Prestige-Kauf für Piech
Audi braucht Ducati eigentlich nicht
18.04.2012
VW ist offenbar fasziniert von starker Marke und Technik der Italiener.
Zu seinem 75. Geburtstag am Dienstag hat sich Autopatriarch Ferdinand Piech (Bild oben) etwas ganz Besonderes gegönnt: Ducati . Aber nicht ein einzelnes Luxusmotorrad, sondern gleich die ganze Firma. Am Mittwoch verkündete die VW-Tochter Audi den Kauf des italienischen Herstellers, nachdem die Übernahme seit Wochen als offenes Geheimnis galt. Experten fragen sich allerdings: Was will der Oberklasse-Autobauer, der sich anschickt, seinen Lieblingskonkurrenten BMW vom Premium-Thron zu stoßen, mit der Motorradmarke? Viele Fachleute zweifeln an der industriellen und wirtschaftlichen Logik der Übernahme. Doch der VW-Aufsichtsratschef und Strippenzieher Piech dürfte damit nicht nur seiner Liebe zu starken Marken frönen, sondern auch auf langfristige Ziele setzen.
Zweifel an Sinnhaftigkeit
Einen zwingenden Grund für Audi, den Hersteller der feuerroten Sport-Maschinen zu haben, gebe es nicht, urteilt Autoexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Braucht man das? Klare Antwort: Nein. Ergibt das sehr viel Sinn? Nein. Könnte es je ein Problem werden für Audi? Nein." Der Analyst vermutet eine emotionale statt einer rationalen Entscheidung. "Das ist eher die Marke, eher ein Spielzeug, ein Hobby der Beteiligten, die sich das leisten können und wollen." Das Geld - rund 860 Millionen Euro - könne Audi sinnvoller für andere Projekte ausgeben, etwa für den Aufbau neuer Werke in China oder Amerika. Statt Marken zu sammeln solle man bei VW eher den immer komplexer werdenden Konzern konsolidieren und sich auf die Großbaustellen Porsche und MAN konzentrieren, meint Analyst Arndt Ellinghorst von Credit Suisse. "Der Erwerb von Ducati ist mehr von Leidenschaft für Marken getrieben als von industrieller und finanzieller Logik."
Ähnlich sieht das Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. "Das ist eine reine Spielwiese für Piech, eine nicht ernstzunehmende Neuerwerbung." Er verweist auf die Kosten nach dem Kauf: Audi müsse das Motorradgeschäft separat aufstellen, sich neue Kunden erschließen und eigene Vertriebsstrukturen schaffen. "(VW-Chef Martin) Winterkorn und Piech opfern wertvolle Zeit für ein Projekt, dem der wirtschaftliche Sinn schlicht und einfach fehlt." Beim Rivalen BMW habe das Motorradgeschäft eine lange Tradition, sei stabil und weitgehend integriert.
Motorrad-Verkäufe ziehen wieder an
Doch auch die Münchner haben damit zu kämpfen, dass der Absatz vielerorts schleppend läuft. Im Heimatmarkt Deutschland zum Beispiel - wo BMW mit weitem Abstand das Feld anführt, gefolgt von Honda, und Ducati unter "ferner liefen" rangiert - wuchs der Markt laut Branchenverband IVM 2011 zum ersten Mal in diesem Jahrtausend wieder. Motorradfahren sei vor allem eine Leidenschaft der 50- bis 60-Jährigen, sagt Analyst Pieper. Bei den Unter-30-jährigen sei das Interesse stark zurückgegangen. Um mehr junge Kunden anzulocken, kaufte sich BMW 2007 extra den schwedisch-italienischen Hersteller Husqvarna, doch die Verkäufe lahmen. "Der Motorradmarkt entwickelt sich zu einem Alte-Männer-Markt." Der geplante Audi-Zukauf sei "eine Entscheidung von Midlife-Crisis-Managern, für die Ducati eine tolle Marke ist". Es gehe nicht darum, einen Motorradbauer zu besitzen, mit dem man vielleicht Erzrivale BMW auf einem anderen Feld angreifen könnte, sondern diese Marke. Die sonst nüchternen VW-Manager hätten "ihre romantische Seite in Italien", sagt Pieper mit Blick auf Lamborghini oder Italdesign. Bei "kurvigen, schlanken und verführerischen Formen" (Ducati-Werbung) werden gestandene Autobosse offenbar gerne schwach. Röhrende Motoren dürften ein Übriges tun.
Die Ingolstädter hatten bereits 2005 versucht, den Motorradbauer vom damaligen Eigentümer Texas Pacific Group zu übernehmen. Zum Zuge kam aber der italienische Finanzinvestor Investindustrial, der Ducati dann im Februar dieses Jahres wieder feilbot. Interesse wurde dem indischen Autobauer Mahindra, sowie Daimler und BMW nachgesagt; die beiden deutschen Konzerne winkten aber ab, Audi biss dagegen an. Schließlich hatte Ducati-Fahrer Piech beklagt, es sei ein Fehler gewesen, den Hersteller nicht zu kaufen.
Renditen stehen im Mittelpunkt
Zwar wirft der Verkauf von Motorrädern deutlich niedrigere Gewinne ab als das Pkw-Geschäft, doch im VW-Konzern hat man vor allem die Renditen im Auge. Und die ist bei Ducati mit rund 18 Prozent nicht nur höher als bei der BMW-Motorradsparte, sondern auch als bei Audi. Die rund 42.000 Maschinen, die Ducati im Jahr absetzt, zählen zu den teuersten Motorrädern, die es gibt.
Zudem dürften die Italiener für Piech und sein Imperium technisch interessant sein. Ducati schaffe es, aus einem Liter Hubraum 200 PS herauszubekommen, heißt es im VW-Konzern anerkennend. Der Motorradbauer betreibt seit Jahren Leichtbau - auch bei Audis italienischer Tochter Lamborghini ein großes Thema. Vom Zweirad-Markt könnten neue, alternative Antriebskonzepte ausgehen, sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Fortschritte in der Elektromobilität ließen sich im Motorradgeschäft möglicherweise schneller erreichen als bei Pkw.
Image könnte auch Audi helfen
Doch bis sich die Kunden wegen leiser Elektroantriebe statt lauter Motoren für Ducati begeistern, setzt man bei VW darauf, dass das Geschäft mit teuren Motorrädern in den nächsten Jahren vor allem in Asien wächst. Möglicherweise könne mit dem Zukauf auch die Marke Audi weiter geschärft werden, meint Analyst Pieper. Gerade in den USA, wo die Ingolstädter BMW hinterherzuckeln, genieße Ducati ein gutes Image.
Fotos vom Audi RS Q3 concept
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