Offenbar ist sich Kanzler Kern selbst nicht sicher, ob er weiter SPÖ-Chef bleiben will.
10 Jahre Politik“, hatte Christian Kern im Wahlkampf stets getönt. Er bleibe SPÖ-Vorsitzender – egal, ob in Regierung oder in Opposition. Jetzt erfuhr ÖSTERREICH aus Kerns Umgebung: Der Kanzler selbst hat noch nicht entschieden, ob er bleiben will. Tendenziell stünden die Zeichen zwar auf einen Verbleib. Die Frage ist nur: Lässt ihn die Partei? Und unter welchen Umständen? Tatsächlich gibt es in der SPÖ viele, die darauf warten, dass sich Kern verdribbelt. Aus einer Landespartei ist gar schon zu hören, man habe dem Vorsitzenden signalisiert: „Such dir einen neuen Job.“
Variante 1: Sicher Überleben nur mit Rot-Blau
➔ Harter Poker. Überleben kann Kern offenbar nur, wenn er Rot-Blau zusammenbringt und so seinen Kanzlerjob rettet. Darauf scheinen auch er und sein wichtigster Vertrauter Thomas Drozda zu hoffen. Nur ist das nicht sehr wahrscheinlich. Alles deutet darauf hin, dass die Wahlsieger Kurz und Strache sich sehr um Schwarz-Blau bemühen. Trotzdem gab es bereits Kontakte von Kern mit Strache; jetzt hofft er, dass es der FPÖ-Chef im Poker mit der ÖVP überzieht und Rot-Blau aktuell wird. Dann müsste Kern das in der SPÖ durchbringen – der Widerstand ist aber enorm, vor allem die Wiener SPÖ rund um Häupl setzt Himmel und Hölle dagegen in Bewegung.
Variante 2: Ohne Kern in eine Regierung gehen
➔ ÖGB-Druck. Vor allem in der Gewerkschaft dringt man auf eine Regierungsbeteiligung, fast schon um jeden Preis – auch Juniorpartner der Kurz-ÖVP. Oder man könnte ein Kabinett Kurz dulden. Allerdings wäre Kern in diesem Fall schnell weg – es sind dann Politiker wie Hans Peter Doskozil gefragt, die mit den ÖVPlern eine Gesprächsbasis haben. Doskozil leugnet zwar stets Ambitionen, das Innenministerium bestätigte aber am Mittwoch sein Treffen mit Innenminister Wolfgang Sobotka. Der Termin sei zwar „Routine“ gewesen – dass aber auch künftige Koalitionen ein Thema waren, wurde nicht dementiert. Doskozil hatte schon im Wahlkampf – sehr zum Ärger Kerns – durch ein Doppelinterview mit Kurz aufhorchen lassen.
Variante 3: Opposition – hier wäre Schieder der Mann
➔ Plan der Linken. Aus der Parteilinken steigt aber der Druck, Kern solle die SPÖ möglichst rasch in Opposition führen – SJ-Chefin Julia Herr etwa fordert das vehement. Sie hält dann auch Kern für den richtigen Oppositionschef. Doch wird allgemein erwartet, dass dem einstigen Topmanager endgültig die Lust auf Politik vergeht. Für die Opposition gilt aber: Der derzeitige Klubchef Andreas Schieder, ein erbitterter ÖVP-Gegner, wäre dann die wahrscheinlichste Variante.(gü)