Amon: "Wollen Mittelstand klarmachen, was Kerns Politik bedeutet."
Einen Termin für die nächste Nationalratswahl gibt es noch nicht, der Wahlkampf nimmt aber an Fahrt auf: Die ÖVP greift nun Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern frontal mit einer Broschüre an, in der vor Rot-Grün gewarnt wird. Kern wird in dem von der ÖVP lancierten "Manifest" als Marxist im Sowjet-Stil mit Hammer und Sichel dargestellt.
Auf 58 Seiten werden Argumente gegen Kern und eine mögliche rot-grüne Bundesregierung aufgelistet, darunter zehn angebliche Verbote, unter denen das Volk bei einer solchen Koalitionsvariante zu leiden hätte. Hintergrund der ÖVP-Aktion ist das Werben um die "Mittelschicht" (SPÖ-Diktion) beziehungsweise um den "Mittelstand" (ÖVP-Diktion). Die Broschüre ist offenbar die Reaktion auf die jüngste SPÖ-Kampagne, die diese Zielgruppe in den Mittelpunkt rückt. Kanzler Kern war dabei als Pizzabote ausgerückt und hatte Familien in ihren Wohnzimmern besucht.
Beweggründe für "Rot-Grün Manifest"
"Wir wollen dem Mittelstand klarmachen, was Kerns Politik bedeutet", erklärte ÖVP-Generalsekretär Werner Amon laut Medienberichten die Beweggründe für das "Rot-Grün Manifest". Das Papier unterstellt SPÖ und Grünen etwa, keine Leistung zuzulassen, von Zuwanderern nichts einzufordern, Bürger nicht entlasten zu wollen, Jungen keine Chance zu geben, Unternehmern keinen Erfolg zu erlauben, keinen schlanken Staat zuzulassen, Begabungen nicht zu fördern, Werte und Traditionen nicht zu erhalten und die Macht nicht aus der Hand geben zu wollen.
Kern, der in der Broschüre als "Willkommenskultur-Kanzler" tituliert wird, verfolge das Ziel einer "linken Wende in Österreich", wie es in der Broschüre heißt. Von einer "Rückkehr in die links-linke Gedankenwelt der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin" ist die Rede.
"Keine Wahlkampfbroschüre"
ÖVP-Generalsekretär Werner Amon sieht nicht seine Partei, sondern die SPÖ im Wahlkampf. Die ÖVP-Broschüre, in der Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern frontal angegriffen wird, ist laut Amon eine "Informationsbroschüre für unsere Funktionäre", wie der ÖVP-General im Ö1-Mittagsjournal des ORF sagte.
"Das ist keine Wahlkampfbroschüre", so Amon. Vielmehr werde aufgezeigt, was im Fall einer rot-grünen Koalition drohe. In Wien seien die Schulden unter Rot-Grün etwa von drei auf sechs Milliarden Euro gestiegen. Dass Kern in der Publikation in die Nähe der kommunistischen Gründerväter Marx und Lenin gerückt werde, rechtfertigte der ÖVP-Politiker mit den Umverteilungsplänen der SPÖ am Beispiel der kalten Steuerprogression. "Das ist schon gelebter Sozialismus", erklärte Amon.
Man habe es seit Herbst mit Wahlkampfaktivitäten der SPÖ zu tun. Zudem habe Kern der ÖVP am Sonntag schon wieder ein "Ultimatum" gestellt, so Amon in Anspielung auf das letzte SPÖ-Angebot in Sachen kalter Progression. Die SPÖ befinde sich im Dauerwahlkampf, die ÖVP möchte arbeiten und nicht dauerwahlkämpfen, so Amon.
SPÖ: "Wir kommentieren das nicht"
In der SPÖ wollte man sich am Dienstag keine Irritation über die ÖVP-Kampagne anmerken und sich davon nicht provozieren lassen. "Wir kommentieren das nicht. Das richtet sich von selbst", hieß es aus der Parteizentrale. SPÖ-Minister Jörg Leichtfried nahm es auf Twitter immerhin mit Humor. "Hammer und Sichel sind ja immerhin Teil des österreichischen Staatswappens ;)", schrieb Leichtfried.
Für den Politikberater Thomas Hofer ist die Broschüre nur ein weiteres Indiz dafür, dass die Koalition ihr Ablaufdatum erreicht hat. "Man will nicht mehr miteinander, man kann auch nicht mehr miteinander. Die Frage ist nur, wer sagt's den Kindern und wie bös reagieren die", zog Hofer im APA-Gespräch einen Vergleich zu einer Scheidung.
Stil "sehr plump und lächerlich"
Die Broschüre selbst ist für den Kampagnenexperten nichts Neues. Es habe von der ÖVP schon mehrere Rot-Grün-Warnfibeln gegeben und auch die Wiener SPÖ habe im letzten Wahlkampf ein "Blaubuch" über die FPÖ herausgebracht. "Das kommt nicht das erste Mal vor." Der Stil der ÖVP-Broschüre sei "teilweise sehr plump" und "sehr lächerlich". Das sei aber Sinn der Übung solcher Fibeln, die vor allem der eigenen Funktionärsmobilisierung dienten, so Hofer. Dass in diesem Fall der Angriff auf Kern dazu komme, habe wohl damit zu tun, dass dieser mit seiner Wirtschaftsvergangenheit potenziell auch in die eigene Wählerschicht der ÖVP rein strahle.
Laut Hofer befindet sich die Politik jedenfalls längst in der Wahlauseinandersetzung. "Wir sind de facto im Wahlkampf, nennen wir es halt Vorwahlkampf. Die ÖVP hat dabei ein Problem. Sie muss Wahlkampf machen, ist aber kandidatentechnisch noch nicht so aufgestellt, dass alles aus einem Guss sein könnte", so Hofer in Anspielung auf die ÖVP-interne Personaldiskussion, laut der Außenminister Sebastian Kurz und nicht Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den Spitzenkandidaten bei der Wahl geben könnte. Und die SPÖ habe die "Herausforderung Wien und einen Nachholbedarf in Sachen Mobilisierung, aber dort ist wenigstens klar, wer es wird".