Fabrik des US-Autobauers setzt bei Produktivität Maßstäbe - Wirbel um großen Jobabbau bei Volkswagen.
Bei Volkswagen gibt es trotz des steigenden Konkurrenzdrucks durch Tesla keine Pläne zur angeblichen Streichung Zehntausender Jobs. Die Konzernspitze trat entsprechenden Spekulationen entgegen. "Ein Abbau von 30.000 Stellen ist kein Thema", hieß es aus dem Umfeld von Vorstandschef Herbert Diess . Zuvor waren Berichte kursiert, wonach erhebliche Kürzungen etwa am Stammsitz Wolfsburg bevorstehen könnten. Davon könne keine Rede sein, hieß es nun. Der Wirbel bleibt jedoch.
Konzernumbau löst Konflikte aus
Diess soll nach Informationen aus Unternehmenskreisen bei einer Aufsichtsratssitzung im September zwar über die Zahl 30.000 gesprochen haben. Dabei sei es aber nicht um ein etwaiges, unmittelbares Szenario drohender Arbeitsplatzverluste gegangen, betonte VW.
Im Nachgang des Treffens der Kontrolleure gewann die Diskussion über die Auslastung der Standorte von Europas größtem Autohersteller wieder an Schärfe. In wenigen Wochen stehen konkrete Beschlüsse zu den Investitionen für die kommenden Jahre an. Die traditionell Mitte November beendete "Planungsrunde" dürfte erneut im Zeichen des Umbaus in Richtung E-Mobilität und Vernetzung stehen - mit den zugehörigen Konflikten und Interessengegensätzen zwischen etlichen Standorten.
Tesla deutlich produktiver
"Die Debatte ist jetzt angestoßen, und es gibt bereits viele gute Ideen", ließ Diess zum Beispiel zum E-Projekt "Trinity" in Wolfsburg ab 2025/2026 erklären. Wohl aber sei es nötig, die Kostenlage und Auslastung intensiv zu diskutieren: "Es steht außer Frage, dass wir uns angesichts der neuen Marktteilnehmer mit der Wettbewerbsfähigkeit unseres Werks in Wolfsburg befassen müssen." Es geht dabei vor allem um den US-Rivalen Tesla und dessen neue deutsche Fabrik bei Berlin .
Die Firma von Elon Musk werde in Grünheide "neue Maßstäbe in der Produktivität setzen". Tesla produziert etwa mit vergleichsweise wenigen Batterievarianten und einer speziellen Technik im Karosseriebau, was die Fertigung großer Stückzahlen profitabler macht. Volkswagen habe jedoch ungeachtet dessen die Chance, mit Konzepten wie " Trinity " selbst "den Standort Wolfsburg zu revolutionieren und Arbeitsplätze nachhaltig abzusichern".
Betriebsrat beruhigt
VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo wandte sich im Intranet an die Belegschaft: "Die Schlagzeilen vom heutigen Vormittag haben bei vielen von euch zu Recht Fragen und zum Teil leider auch Sorgen ausgelöst." Ein Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen wäre "absurd", schrieb sie. Sie erwarte, "dass der Konzernvorstand sofort unmissverständlich klarstellt: Es gibt keine Gedankenspiele über irgendeinen Arbeitsplatzabbau." Die bei Volkswagen sehr einflussreiche IG Metall betonte: "Klar ist, dass ein Stellenabbau von 30.000 Arbeitsplätzen nicht diskutabel ist."
Zuvor hatte bereits eine andere Quelle berichtet, Diess habe ein mögliches Langfrist-Szenario vorgetragen, was passieren könnte, falls die Lieferkrise bei Mikrochips anhalten sollte oder die Terminierung von VW-Zukunftsprojekten überdacht werden müsse. In dem Zusammenhang habe er dann auch die Lage am Hauptsitz offensiv thematisiert - zur Überraschung der Kontrolleure. Das "Handelsblatt" beschrieb auch einen neuen "Eklat" mit den Aufsehern. Von einem Streit dieser Größenordnung war laut anderen Stimmen zunächst nicht die Rede.
Aus dem Umfeld der Arbeitnehmervertreter verlautete, der Topmanager habe bei seinen Gedanken offensichtlich auch eine Parallele zu den hohen Überkapazitäten in den 1990er-Jahren gezogen. Damals hatte der Umstieg auf eine Vier-Tage-Woche ermöglicht, dass gut 30.000 VW-Jobs gerettet werden konnten. Aktuell gebe es eine ganz andere Situation.
Druck auf VW steigt
Gleichwohl ist Volkswagen unter Druck. Vor allem in Wolfsburg hat das Unternehmen gerade erheblichen Leerlauf. Mehrfach musste Kurzarbeit für Zehntausende Beschäftigte verlängert werden, weil hier - wie bei anderen Anbietern - wichtige Halbleiter fehlen. Unabhängig von diesen akuten Engpässen gibt es in Teilen der Belegschaft Sorgen um eine ausreichende Werkbelegung in der bevorstehenden Zeit.
Der Betriebsrat forderte etwa bereits, neben "Trinity" mindestens ein weiteres Elektromodell in der Konzernzentrale anzusiedeln. Außerdem wird es darauf ankommen, ob andere Großvorhaben wie der geplante "Tesla-Fighter" in Hannover, die Erweiterung der Mobilitätsdienste und der Ausbau der konzerneigenen Software-Sparte Cariad zünden.
Möglicherweise werden bis Mitte November zudem Eckdaten genannt, wo genau weitere angekündigte Batteriezellwerke entstehen. Dabei rechnen sich auch Niedersachsen und Sachsen Chancen aus, der Betriebsrat hatte zumindest eine zusätzliche Zellfabrik in Deutschland gefordert.
Gemeinsames Ziel
Grundsätzlich haben Belegschaftsvertretung und Firmenleitung in vielen Punkten dasselbe Ziel. Möglichst bald sollen weitere E-Modelle mit zunehmend selbst entwickelter Vernetzungstechnik folgen. Einen offenen Machtkampf wie Mitte 2020, als Diess Aufsichtsratsmitglieder wegen Indiskretionen eines kriminellen Verhaltens bezichtigt hatte, gibt es nach dpa-Informationen nicht. Der VW-Chef soll damals nur dank einer internen Entschuldigung seinen Rauswurf verhindert haben.
Diess ist bekannt dafür, dass er seine Überlegungen in Sitzungen oft spontan und - für den Geschmack der Gewerkschaftsseite - recht provokant einbringt. Mit dem langjährigen Betriebsratschef Bernd Osterloh, der inzwischen Personalvorstand der VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton ist, lieferte er sich mehrfach einen heftigen Schlagabtausch.
Osterlohs Nachfolgerin Cavallo hatte erklärt, einen ruhigen Ton zu bevorzugen. In der Sache wolle sie allerdings ebenso hart für die Belegschaftsinteressen kämpfen. Cavallo sitzt - wie die Vertreter der Familien Porsche/Piëch und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) - im mächtigen Präsidium des Volkswagen-Aufsichtsrats.
VW-Boss sitzt fest im Sattel
Diess erhielt gerade im Sommer einen Anschlussvertrag bis zum Herbst 2025. Er legte inzwischen auch eine neue Konzernstrategie vor. Bei der genauen Umsetzung der Elektrifizierung und Digitalisierung sei der Ball nun in seinem Feld, hieß es aus Eigentümerkreisen.