Russland befindet sich im Ausnahmezustand: Nach dem Konsum von gepanschtem Wodka sind Hunderte Menschen gestorben, die Spitäler sind mit tausenden Vergifteten hoffnungslos überfüllt. Zahlreiche Städte haben den Notstand ausgerufen.
Die Staatsanwaltschaft fordert ein hartes Durchgreifen gegen illegale Alkoholproduzenten. Die Herkunft der giftigen Spirituose ist ungeklärt, polizeiliche Ermittlungen laufen. Viele geben einem neuen Gesetz die Schuld an der Massenvergiftung. Seit Anfang Juli gelten neue Registrierungs- und strengere Hygienevorschriften, die die Verbraucher eigentlich besser schützen sollten. Die Hersteller gaben die zusätzlichen Kosten jedoch an die Konsumenten weiter, die daraufhin verstärkt zu anderen alkoholhaltigen Substanzen griffen.
Gestreckt wird mit allem
"Die Leute begannen, Antiseptika zu trinken", sagte der Chef der Nationalen Alkoholverbands. Die ersten Vergiftungen durch Wundreinigungsmittel seien unmittelbar nach der Einführung des neuen Gesetztes eingetreten. Medienberichten zufolge strecken die Armen Russlands ihre Wodkavorräte in Ermangelung billigen Fusels auch mit Bremsflüssigkeit, Fensterreinigern, Feuerzeugbenzin und Aftershave.
Das liebste Getränk
Wodka ist seit Jahrhunderten das beliebteste Getränk der Russen und spielt im sozialen Leben eine wichtige Rolle. Das feurige Nationalgetränk wird vielfältig eingesetzt: bei Festen, zur Beruhigung der Nerven, beim Abschluss von Verträgen und um Kummer zu ertränken. "Samogon", die selbstgebrannte Variante, bringt vor allem den Arbeitern Trost - und ihre Angehörigen zur Verzweiflung.
Bisher sind alle Versuche, den Alkoholkonsum einzuschränken, fehlgeschlagen. 1986 führte eine Kampagne des damaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow zu einem Boom der illegalen Produktion. Zudem lernten die Russen damals Parfüms und andere alkoholhaltige Haushaltsmittel zu trinken.
Es gibt aber auch positive Nachrichten. Obwohl die Zahl der offiziellen Alkoholopfer mit 17.000 während der ersten neun Monate im Jahr 2006 immer noch sehr hoch ist, sind es immerhin 4.000 weniger als im gleichen Zeitraum des Jahres 2005. "Die Situation hat sich in diesem Jahr leicht verbessert," sagte ein parlamentarischer Sprecher am Mittwoch. "Aber es ist immer noch eine schreckliche Zahl."