Viktor Orban muss eine schwere Schlappe einstecken.
Das ungarische Referendum über die EU-Flüchtlingspolitik ist an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. An der Abstimmung nahmen am Sonntag nur 45 Prozent der Wahlberechtigten teil, wie der Vize-Präsident der Regierungspartei Fidesz, Gergely Gulyas, nach Schließung der Wahllokale sagte. Für einen gültigen Ausgang hätten mehr als 50 Prozent eine gültige Stimme abgeben müssen.
Klares Nein
98 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen laut ungarischen Medienberichten auf das Nein zu den in der EU beschlossenen Quoten zur gleichmäßigeren Verteilung von Asylbewerbern auf die Mitgliedstaaten.
Die Volksabstimmung war von der rechts-konservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban initiiert worden. Mehr als acht Millionen Ungarn waren dazu aufgerufen, die Frage "Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?" mit Ja oder Nein zu beantworten.
Gulyas sagte zum Ausgang: "Mit Recht können wir sagen, dass dies ein überwältigender Sieg ist für alle, die die Einwanderungsquoten ablehnen, die glauben, dass nur die starken Nationalstaaten bestehen bleiben, die an die Demokratie glauben und daran, dass es Sinn hat, sich an die Wahlbürger zu wenden."
Fremdenfeindliche Kampagne
In einer monatelangen Kampagne mit fremdenfeindlichen und alarmistischen Untertönen hatte die Regierungspartei Fidesz für das Nein geworben. Orban betonte mehrfach die Bedeutung einer gültigen Volksabstimmung für seinen "Kampf gegen die Brüsseler Bürokratie". Bei der Stimmabgabe in seinem Budapester Wohnbezirk am Sonntagvormittag ruderte er allerdings zurück.
"Die juristischen Konsequenzen werden in jedem Fall eintreten", unabhängig von der Gültigkeit der Volksabstimmung, sagte er vor Reportern. Man werde gesetzlich festschreiben, dass nur das ungarische Parlament bestimmen könne, "mit wem die Ungarn zusammenleben wollen", fügte er hinzu. "Die einzige Bedingung ist, dass es mehr Nein als Ja geben muss." Das Übergewicht der Nein-Stimmen stand nie in Zweifel.
Mehrere Zivilorganisationen sowie die "Partei Zweischwänziger Hund" - eine Satire-Partei - hatten zur Abgabe einer ungültigen Stimme aufgerufen. Vor allem letztere hatte eine aus Kleinstspenden finanzierte Plakatkampagne gestartet, die deutlich sichtbar war und die Parolen des Regierungslagers mit absurden Slogans ins Lächerliche zog. Die linken Oppositionsparteien hatten zum Boykott des Urnengangs aufgerufen.
SMS-Botschaften
Das erbitterte Ringen um Wählerstimmen dauerte bis zur Schließung der Wahllokale um 19.00 Uhr an. Die Regierungspartei Fidesz setzte massenhaft SMS-Botschaften mit dem Text ab: "Nur noch wenige Stunden. Die Sicherheit Ungarns steht auf dem Spiel. Bitte gehen Sie wählen!" Anhänger des "Zweischwänzigen Hundes" posteten wiederum Smartphone-Fotos von ihren ungültig gemachten Stimmzetteln im Internet.
Kritik am ungarischen Referendum hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz geübt. Ministerpräsident Viktor Orban missachte die Grundprinzipien der Union, sagte der Sozialdemokrat. Rückendeckung bekam der nationalkonservative Regierungschef indes von Außenminister Sebastian Kurz. Mitteleuropäische Staaten hätten in der Flüchtlingsfrage den Fehler gemacht, ihre Linie den anderen Staaten in der EU aufzwingen zu wollen, meinte der ÖVP-Politiker gegenüber der "Welt am Sonntag".
Die grüne Delegationsleiterin und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, erklärte am Sonntag in einer Aussendung: "Die heutige Referendums-Schlappe ist ein Menetekel für Viktor Orbans Anti-EU- und Anti-Flüchtlingspolitik