Forderungen nach gemeinsamem Fach 'Ethik und Religionen' für alle.
Laut den aktuellen Zahlen des Wiener Stadtschulrats besuchen mittlerweile 31.984 muslimische Schüler die Wiener Pflichtschulen. Darüber hinaus sind 29.894 Schüler in Wiener Volks- und Neuen Mittelschulen (NMS) katholisch, die drittgrößte Gruppe bilden jene Schüler, die kein Religionsbekenntnis haben (15.531) gefolgt von jenen serbisch-orthodoxen Glaubens (9.985).
Fach "Ethik" zur Integration
Soziologe Kenan Güngör sagte gegenüber dem "Kurier": "Die Schule ist der Ort, wo man sich über Werte und Weltanschauungen austauschen kann und auch sollte, denn sie ist der wichtigste Sozialisationsraum für junge Menschen." Aus diesem Grund wäre es sinnvoll darüber nachzudenken, ein gemeinsames Fach "Ethik und Religionen" für Schüler jedes Glaubens einzuführen.
Als Schulversuch gebe es dieses Projekt schon seit 20 Jahren an mittlerweile 230 österreichischen Standorten in Gymnasien und Neuen Mittelschulen. Am Dienstag forderte eine Plattform aus Politikern und Experten die flächendeckende Einführung des Ethikunterrichts. Trotz guter Erfahrungen mit Schulversuchen sei seit Jahren nichts unternommen worden, kritisierten Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache, der auch für die Liste Pilz kandidiert, Grünen-Bildungssprecher Harald Walser sowie die Wissenschafter Heinz Mayer und Anton Bucher.
Vom Religionsunterricht abgemeldete Schüler haben derzeit ohne Schulversuch eine Freistunde. In Schulen mit Schulversuch müssen sie dagegen verpflichtend am Ethikunterricht teilnehmen - was tendenziell die Attraktivität der Abmeldung vom Religionsunterricht einschränkt.
Unterschiede in den Forderungen
Zwar gibt es nach wie vor feine Unterschiede in den Forderungen. Die etlichen Schulversuche, die seit 20 Jahren unternommen werden, sollen aber endlich allgemein greifen, forderten die Organisatoren einer Pressekonferenz am Dienstag. Ein Fach "Ethik und Religionen" schwebt dabei Bucher, der an der Universität Salzburg lehrt, vor. Der Religionspädagoge und Erziehungswissenschaftler hat bereits 2001 eine vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Evaluation der Schulversuche durchgeführt.
Seitdem sei so gut wie nichts geschehen, bedauerte auch Verfassungsrechtler Mayer "die traurige Geschichte des Ethik-Unterrichts". Seine Befürchtung: Mündige und kritische Bürger seien der "politischen Herrschaft unangenehme Partner". Heranwachsende sollten sich nicht mit einfachen Antworten begnügen. Werterelativismus gehöre etwa den Lehren monotheistischer Religionen, die potenziell autoritäre Strukturen berücksichtigten, gegenübergestellt.
Konfessioneller Religionsunterricht auf freiwilliger Basis?
Auch Walser fordert die baldige Einführung eines Ethikunterrichts, auch wenn es weiterhin konfessionellen Religionsunterricht auf freiwilliger Basis geben solle, denn: "Wir dürfen den Religionsunterricht nicht in die Hinterhöfe verlagern." Vor allem in Zeiten politischer Agitation mit oder auch durch den Islam sei der Bedarf umso größer. "Da haben wir Handlungsbedarf", so der Grüne. Eltern und Lehrer würden das Thema zudem viel pragmatischer sehen als die Politik.
Laut Reif von der Initiative Religion ist der derzeit praktizierte Religionsunterricht Privatsache - mit Möglichkeit zur Abmeldung - "historisch gewachsen, aber unredlich". Es gehe auch nicht darum, Wissen über Religionen nicht zu vermitteln, sondern auch Gegenthesen zu vermitteln. Für Reif gehört auch das Lehrpersonal strikt getrennt: "Entweder Ethik oder Religion, aber nicht beides", meint er. Selbst trennt er den Auftritt mit Walser von seinem Engagement für die Liste Pilz, wie er betonte.