39-Jähriger gewinnt mit Zweidrittel-Mehrheit gegen Rechtspopulistin Le Pen.
Die Franzosen haben den Pro-Europäer Emmanuel Macron zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Der parteilose Ex-Wirtschaftsminister erzielte am Sonntag laut Hochrechnungen eine Zweidrittel-Mehrheit gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Aus zahlreichen EU-Hauptstädten kamen Glückwünsche für den 39-Jährigen, der als jüngster Präsident der französischen Geschichte in den Elysee-Palast einziehen wird.
Macron kam mehreren Hochrechnungen zufolge auf 66,06 Prozent, Le Pen entsprechend auf knapp 34 Prozent der Stimmen.
"Neues Kapitel"
Macron sagte der Nachrichtenagentur AFP, mit seinem Sieg öffne sich "ein neues Kapitel" für Frankreich - das "der Hoffnung und der wiedergewonnenen Zuversicht". In einer sehr ernsten Ansprache versprach er anschließend, er wolle die "Einheit der Nation" wiederherstellen: "Ich kenne die Wut, die Angst und die Zweifel" der Franzosen.
"Ich weiß um die Teilung unserer Nation, die manche dazu gebracht hat, extremistische Parteien zu wählen", sagte der proeuropäische Linksliberale am Sonntagabend in Paris. Die nächsten fünf Jahre trage er Verantwortung dafür, Ängste zu dämpfen und den Franzosen den Optimismus zurückzugeben. Für ihn habe die Rückkehr der Moral in die französische Politik oberste Priorität.
Macron versprach, sich angesichts des Brexit gegen die Kritik und den Verdruss an der Europäischen Union zu wenden: "Ich werde daran arbeiten, die Verbindung zwischen Europa und seinen Völkern wieder zu beleben, zwischen Europa und seinen Bürgern."
Vor dem Pariser Louvre-Museum versammelten sich am Abend tausende Macron-Anhänger zu einer Siegesfeier.
Geringe Wahlbeteiligung
Bei der Wahl haben nach einer Analyse des Instituts Ipsos 4,2 Millionen Franzosen allerdings leere Wahlumschläge oder ungültige Wahlzettel abgegeben. Das sind 8,9 Prozent der mehr als 47 Millionen Wahlberechtigten (12 Prozent der tatsächlich abgegebenen Stimmen) und so viele wie noch nie in Frankreich.
Die Wahlbeteiligung in der zweiten Runde war so niedrig wie seit 1969 nicht mehr. Sie lag diesmal bei 74,3 Prozent, damals waren nur 68,9 Prozent zur Wahl gegangen.
Internationale Erleichterung
Das Wahlergebnis wurde international mit Erleichterung aufgenommen. Zahlreiche führende Politiker aus der Europäischen Union wie auch die EU-Spitzen begrüßten Macrons Wahl, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Macron habe in seinem Wahlkampf "klar und deutlich für ein starkes Europa Stellung bezogen", lobte Van der Bellen. Kern erklärte: "Mit seinem Sieg haben sich in Frankreich die Kräfte durchgesetzt, die für Offenheit und ein starkes Europa stehen."
Kurz wertete den Wahlausgang in der ORF-ZiB 2 als "guten Tag für Europa". Wir brauchen in der Europäischen Union Menschen, die Europa zum Besseren verändern und nicht Menschen, die Europa zerschlagen wollen." Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) twitterte: "Mit @EmmanuelMacron hat Frankreich für Offenheit, Optimismus & Europa gestimmt; nun hat Macron hohe Erwartungen zu erfüllen."
Auch US-Präsident Donald Trump gratulierte Macron zu dessen Wahlsieg. Dieser habe "einen großen Sieg" eingefahren, erklärte Trump über den Kurzbotschaftendienst Twitter. "Ich freue mich sehr darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten."
Amtsübergabe spätestens kommenden Sonntag
Der scheidende französische Staatschef Francois Hollande erklärte, die Franzosen hätten mit ihrem Votum für Macron und gegen Le Pen "ihre Bindung zur Europäischen Union und zur Offenheit Frankreichs gegenüber der Welt" zum Ausdruck gebracht. Die Amtsübergabe ist für spätestens kommenden Sonntag geplant.
Ebenfalls erst in etwa einer Woche will Macron seinen Premierminister und die übrige Regierungsmannschaft vorstellen. Ob der Verfechter einer sozialliberalen Reformpolitik auch eine Regierungsmehrheit bekommt, wird sich erst bei der Parlamentswahl im Juni entscheiden.
Spannung vor Parlamentswahl
Das Ergebnis der Wahlen wird mit Spannung erwartet. Ohne eigene Mehrheit in der Nationalversammlung wäre Macron gezwungen, eine Regierung zu ernennen, der auch Politiker eines anderen politischen Lagers angehören. Eine derartige "Kohabitation" gab es zuletzt von 1997 bis 2002 mit dem Konservativen Jacques Chirac als Präsidenten und dem Sozialisten Lionel Jospin als Premierminister.
Macrons politischer Aufstieg ist beispiellos in Frankreich: Die Präsidentschaftswahl gewann er ohne etablierten Parteiapparat. Der frühere Wirtschaftsminister hatte seine Bewegung "En Marche!" (Vorwärts!), die sich als weder links noch rechts ansieht, erst vor rund einem Jahr gegründet.
Erfolg und Niederlage für Le Pen
Für Le Pen ist der Ausgang der Wahl ein Erfolg und eine Niederlage zugleich: Die Rechtspopulistin erzielte mehr als zehn Millionen Stimmen - das mit großem Abstand beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Front National. Le Pen sprach deswegen von einem "historischen und massiven Ergebnis", das aus ihrer Partei die "erste Oppositionskraft" in Frankreich mache.
Noch am Wahlabend sprach die 48-Jährige von einem "tiefgehenden Umbau" ihrer Partei. Partei-Vize Florian Philippot kündigte im Sender TF1 unter anderem eine Umbenennung der Front National an.
Die Abstimmung war in ganz Europa mit großer Spannung und Nervosität verfolgt worden. Le Pen hatte im Wahlkampf ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft versprochen. Das hätte die Union nach dem Austritt der Briten tief ins Mark treffen können.
Der frühere Wirtschaftsminister und Investmentbanker Macron steht für einen klar europafreundlichen Kurs und tritt für eine enge Partnerschaft Frankreichs mit Deutschland ein.
Schon nach der ersten Wahlrunde stand fest, dass der nächste französische Präsident erstmals seit Jahrzehnten weder aus dem Lager der Sozialisten noch aus dem der bürgerlichen Rechten kommt. Hollande selbst hatte sich angesichts hoffnungslos schlechter Umfragewerte erst gar nicht um eine Wiederwahl beworben.
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