Hersteller arbeiten mit Hochdruck an neuen Verkehrsangeboten.
Der beste Weg von Innsbruck nach Wien? Die App schlägt einen Fußmarsch zur nächsten S-Bahn-Haltestelle vor, dann vom Hauptbahnhof mit dem Zug nach Wien und dort ins Carsharing-Auto zu springen, statt sich in die Taxischlange einzureihen. Mit etwas mehr Zeit gibt es noch einen Fernbus als günstige Variante, auch ein Mitfahrangebot ist vorhanden. Ein eigenes Auto? Nicht nötig.Was klingt wie eine der praktischen Ideen aus den App-Laboren in Berlin oder dem Silicon Valley, ist der Vorschlag eines großen deutschen Autobauers.
Hersteller wie Mercedes , BMW aber auch Volkswagen arbeiten derzeit mit Hochdruck an neuen Verkehrsangeboten. Mobilitätskonzepte der Zukunft nennen sie es - oder intermodale Mobilität. Dabei stehen die Hersteller unter einem ähnlichen Druck wie die Handyanbieter vor einigen Jahren: Nur wer mit seinem Angebot besonders viele Kunden an sich bindet, kann gewinnen.
"Die Zulassungszahlen zeigen, es wird schwieriger für die Autohersteller, Autos zu verkaufen", sagt Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young. "Autohersteller sind besorgt darüber, dass es eine Entwicklung gibt, die ihr Geschäftsmodell erschüttert", sagt Lorenzo Veronesi vom IT-Beratungs- und Marktforschungsunternehmen IDC. "Sie bemühen sich um eine neue Generation von Käufern, die Autos nicht mehr als Statussymbol kauft",
Neue Wettbewerber
Nicht nur die Platzhirsche wie Google und kämpfen mit ihren etablierten Anwendungen wie Google Maps, Android Auto oder CarPlay
um diese potenziellen Nutzer, auch neue Wettbewerber wie die Mitfahrvermittlung Uber, gegen die jüngst die Taxifahrer auf die Barrikaden gingen, drängen in das Geschäft um Verkehrsplanung. Gleichzeitig feilen etablierte IT-Firmen wie SAP an Software, die Mitfahrangebote und öffentlichen Nachverkehr verbindet.
Während es für die IT-Firmen darum geht, ein neues Geschäftsfeld zu besetzen, bewegen sich die Autohersteller in Neuland. "Es geht um Neukundengewinnung und darum, neue Technologien auszuprobieren", sagt Wolfgang Bernhart von der Strategieberatung Roland Berger. Vor allem E-Fahrzeuge würden in die Carsharing-Angebote eingebunden, um die Akzeptanz zu erhöhen - quasi als bezahlte Probefahrt mit eingebautem Lösungsansatz. Kann ein E-Auto-Fahrer für eine längere Strecke auf einen Mietwagen oder die Bahn zurückgreifen, stellt er sich nicht mehr die Frage nach der mangelnden Reichweite.
Prognosen sind schwierig
Wieviel Geld die Projekte bringen, ist noch nicht klar: "Langfristig ist der Markt immer noch sehr schwach", prognostiziert IDC-Analyst Veronesi. Daimler plant einer Sprecherin zufolge mit seinem Carsharing-Angebot und der Plattform Moovel bis Ende 2014 mit 100 Millionen Euro Umsatz, die Profitabilität steht erst einmal hinten an. Bernhard Blättel, Leiter der Abteilung Mobilitätsdienstleistungen bei BMW, sagt "Wir wollen Mobilitätsdienstleistungen als profitables Geschäftsfeld aufbauen. Das ist kein reines Marketingtool."
BMW hat extra den Wagniskapitalgeber iVentures ins Leben gerufen. Das in New York ansässige Unternehmung York solle strategische Beteiligungen und mögliche Kooperationspartner im App-Geschäft ausfindig machen, erklärt Blättel. Auch Daimler setzt zunehmend auf Kooperationen. Neben dem Einstieg bei myTaxi arbeitet der Hersteller mit einem Limousinen-Service und einem Fernbus-Anbieter zusammen, aber auch mit der Bahn und öffentlichen Nahverkehrsanbietern. Volkswagen hat gerade ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Nahverkehrsanbieter gestartet.
Experte plädiert für Zusammenarbeit
Nach Einschätzung von Peter Fuß sind Kooperationen der richtige Weg: Denn mit dem App-Geschäft verließen die Autohersteller ihre Kernkompetenz. Freiwillig ist das Engagement nicht: "Die Hersteller müssen die Hoheit über den Kunden behalten", sagt Fuß. "Gleichzeitig droht ihnen ein Werteverfall des Autos."
Wie wichtig die Hoheit über den Kunden ist, zeigt der Vormarsch der Apps im Mobilfunkgeschäft: Frühere Platzhirsche wie Nokia oder Motorola konnten ihre Position nicht halten. Dominiert wird das Geschäft heute von Google und Apple, die möglichst viele Nutzer an ihre Betriebssysteme banden und so dass sich die App-Hersteller auf sie konzentrierten. Für Veronesi die beste Vorlage: "Die Autohersteller müssen ein Ökosystem aufbauen, wie wir es heute im Mobilfunk-Geschäft sehen."