Paukenschlag: Bei Pulkau wurde das Skelett von Julia Kührer entdeckt.
Fünf Jahre der Suche und der Ungewissheit sind vorbei – aus purem Zufall: Am Donnerstag gegen 18 Uhr gingen die Dietmannsdorfer Rudi Th. und Manfred S. mit dessen Hund spazieren. Wie so oft warf S. den Ball für seinen vierbeinigen Freund – doch diesmal zu weit. Der Hund lief auf den Hof eines verlassenen Hauses.
Bei der Suche nach dem Ball stieß das Tier auf ein Loch in einem Erdkeller. Dort machten Herrchen und Hund eine grausige Entdeckung: Aus dem Loch, das mit einer Spannplatte abgedeckt war, lugten Knochenfragmente und Zähne eines Skeletts hervor. Die Männer schlugen Alarm.
Um 19.07 Uhr waren erste Polizisten vor Ort. Und machten weitere schaurige Funde, die sie bald an die vermisste Julia denken ließen. Neben den Skelettteilen lagen Fetzen von Kleidungsstücken und Teile eines Englisch-Lexikons. Julia kam damals gerade von der Schule aus Horn, als sie am Hauptplatz von Pulkau verschwand. Rudi Th. kann es im ÖSTERREICH-Gespräch immer noch nicht fassen: „So etwas kennt man doch nur aus dem Fernsehen. Dass so etwas bei uns im Dorf passiert… Nein!“
© TZ ÖSTERREICH/Kronsteiner
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© APA/ Pfarrhofer
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Der Verdächtige
Wenig später lief die Ermittlungsmaschinerie auf voller Kraft: Noch in der Nacht auf Freitag wurde ein Verdächtiger ausgemacht, bei dem alle Fäden zusammenliefen. Michael K., Mieter des Hauses, in dessen Keller die Knochen lagen, war bis vor fünf Jahren Betreiber der Videothek am Hauptplatz von Pulkau, dem heimlichen Treffpunkt der Jugend des Ortes. Tatsächlich war der Mann, der zwar keine Zähne mehr, dafür immer eine dicke Zigarre im Mund hatte, vielen im Ort suspekt. Obwohl 50 Jahre alt, gab er sich als zehn Jahre jünger aus und spielte vor Mädchen den starken Mann. Und das Wichtigste: Er kannte damals die 16-jährige Julia.
Silberner Van
Tatsächlich soll sich Michael K. kurz vor ihrem Verschwinden einen silbernen Van zugelegt haben. Zeugen erzählten, dass die Vermisste in einen Wagen dieser Farbe gestiegen sei.
Michael K. war zwar in der Vergangenheit vier Mal von den Kriminalisten befragt worden, galt aber nie als Verdächtiger. Sein Vernehmungsprotokoll ist 20 Seiten lang. Auch nachdem er seine Videothek so plötzlich aufgegeben hatte, kam er zweimal nach Pulkau zurück und lud Jugendliche zum Kaffee ein, scheinheilig soll er sich nach Neuigkeiten im Fall Kührer erkundigt haben.
Keller nicht Tatort
Freitag früh wurde Michael K. in Wien festgenommen. Es folgten stundenlange Verhöre (es gilt die Unschuldsvermutung). Chefermittler Geiger: „Er gab gar nichts zu.“ Um 18 Uhr dann die Pressekonferenz mit Vertretern des Bundeskriminalamtes in Pulkau: Nach einer Analyse des Zahnschemas stand fest: Bei den Skelettteilen handelt es sich um die sterblichen Überreste von Julia Kührer. „Der Körper war nicht vollständig vorhanden. Doch nach der Art wie er abgelegt wurde, gehen wir von einem gewaltsamen Tod aus“, so BKA-Sprecher Helmut Greiner. Ihr Körper muss schon sehr lange in dem Keller gelegen sein, der nicht der Tatort gewesen ist.
Jetzt wird Julia Kührer ihre letzte Ruhe finden.
Verdächtiger: Angeber, er stellte Mädchen nach
Der 50-Jährige mit der Wrestler-Statur hatte zu jener Zeit, als Julia Kührer vor fünf Jahren verschwand, eine Videothek am Hauptplatz – keine zwei Gehminuten vom Haus der Kührers in der Ufergasse entfernt. Der korpulente Aufschneider, der oft mit seinem schrillen Kleidungsstil auffiel, suchte stets die Nähe von Teenagermädchen, die er in sein Geschäft oder auch in sein Haus nach Dietmannsdorf einlud.
Der gebürtige Wiener hatte engen Kontakt zu Julia – und er war für viele der Hauptverdächtige, als Julia vermisst wurde und er vier Tage später seine Videothek zusperrte, um Pulkau wie auch seinem Haus in Dietmannsdorf den Rücken zu kehren.
Dr. Rainer König-Höllerweger, ein Vertrauter der Familie Kührer: „Der Typ war auch mir suspekt und alle Jungs im Ort nannten ihn damals als möglichen Täter. Vielleicht hat die Polizei geglaubt, dass er nur ein Sündenbock war und ihn deshalb nicht näher angeschaut.“
Die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass K. schon zu Beginn der Suche nach Julia einvernommen wurde – aber nur wegen sogenannter Umfelderhebungen, weil er eben am Hauptplatz die Videothek hatte. Über Michael K., der sich Freitag früh um 7.30 Uhr in Wien widerstandslos festnehmen ließ und für den die Unschuldsvermutung gilt, wird auch erzählt, dass er tätowiert sei und dass der Rapid-Ultra auch beim Platzsturm beim Derby an vorderster Front dabei war. Auf seiner Facebook-Seite hat er 29 eingetragene Freunde – fast nur junge Mädchen …
Julias Freunde Florian und Roland: "Er hat uns immer nur belogen"
ÖSTERREICH: Ihr wart mit Julia befreundet und kanntet auch den Verdächtigen. Was ist das für ein Typ?
Florian: Jetzt wissen wir, er hat uns immer nur belogen. Ernst genommen wurde er aber schon früher kaum. Weil er zu den Burschen kumpelhaft, aber zu den Mädchen anzüglich und ordinär war.
ÖSTERREICH: Hattet ihr viel Kontakt zu Michael K.?
Roland: So wie alle anderen waren wir oft bei ihm in der Videothek und einmal im Haus in Dietmannsdorf. Aber als er ständig von seinen Kämpfen mit Haifischen und Catchern erzählt hat, war es dann zu viel. Einmal kam er mit einem blauen Auge von einem angeblichen Kampf. Das war aber nur bunt geschminkt.
ÖSTERREICH: Traut ihr ihm zu, mit Julias Verschwinden zu tun gehabt zu haben?
Florian: Auf jeden Fall. Er ist ja wenige Tage nach ihrem Verschwinden hier abgehaut und hatte zuletzt auch einen silbernen Wagen. In den hat er Julia sicher gelockt.
M. Hofer, B. Haas, R. Kopt, T. Kronsteiner, M. Lassnig