Ghosns tiefer Fall
Darum sitzt der Renault-Chef in Haft
20.11.2018Er soll unter anderem Firmengelder für private Zwecke eingesetzt haben.
Renault -Chef Carlos Ghosn droht wegen des Verdachts der Veruntreuung von Firmengeldern ein jähes Karriereaus: Der bisher hoch angesehene Manager, Architekt des französisch-japanischen Firmenbündnisses von Renault, Nissan und Mitsubishi, wurde am Montag in Japan verhaftet, wie Nissan -Chef Hiroto Saikawa mitteilte.
Am Donnerstag solle der 64-Jährige seines Postens als Nissan-Verwaltungsratschef enthoben werden. Auch die Spitzengremien von Renault und Mitsubishi würden umgehend über den Vorgang beraten. Bei monatelangen Untersuchungen sei herausgekommen, dass Ghosn Firmengelder für private Zwecke verwendet und über Jahre zu niedrige Angaben zu seinem Einkommen gemacht habe. Ghosn habe das Vertrauen vieler in hohem Maße missbraucht, erklärte Saikawa. Er sei nicht nur enttäuscht, sondern auch empört und niedergeschlagen.
Beben an der Börse
An der Börse sorgte die Nachricht für einen Schock: Die Aktien von Renault und Nissan rauschten in den Keller, weil Anleger befürchteten, das Bündnis der Autokonzerne könne zerbrechen. Das Trio ist zusammen fast auf Augenhöhe mit den beiden weltweit größten Autobauern Volkswagen und Toyota. Die Kursreaktion zeige, wie entscheidend Ghosn aus Sicht der Anleger für den Erfolg der Allianz sei, erklärte Raghav Gupta-Chaudhary, Analyst von Citi. Die Aktien von Renault fielen um bis zu 15 Prozent auf ein Vier-Jahres-Tief von 54,80 Euro. Damit steuerten sie auf den größten Tagesverlust der Firmengeschichte zu. Die auf der Plattform Tradegate gehandelten Titel von Nissan brachen zeitweise um 16 Prozent ein. Durch den Kursrutsch verlor Renault knapp drei Mrd. Euro an Börsenwert, bei Nissan waren es umgerechnet fast fünf Mrd. Euro.
Nissan und die französische Regierung, Hauptaktionär von Renault, versicherten umgehend, für den Fortbestand des Firmenbündnisses sorgen zu wollen. Präsident Emmanuel Macron erklärte in Brüssel, die Regierung werde hier sehr wachsam sein. "Es ist zu früh, etwas über den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen zu sagen", erklärte er. Ihm seien keine Details bekannt.
Monatelange Untersuchung
Nissan erklärte, auf den Tipp eines Hinweisgebers hin monatelang das Fehlverhalten von Ghosn und dem Manager Greg Kelly untersucht zu haben. Beide waren zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen. Ghosn bezog für das vergangene Jahr eine Vergütung von 7,4 Mio. Euro als Renault-Vorstandschef. Für den 2017 niedergelegten Posten des CEO von Nissan erhielt er 9,2 Mio. Euro. Die Aktionäre stimmten nur mit knapper Mehrheit zu, vor zwei Jahren hatten sie kein grünes Licht gegeben.
Der in Brasilien geborene Franzose mit libanesischen Wurzeln hat den Bund aus den beiden japanischen Autobauern Nissan und Mitsubishi mit Renault zu einem ernstzunehmenden Rivalen aufgebaut für Volkswagen und Toyota. Nissan hatte er nach Jahren hoher Verluste und Schulden wieder auf Erfolgskurs gebracht. Ghosn war im vergangenen Jahr als Vorstandschef von Nissan zurückgetreten, um sich stärker um Renault und Mitsubishi zu kümmern. Den Verwaltungsrat von Nissan führte er aber weiter. Bei Renault, wo Ghosn seit 2005 an der Spitze steht, wird er auch "Le Cost Killer" genannt, denn in den 90er Jahren riss der ehemalige Michelin-Manager das Ruder mit herum. In Japan galt er als Superstar. Saikawa erklärte, Ghosn habe zu viel Macht gehabt. "Rückblickend ist die Konzentration von Macht etwas, das wir gründlich überdenken müssen", sagte der Nissan-Chef.
Gegenseitige Beteiligung
Renault hält 43 Prozent an Nissan, der japanische Partner wiederum ist mit 15 Prozent an den Franzosen beteiligt. Nissan ist seinerseits mit 34 Prozent an Mitsubishi Motors beteiligt. Der französische Autobauer ist außerdem über eine Überkreuzbeteiligung von jeweils 3,1 Prozent mit Daimler verbandelt. Die beiden Unternehmen haben mehr als ein Dutzend Projekte zu gemeinsamer Entwicklung und Fertigung auf den Weg gebracht. Daimler wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. Ghosn und Daimler-Chef Dieter Zetsche, der im kommenden Jahr abtreten will, sind enge Geschäftspartner. Auf den Automessen in Paris und Frankfurt war die gemeinsame Pressekonferenz der Duzfreunde, genannt die "Carlos-und-Dieter-Show", ein beliebter Programmpunkt.