Bundeskanzler vermisst in Österreich private Investoren für "innovative Assets".
Es war das größte Geschäft in der Geschichte von Israels Hightech-Branche: Für umgerechnet rund 14,4 Mrd. Euro übernahm der US-Chip-Gigant Intel im März den Autozulieferer Mobileye . Eine Riesenerfolg für die boomende Start-up-Szene im Land mit Jerusalem als Speerspitze. Kein Wunder also, dass Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ; im Bild links) am Montag bei seinem Israel-Besuch Mobileye unter die Lupe nahm.
Und nicht nur das: Er durfte auch mit einem selbstfahrenden Auto ein paar Runden drehen. Denn das 1999 von Amnon Shaashua gegründete Start-up-Unternehmen mit Sitz in Jerusalem verfolgt vor allem eine Vision: Bereits 2021 sollen rund 1.000 selbstfahrende Wagen unterwegs sein, erklärte Co-Firmengründer und CEO, Ziv Aviram, im Gespräch mit dem SPÖ-Politiker.
Auch für Carsharing-Anbieter interessant
In Deutschland soll es bereits Interessenten dafür geben. Vor allem in den Bereichen Car-Sharing. Diese neue Form der Mobilität würde eine wahre Revolution darstellen. Nicht nur rein technologisch gesehen, sondern auch wirtschaftlich und sozial. Er rechne damit, dass anfangs vor allem Car-Sharing-Unternehmen oder solche wie der Taxi-Konkurrent Uber an dem Produkt interessiert sein dürften, erklärte Aviram.
Eine Folge könnte längerfristig aber auch sein, dass Car-Sharing interessanter wird und die Anzahl der privaten Kraftfahrzeuge damit deutlich sinken werde. Das, so dachte der CEO dann gleich in die weitere Zukunft, könnte letztlich auch einen demografischen Wandel ergeben. "Wenn die Leute dann wieder von den Städten wegziehen."
Bundeskanzler Kern dachte in eine ähnliche Richtung. Dass die selbstfahrenden Autos im Kommen sind, stehe außer Frage, und während der Probefahrt habe er sich mit Avriam entspannt unterhalten können. Aber: "Mich interessieren weniger die technologischen Details." Wichtig seien neben Fragen der Verkehrssicherheit vor allem die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze. Immerhin sind in Österreich rund 300.000 Jobs mit der Automobilindustrie verbunden. Da sei es wichtig, "dass wir von Anfang an bei dieser Entwicklung dabei sind".
Das Unternehmen entwickelt nicht nur Technologien für autonomes Fahren samt Kamerasystem, Algorithmen und speziellem Chip, sondern nutzen diese schon jetzt für die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Aviram nannte die Stichworte: "Kollisionswarnung, Abstandsüberwachung, Fußgänger- und Fahrradfahrererkennung." Die kleinen Kameras erfassen die Gefahren auf der Straße, der Chip steuert die Elektronik und stoppt damit das Auto, um Unfälle zu verhindern. Über zwölf Millionen Autos - darunter Marken wie VW, BMW und Volvo - sind weltweit bereits mit Technologien von Mobileye ausgestattet.
Gab bereits Zusammenarbeit
Dabei ist Mobileye für die österreichische Politik und Wirtschaft ohnehin kein Neuland mehr. Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) stellte Anfang Februar ein Pilotprojekt zur Ausstattung von Bussen und Lkw mit Rundum-Kameras vor, die von der israelischen Firma geliefert werden. In Wien wurde ein erster Linienbus mit dem Assistenzsystem ausgerüstet, das vor Gefahren im toten Winkel warnt oder den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug überwacht. Die Kameras werden in Österreich ein Jahr lang an 15 Autobussen und Lastwagen getestet.
Insgesamt werden für das Pilotprojekt acht Busse der Firma Blaguss in Wien und des Welser Unternehmens SAB-Tours mit dem Assistenzsystem ausgestattet. Sieben Lkw von Rewe, Saubermacher und der Fahrschule Haltau erhalten ebenfalls Rundum-Kameras. Das Verkehrsministerium beteiligt sich mit 120.000 Euro an den Kosten. Begleitet wird die einjährige Testphase vom Institut für Fahrzeugsicherheit der TU Graz. Im Herbst 2018 sollen die Ergebnisse vorgelegt werden.
Lkw und Busse seien aufgrund ihres großen Gewichts und vieler toter Winkel "extrem gefährlich", betonte Leichtfried bei der Präsentation. Diese toten Winkel "sorgen im wahrsten Sinn des Wortes für Tote", betonte der Minister bei dem Medientermin. Rundum-Kameras seien ein Schritt, um "meiner großen Vision näherzukommen, in Österreich keine Verkehrstoten mehr zu haben".
Weniger Verkehrstote als großes Ziel
Ein ehrgeiziges Ziel, das auch Ziva Aviram ein Anliegen ist. Wenn auch in einem globalem Maßstab. Weltweit gebe es jährlich noch immer 1,5 Millionen Verkehrstote. Die selbstfahrenden, kamera- und sensorgesteuerten Autos könnten diese Zahl deutlich reduzieren. Doch ist ihm die allgemeine Skepsis bekannt. Es sei seltsam, so der Unternehmer: "Dass Menschen Verkehrstote verursachen, wird allgemein akzeptiert." Aber selbst wenn selbstfahrenden Autos deren Anzahl etwa um 90 Prozent reduzieren könnten, wäre ihr Einsatz immer noch inakzeptabel. "Dass ein selbstfahrendes Auto einen Menschen tötet, das geht einfach nicht."
Warum Start-ups in Israel so erfolgreich sind, hat für Aviram vor allem diesen Hintergrund: "Wenn bei uns jemand mit einer Idee scheitert, verliert er nicht gleich sein Gesicht. Es darf durchaus etwas ausprobiert werden." An Innovationsgeist mangle es auch in Österreich nicht, ist Kern überzeugt: "Wir sind sehr gut bei der Frühphasenfinanzierung. Da gibt es auch eine enorme 'Jobcreation'. Das Problem fängt an, wenn es darum geht, dann weitere fünf oder zehn Millionen aufzustellen. Der Staat könne "da zwar ankurbeln", es bedürfe aber privater Investoren für weitere "innovative Assets".
Mit dem JVP Media Quarter stand für Kern am Nachmittag quasi ein Besuch im Nervenzentrum der Jerusalemer Start-ups am Programm. Es beherbergt mehr als 200 Jungunternehmen sowie kulturelle und soziale Organisationen. Laut israelischen Medien tummeln sich dort interessante Gestalten: "Ingenieure, Abenteurer, Künstler, Geschichtenerzähler, Investoren, Weltverbesserer..."