In nicht einmal 30 Jahren könnten Muslime in Wien die größte Religionsgemeinschaft sein.
Eine Studie des Vienna Institute of Demography bestätigt den Anstieg der Muslime in Österreich. Demnach gibt es derzeit rund 700.000 Menschen, die sich zum islamischen Glauben bekennen. Seit der letzten Volkszählung 2001 hat sich deren Anteil von vier auf acht Prozent verdoppelt. Weiterhin stärkste Religionsgemeinschaft ist die römisch-katholische Kirche, die trotz Rückgangs 64 Prozent ausmacht.
Unter dem Titel "Demographie und Religion in Österreich" hat ein Team um Anne Goujon vom Vienna Institute of Demography der Österreichischen Akademie der Wissenschaften die gegenwärtige religiöse Zusammensetzung der österreichischen Bevölkerung sowie mögliche zukünftige Entwicklungen analysiert und die Ergebnisse als Working Paper zur Verfügung gestellt. Die Erstellung der Studie wurde durch den Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) unterstützt.
Große Veränderungen
Seit der letzten Volkszählung haben sich die religiösen Zugehörigkeiten in Österreich deutlich verändert: Bekannten sich vor 2001 noch drei Viertel aller Österreicher zum römisch-katholischen Glauben, sank ihr Anteil auf 5,16 Mio. und damit zwei Drittel der Bevölkerung. Den stärksten Zuwachs gab es in den vergangenen 15 Jahren bei der Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit: Waren es 2001 noch 12 Prozent, sind es im Jahr 2016 schon 17 Prozent.
Starken Zuwachs verzeichnete auch der muslimische Bevölkerungsanteil. Dessen Anteil verdoppelte sich und entspricht in absoluten Zahlen rund 700.000, wie der ÖIF bereits im April der APA berichtete. Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl der orthodoxen Christen: von zwei Prozent auf fünf Prozent, was 400.000 Personen entspricht. Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant bei 5 Prozent, genau sind es nach APA-Informationen 302.000.
Unter "Sonstige" fallen in der Studie zwei Prozent der österreichischen Bevölkerung, was etwa 160.000 Personen entspricht. Darin enthalten sind auch die Juden, wovon es laut APA-Informationen aktuell rund 15.000 gibt.
Mögliche Szenarien
Die Studie für den ÖIF, welche Anne Goujon leitete, geht von vier möglichen Szenarien der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung in Österreich aus. Alle sehen einen mehr oder weniger starken Anstieg der Muslime sowie der Konfessionslosen - je nach Zuwanderung. Auch der Rückgang der Katholiken in Österreich ist in allen Modellen unvermeidbar.
Sollten in Zukunft vor allem Menschen aus dem europäischen Raum nach Österreich zuwandern, kommt es laut Studie zu einem Anstieg der Konfessionslosen auf ein Viertel der Bevölkerung. Grund dafür sind die Säkularisierungstendenzen in den meisten europäischen Staaten. In diesem Szenario würde der Bevölkerungsanteil von Katholiken in Österreich 2046 bei 45 Prozent liegen, jener der Muslime bei 14 Prozent.
Das zweite Szenario ("Diversität") berücksichtigt jüngste Entwicklungen der Migration, die nicht nur durch europäische Zuwanderung, sondern auch durch stärkere nicht-europäische Migration aus Ländern des Nahen Ostens geprägt ist. Ähnlich wie beim ersten Szenario geht man dabei von einem Rückgang der Zahl an Katholiken auf 45 Prozent sowie einem Anstieg der Zahl an Konfessionslosen auf 24 Prozent und Muslimen auf 17 Prozent aus.
Sollte die Migration nach Österreich in Zukunft abnehmen und zum Stillstand kommen, wären künftige Entwicklungen hauptsächlich auf "religiöse Mobilität" sowie "Fertilität" zurückzuführen. Dieses Szenario geht davon aus, dass der Anteil der Konfessionslosen bis 2046 auf 28 Prozent ansteigen wird. Die Zahl der Katholiken sinkt auch in diesem Szenario auf unter die Hälfte, während Muslime dann einen Bevölkerungsanteil von 12 Prozent ausmachen.
30 Prozent Muslime
Das letzte Szenario geht von einer starken Zuwanderung aus dem Nahen Osten und Afrika aus, die zu einem bedeutenden Anstieg des Anteils der Muslime in Österreich auf 21 Prozent 2046 führen würde. In Wien könnte gemäß dieser Annahme dann nahezu jeder Dritte (30 Prozent) Muslim sein. Der Islam würde damit in 30 Jahren die größte Religion in Wien darstellen.
Aus heutiger Sicht erscheinen die Szenarien "Europäische Mobilität" und "Diversität", die auf demografischen und religiösen Trends der vergangenen zehn Jahren basieren, plausibler als die Szenarien der hohen oder geringen Zuwanderung, meinen die Autoren der Studie.