Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.
In diesem Wahlkampf liegen die Nerven schon 6 Wochen vor dem Finale blank. Jedes kleine Fettnäpfchen wird zur Staatsaffäre. Das erleidet ORF-Moderator Tarek Leitner gerade an seiner eigenen Person.
Ich halte Leitner für einen nicht nur sympathischen, sondern auch integren, kritischen Journalisten, der als ZiB1-Moderator zu den angenehmsten Erscheinungen des ORF gehört.
Trotzdem wird Leitner nichts anderes übrig bleiben, als seine Moderation der Sommergespräche und der TV-Duelle zurückzulegen.
Leitner ist mit dem heutigen Kanzler Christian Kern in Ibiza auf Urlaub gewesen – zu einem Zeitpunkt als dieser noch ÖBB-Chef war. Und zwar deshalb, weil sein Kind mit dem Kern-Kind eng befreundet ist. Das ist nicht verwerflich.
Absolut unmöglich ist es aber, dass jemand, der mit einem Spitzenkandidaten privat auf Urlaub war, dann TV-Duelle und Interviews mit seinem Urlaubs-Freund leitet. Der ORF ist zur Objektivität verpflichtet, muss als „Staatsfunk“ besonders sensibel sein.
Es ist untragbar für ein öffentlich-rechtliches Unternehmen, wenn der Moderator der Wahl-Duelle ein Naheverhältnis zu einem der Duellanten hat. Leitner sollte jetzt, wo sein Urlaub zum Wahlkampf-Thema wird, sensibel genug sein, sich von den Duellen (auch vom Kern-Sommergespräch) zurückzuziehen. Leitner kann in dieser Schlammschlacht nur noch verlieren.
Der ORF wird als letztes Relikt der alten „Parteienwirtschaft“ nach dieser Wahl ohnehin zu hinterfragen sein. Ob man die Wähler weiter zwingen kann, eine elektronische „Deppensteuer“ für einen „Staatsfunk“ zu zahlen, ist fraglich.
Nach dieser Wahl ist es höchste Zeit für eine wirkliche ORF-Reform. Der ORF muss endlich unabhängig von der Politik werden, und kein staatlich finanziertes Kommerz-TV mit Regierungs-Propaganda.
Im Wahlkampf wird der ORF aufpassen müssen, dass er unabhängig bleibt - und da ist die „Causa Tarek Leitner“ sicher ein erster Prüfstein …