesen, wenn wir - inklusive Musikdirektor und Geschäftsführer - produktiver zusammengearbeitet hätten", ließ Stefanie Carp jüngst in ihrem bitteren "profil"-Abschiedsinterview verlauten. "Sollte wohl nicht sein." Bondy selbst ließ sich immer seltener blicken.
Neuer bekommt drei Jahre Zeit sich einzuleben
Als Reaktion auf die Langzeit-Intendanz hat man bei den Wiener Festwochen dem Nachfolger einen Drei-Jahres-Vertrag ohne Option auf Verlängerung gegeben. Dass ausgerechnet diese unübliche Vorgangsweise Markus Hinterhäuser (Bild links oben) die Chance eröffnen wird, sich für die Intendanz der Salzburger Festspiele zu bewerben, mutet wie ein Treppenwitz an. Und bedeutet die Notwendigkeit, dass man sich bereits im kommenden Jahr über den Nach-Nachfolger Luc Bondys den Kopf zu zerbrechen hat.