Markt am Scheideweg
China wird für BMW & Co. zum Fluch
17.07.2015
Vor allem die deutschen Hersteller müssen harte Einbußen hinnehmen.
So schnell kann sich das Blatt wenden: Der chinesische Automarkt, der bis vor kurzem noch groß gefeiert wurde, verliert vor allem für deutsche Hersteller zusehends an Glanz. Die Gewinne auf dem weltgrößten Absatzmarkt drohen weniger zu sprudeln als in den zurückliegenden Boomjahren, weil das Wachstum in China nachlässt und die Autobauer sich das Leben durch eine Rabattschlacht selbst schwer machen.
Markt am Scheideweg
Einige Hersteller haben bereits reagiert und entschädigen ihre Händler mit Millionenzahlungen für allzu optimistische Verkaufsvorgaben. Ende der Woche stellte die
VW
-Tochter Audi ihr Absatzziel für dieses Jahr auf den Prüfstand. Für den Volkswagen-Konzern steht dort besonders viel auf dem Spiel, denn die Wolfsburger fahren in der Volksrepublik einen Großteil des Gewinns ein.
"China steht am Scheideweg", sagt Stefan Bratzel. Der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach rechnet damit, dass der Preiskampf in den nächsten Monaten noch zunehmen wird. Viele Hersteller haben in China neue Fabriken hochgezogen, die sie nun bei nachlassendem Absatzwachstum auslasten wollen. "Die westlichen Hersteller müssen sich auf sinkende Gewinnmargen einstellen", prognostiziert Bratzel.
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Premium-Trio unter Druck
Vor allem die drei Oberklasse-Anbieter
Audi
,
BMW
und
Mercedes
müssen sich nach Meinung von Experten auf schwierigere Zeiten einstellen. Bisher konnten sie sich darauf verlassen, dass die wachsende Mittelschicht sowie chinesische Spitzenbeamte sich prestigeträchtige und teure Wagen in die Garage stellen. Die Korruptionsermittlungen der Regierung in Peking haben dem aber bereits einen Dämpfer versetzt. Mit einem Luxuswagen will seither keiner Argwohn mehr auf sich ziehen.
Seit dem Kursrutsch an Chinas Aktienmärkten fehlt nun auch den Verbrauchern das Geld für größere Anschaffungen. "Bei den deutschen Premium-Herstellern in China stellt sich nun die Wettbewerbsrealität ein. Automatisches Wachstum gibt es nicht mehr", sagt Henner Lehne, Analyst von IHS Automotive. China bleibe zwar weltgrößter Pkw-Markt, allerdings würden die Geschäftsbedingungen rauer.
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Omnipräsent?
Angelockt von hohen Profiten haben die Oberklasse-Hersteller ihre Präsenz im Reich der Mitte in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Audi, BMW und Mercedes zusammen kommen inzwischen auf 70 bis 80 Prozent Marktanteil bei größeren Autos und fahren nach Berechnungen von Analysten dort zwischen 30 und 50 Prozent ihres Gewinns ein. Die Experten der Investmentbank Morgan Stanley schätzen, dass der Anteil der beiden chinesischen Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen am Nettogewinn des Wolfsburger Konzerns einschließlich Lizenzgebühren und Einnahmen aus dem Import von Autos bei mehr als der Hälfte liegt.
Damit sind die deutschen Firmen besonders anfällig, wenn sich der Wind dreht. Der chinesische BMW-Partner Brilliance warnte bereits, der Gewinn des ersten Halbjahres werde um bis zu 40 Prozent schrumpfen, weil die Geschäfte des Joint Ventures mit dem Münchner Dax-Konzern schlechter laufen. Als Grund für den Ergebnisrückgang nannte Brilliance höhere Vertriebskosten angesichts der Konjunkturschwäche. Experten vermuten, dass sich vor allem Rabatte dahinter verbergen. BMW-Händler berichteten von Preisnachlässen von 15 Prozent.
Wachstum verliert ordentlich an Tempo
Seit 2010 hat sich der Absatz von BMW in China auf 442.000 Fahrzeuge verdreifacht. Bei Audi stiegen die Verkaufszahlen in diesem Zeitraum um 150 Prozent auf 590.000 Autos. Bei Mercedes-Benz kletterte der Absatz bis 2014 nach Daten von IHS immerhin um über 90 Prozent auf 227.000 Wagen. Das Wachstum werde sich zwar fortsetzen, erklären Experten, allerdings mit deutlich geringerem Tempo. Der chinesische Branchenverband senkte seine Absatzprognose für den Markt vor kurzem von sieben auf nur noch drei Prozent.
Das spürt auch Audi seit Monaten. Im Mai schrumpfte der Verkauf gar um knapp sechs Prozent. Bei der Ingolstädter VW-Tochter rächt sich nach Meinung von Analysten nun, dass man sich stark auf den Verkauf an Beamte verlassen hat. "Audis Abhängigkeit von Behördenzulassungen war vormals ein Glücksbringer, inzwischen stellt sie sich immer mehr als eine Art Fallstrick heraus", sagt IHS-Analyst Lehne.
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