Rinspeed hat sich für die CES 2019 erneut eine Innovation einfallen lassen.
Alle Jahre wieder zeigt die Schweizer Ideenschmiede Rinspeed auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas seine neuesten Errungenschaften. Im Vorjahr wurde mit dem „Snap“ erstmals ein Fahrzeug vorgestellt, bei dem Fahrwerk („Skateboards“) und Aufbauten („Pods“) jederzeit austauschbar sind. Genau ein Jahr später - auf der CES 2019 (8. bis 11. Jänner) - ist nun die Weiterentwicklung des spannenden Konzepts zu sehen.
Geschrumpfter Snap mit automatisierter Roboterstation
Firmenchef Frank M. Rinderknecht (Storybild) hat den „Snap“ zum „microSNAP“ mit der Größe eines Renault Twizy geschrumpft. Und demonstriert zum ersten Mal eine vollautomatisierte Roboterstation, die Fahrgestell und Aufbauten selbstständig zusammenfügt und trennt (siehe Video). In der normalen Autoproduktion wird dieser Schritt als „Hochzeit“ bezeichnet. Hier handelt es sich dabei aber um keine dauerhafte Beziehung, sondern nur zum zu erfüllenden Zweck.
Konzept soll bald Realität werden
Inzwischen ist ein Start-up geplant und Gespräche mit Investoren sind am Laufen, um den „Snap“ auf die Straße zu bringen. Denn die Resonanz auf das innovative Elektrovehikel war laut den Schweizern enorm. Ob „Snap“ oder „microSNAP“, die Grundidee bleibt: Während die Aufbauten so lange halten sollen wie ein Auto heute, enthält das Fahrwerk alle verschleiß- und alterungsanfälligen Komponenten. „Skateboards“ (Fahrwerke) und „Pods“ (Aufbauten) sind nur Kurzzeitpartner. So nutzen vielfältige Aufbauten die gerade verfügbaren „Skateboards“. Laut der Vision von Rinspeed werden diese nach wenigen Jahren recycelt, weil die Grenze ihrer Betriebsdauer erreicht ist. Sie entgehen damit einem teuren und komplizierten Hardware-Update.
Reaktion auf Boom beim Online-Handel
Für Rinderknecht ist die Zeit der großen Lieferwagen, die Kunden wie Perlen auf einer Schnur nacheinander über den Tag bedienen, vorbei. Weil der Online-Handel boomt und auch den Fresh-Food-Bereich inzwischen einbezieht, glaubt der Schweizer an kleine autonome Fahrzeuge, die ausschwärmen und ihre Waren ‚just in time’ zum Kunden bringen – bei Bedarf sogar gekühlt oder gewärmt. Zu seiner Vision gehören aber auch zweisitzige „Robo-Units“, die ihre Passagiere sehr effizient ans Ziel bringen. Rinderknecht ist sich sicher: „Kunden wollen mehr und mehr zeitnah beliefert werden und viele Passagiere keine Sammeltaxis, die systembedingt zeitintensive Umwege fahren müssen.“
Bekannte Zulieferer liefern die Technik
Das mittlerweile fünfundzwanzigste Concept-Car von Rinspeed führt den bisherigen Ansatz der Firma fort. Das kleine E-Mobil verfügt über moderne Technologien, die ein namhaftes Netzwerk weltweiter Firmen beisteuert. So stammen das Robotik-System und der automatisierte Ladehilfe-Assistent von Kuka aus Augsburg. Für den Vortrieb im „microSNAP“ sorgt ein 48-Volt-Traktionsmotor des Zulieferers Mahle. Exakte Daten zu Leistung und Reichweite gibt es (leider) nicht. Die gesamte Beleuchtungstechnik inklusive digitalem Kennzeichen und einer Mikro-Pixel-LED mit blendfreiem Fernlicht kommt von Osram. Die Außenbeleuchtung kann mit anderen Verkehrsteilnehmern (Fußgängern, Autos, Radfahrern, Kunden etc.) kommunizieren. Die Innenraumbeleuchtung soll sich mit Hilfe von Health-Tracking-Funktionen an die persönliche Stimmung des Fahrers anpassen. Das heimische Unternehmen Lenzing Automotive steuert nachhaltige Fasern für den Innenraum bei.
Voll vernetzt
Eine Cloud-Plattform und 5G-Anbindung sorgen dafür, dass die Voraussetzungen für autonomes Fahren (High-Speed-Internet und kurze Latenzzeiten) gegeben sind. Natürlich setzt der microSNAP auch auf „Over the Air“-Updates. Mittels mehrstufiger Authentifizierung und Personalisierung soll das E-Mobil jeden Nutzer selbst im Carsharing-Einsatz so empfangen, als säße er in seinem eigenen Fahrzeug. Die automatische Erkennung erfolgt via Iris-Scanner. Das volldigitale Cockpit kann sich ebenfalls automatisch an den jeweiligen Passagier anpassen – beim „microSNAP“ ist dafür ein die gesamte Fahrzeugbreite einnehmendes, gebogenes 49-Zoll-LED-Display mit an Bord. Die Bedienung während der Fahrt erfolgt durch Spracheingabe, wobei die Passagiere von Smartphones und Computern bekannte Sprachassistenten nutzen können (Amazon Alexa, Apple Siri, Samsung Bixby oder Microsoft Cortana). Akustisch lässt sich die zweisitzige Variante in zwei separate Soundzonen aufteilen. Diese Harman-Technologie soll es beiden Passagieren erlauben, gleichzeitig unterschiedliche Musik- oder Unterhaltungsprogramme zu rezipieren, ohne dass sich der Mitfahrer gestört fühlt.
Sensoren über Sensoren
Das kleine E-Mobil ist ein wahres Sensorik-Monster. Der microSNAP setzt voll auf „Drive-by-Wire“. Mechanische Verbindungen zu Lenkung oder Bremsen gibt es nicht mehr. Redundante Lenkungs- und Bremssysteme sollen für höchste Sicherheit sorgen. Das US-Unternehmen Gentex steuert neben dem Iris-Scanner zur Insassenerkennung auch die Innenraumkamera und dimmbare Scheibenelemente in den Türen bei, wie sie auch im Boeing Dreamliner zu finden sind. Ibeo Automotive Systems liefert wiederum die Laserscanner-Sensoren, die dafür sorgen sollen, dass Hindernisse und Personen auf der Straße frühzeitig und genau erkannt werden. Die Antenne von NXP sorgt ist für die stabile Vernetzung mit der Außenwelt, für Software-Updates, Car-2-X-Kommunikation und Infotainment verantwortlich.
Auch in Genf zu sehen
Weltpremiere feiert der „microSNAP“ am 7. Januar 2019 in Las Vegas. Die Jubiläums-Kreation von Rinderknecht ist während der CES 2019 im „Harman-Venue“ im Hard Rock Hotel zu sehen. Europäische Interessenten müssen aber keine kurzfristige US-Reise planen, um das E-Mobil live erleben zu können. Denn Anfang März 2019 - sozusagen vor der Haustüre von Rinspeed aus der Nähe von Zürich - kann das Fahrzeug auf dem Genfer Autosalon begutachtet werden.