Verhalten automatisierter Fahrzeuge wird an menschliche Reaktionsmuster angenähert.
Geht es laut den Autokonzernen und diversen Tech-Firmen sollen fahrerlose Fahrzeuge bereits in einigen Jahren der Normalfall im Verkehr sein. Das erfordert viel Vertrauen von den Insassen - und den weiteren Verkehrsteilnehmern. Mithilfe eines speziell konzipierten Fahrersimulators im "DriveLab" des Grazer Virtual Vehicle Research Center soll sich das Verhalten automatisierter Fahrzeuge an menschliche Reaktionsmuster annähern, hieß es am Dienstag bei der Präsentation.
Aufzüge fahren seit Jahrzehnten selbstständig und treiben kaum jemandem den Angstschweiß auf die Stirn. Der Gedanke, dass sich Autos schon in absehbarer Zeit in einen Kreisverkehr oder gar der eigene Pkw in den Verkehr von Autobahnen einfädeln könnte, erscheint vielen jedoch noch als unangenehm. "Wenn man in Zukunft im Auto etwas ganz anderes machen können soll - lesen, online einkaufen oder konsumieren - dann muss sich das autonome Fahrzeug in allen auftretenden Situationen so verhalten, wie es der Insasse erwartet: menschenähnlich. Und das in einem sehr komplexen Szenario", stellte Jost Bernasch, Geschäftsführer des Grazer Virtual Vehicle, eine der Herausforderungen zur Einführung des automatisierten Fahrens dar.
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Robo-Autos sollen sich menschlich verhalten
Im "DriveLab" am Grazer Kompetenzzentrum soll ein neuartig konzipierter Simulator die Anpassung der Autos an diese Vorgabe vorantreiben. "Wir wollen die Lücke zwischen automatisiertem und menschlichem Verhalten schließen", umriss Paolo Pretto, Forschungsleiter des Bereiches Human Factors & Driving Simulation, das Ziel. Gelingen soll das mit dem sogenannten "Human Centered Driving Simulator", der bereits in der Inffeldgasse 21b installiert wurde. "In unserem 'Drive Lab' entsteht sozusagen der Fahrlehrer für automatisierte Fahrzeuge", wie es Bernasch formulierte.
Die Forscher bzw. Probanden setzen sich dazu in ein Auto-Cockpit und bekommen in Rundumprojektionen Straßensituationen eingespielt. In der ersten Projektphase wird das Verhalten von manuell gefahrenen Fahrzeugen in den simulierten Umgebungen, die mit Gefahrensituationen angereichert wurden, gemessen. Mithilfe unterschiedlicher Sensorik wie Wearables, Eye-Tracker oder spezielle Kameras, die die Pulsfrequenz messen, bis hin zu Mikrofonen, wird der psychophysische Zustand des Lenkers erhoben. Das alles soll in Szenarien mit unterschiedlichen Fahrermodellen, -dynamiken und unterschiedlichen Sensoren funktionieren.
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Abgleich mit realen Verkehrsdaten
Die Daten werden zusammengeführt und bewertet. Dann will man das Bewertungssystem anhand realer Verkehrsdaten optimieren. Letztlich soll ein digitales Zwillingsmodell von realen Fahrern entstehen, das dem autonomen Fahrzeug ein menschlich nachvollziehbares Verhalten im Straßenverkehr "lehrt". "Damit ermöglichen wir die Entwicklung von menschenähnlichen automatisierten Fahrzeugen, deren Verhalten für Menschen verständlich, vorhersehbar und daher akzeptabel ist", erklärte Pretto.
"Die Zukunft der Mobilität wird wesentlich in der Steiermark mitentwickelt", zeigte sich Wirtschafts- und Forschungslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) erfreut. Mit dem "DriveLab" werde "ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Kompetenzzentrums" aufgeschlagen. Im Jahr 2017 habe die Steiermark auch den Zuschlag als Testregion für autonomes Fahren bekommen, erinnerte die Landesrätin.
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Zentrum bei 38 EU-Projekten an Bord
Das Virtual Vehicle Research Center konzentriert sich auf die Virtualisierung der Fahrzeugentwicklung. Es ist aktuell in 38 EU-Projekte maßgeblich involviert, fünf weitere starten in den kommenden Monaten, erklärte Geschäftsführer Bernasch. Mit Ende 2018 waren 250 Mitarbeiter und somit acht Prozent mehr als 2017 beschäftigt.