ÖSTERREICH-Interview

Kern: "Ultimatum an ÖVP war nötig"

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Kern erklärt seinen Verhandlungsstil und attackiert den Innenminister erneut.

Auf dem Rückflug vom großen EU-Flüchtlingsgipfel in Malta enthüllt Kanzler Christian Kern im ÖSTERREICH-Interview seine Verhandlungstaktik während der Koalitionskrise. Er habe der ÖVP ein Ultimatum stellen müssen, sonst hätte sich die Koalition aufgelöst. Gleichzeitig weist er zurück, dass sich inhaltlich die ÖVP durchgesetzt habe.

Doch Kern scheut vor weiteren Konflikten mit der ÖVP nicht zurück: Die Vorschläge von Innenminister Wolfgang Sobotka für eine „Demo-Bremse“ lehnt Kern rundweg ab.

»Koalition hätte sich aufgelöst«

ÖSTERREICH : Haben Sie als roter Kanzler ein schwarzes Koalitionsprogramm fixiert?

Christian Kern: Nein. Ich habe die Lehren aus der Geschichte gezogen. SPÖ-Kanzler waren immer dann erfolgreich, wenn sie eine gute Wirtschaftspolitik machten. Das war bei Kreisky, bei Vranitzky, Klima und auch bei Gusenbauer so. Bereits in meinem Plan sind viele Punkte enthalten, die die Wirtschaft stimulieren sollen. Eine Partei wie die SPÖ braucht eine aktive Wirtschaftspolitik.

ÖSTERREICH: Sie starteten als Hoffnungsträger der Linken …

Kern: Dann hat man mir damals nicht genau zugehört. Sichere Arbeitsplätze und bessere Einkommen standen bereits in meiner Antrittsrede im Parlament im Mittelpunkt. Wer ­Arbeitsplätze schafft oder gibt, ist ein Bündnispartner für die Sozialdemokratie. Die kleinen und mittleren Betriebe, das sind nicht „die Gestopften“, das ist der klassische Mittelstand, um den wir uns als SPÖ kümmern müssen.

ÖSTERREICH: Also der dritte Weg von Gerhard Schröder?

Kern: Ich würde es als 4. Weg bezeichnen. Wir leben 2017, im neunten Jahr nach der Finanzkrise. Wir brauchen eine starke Wirtschaft, aber wir wollen uns nicht nur auf den Markt verlassen. Denn es gibt strukturelle Benachteiligung für Frauen, für die Generation 50+. Da muss die Politik aktiv dagegenhalten, das regelt eben nicht die Wirtschaft von alleine. Zum Beispiel wenn es darum geht, den Mindestlohn auf 1.500 Euro zu erhöhen.

ÖSTERREICH: In den 46 Punkten ist nicht viel für Frauen drin.

Kern: Im Gegenteil. So viele konkrete Maßnahmen, um die Lebenslage der Frauen zu verbessern, gab es schon lange in keinem Regierungsprogramm mehr. Gerade die Jobprogramme für über 50-Jährige, hier sind Frauen überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen, sollen Frauen helfen. Das gilt auch für das zweite gratis Kindergartenjahr und den 1.500-
Euro-Mindestlohn, 200.000 Frauen verdienen weniger. Und auch die 30-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten ist ein Symbol, dass wir die gläserne Decke zertrümmern wollen.

ÖSTERREICH: Die SPÖ-Jugend ist über den Rechtsruck in der Sicherheitspolitik unglücklich.

Kern: Für die SPÖ ist es entscheidend, kompetent in der Sicherheitspolitik zu sein. Mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil haben wir den kompetentesten Sicherheitspolitiker Österreichs. Der kennt die Praxis aus vielen Jahren eigener Polizeiarbeit. Wir sind mit neuen Bedrohungsszenarien konfrontiert und müssen daher auch unsere Politik anpassen. Die Menschen erwarten von uns zu Recht, dass wir sie schützen. Aber bei allen notwendigen Maßnahmen ist ganz klar: Die Bundesregierung steht nicht über dem Rechtsstaat. Das gilt auch für jeden Minister.

ÖSTERREICH: Sie meinen das teilweise Demonstrationsverbot, das Sobotka andenkt?

Kern: Wir sind gegen Versuche, demokratische Rechte auszuhebeln. Das werden wir nicht zulassen. Wir haben sehr viele Opfer für das Recht auf Versammlungsfreiheit erbracht, und Geschäftsinteressen stehen sicher nicht über dem Recht auf freie Meinungsäußerung.

ÖSTERREICH: Sie haben Ihr Arbeitsprogramm bekommen, aber waren diese Ultimaten nötig?

Kern: Dieses Ultimatum war nötig, damit endlich etwas weitergeht. Sonst hätte sich die Regierung aufgelöst. Jetzt haben wir eine Grundlage auf dem Tisch, die ein Weiterarbeiten bis 2018 ermöglicht.

ÖSTERREICH: Ihre Staatssekretärin Duzdar will auch über Kreuze an Schulen reden …

Kern: Das Kreuz bleibt in der Schule.

Interview: I. Daniel

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