BMW-Entwicklungschef Diess wird neuer Vorstand für die Marke VW.
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn (Bild oben) hat mit der Berufung eines hochkarätigen Managers für die Marke VW die Diskussion um seine Nachfolge neu entfacht. Winterkorn gibt die Leitung der schwächelnden Wolfsburger Hauptmarke Anfang Oktober 2015 an den bisherigen BMW -Entwicklungsvorstand Herbert Diess ab. Dafür war Winterkorn bisher als Konzernchef mit zuständig.
Für Diess werde im Konzernvorstand ein Ressort "Vorsitzender des Markenvorstands Volkswagen Pkw" eingerichtet, teilte Europas größter Autobauer am Dienstag mit. "Mit Herbert Diess haben wir eine herausragende Persönlichkeit und einen der fähigsten Köpfe der Automobilbranche für uns gewinnen können", sagte Winterkorn.
Wunschkandidat
Für Diess' Verpflichtung machte sich Winterkorn einem Konzernsprecher zufolge persönlich stark. "Herr Diess ist der Wunschkandidat von Herrn Dr. Winterkorn. Beide haben dieselben Vorstellungen von Markenführung und Produktentwicklung", sagte der Sprecher.
Der Konzernbetriebsrat berichtete, dass Winterkorn mit dem Vorschlag für die Personalie Diess an die Arbeitnehmerseite herangetreten sei. "Wir haben über Herrn Dr. Diess mit Herrn Dr. Winterkorn diskutiert und gemeinsam entschieden, es so zu machen", sagte ein Sprecher von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. Diess passe in Winterkorns Team.
Comeback der getrennten Führung
Mit der Berufung von Diess als VW-Chef kehrt der Wolfsburger Autobauer zum Modell der getrennten Führung von Hauptmarke und Konzern zurück, wie sie bereits unter Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder gegolten hatte. Schon damals hatte Volkswagen mit Wolfgang Bernhard einen hochkarätigen Manager von außen als VW-Chef nach Wolfsburg geholt. Winterkorn hatte diese Trennung 2007 kurz nach seinem Wechsel von Audi an die Konzernspitze aufgelöst und führt VW seither mit. Bernhard ging später zurück zu Daimler, wo er die Lkw-Sparte leitet. Pischetsrieder sitzt inzwischen im Aufsichtsrat des Stuttgarter Konzerns.
Diess arbeitet seit 1996 bei BMW, wo er seither verschiedene Führungsfunktionen übernahm. Nach Stationen als Werksleiter in Birmingham und wurde er 2003 Chef der Motorradsparte. 2007 stieg er in den Vorstand auf und übernahm dort das damals neue Ressort "Einkauf und Lieferantennetzwerk". Zu dieser Zeit ging es vor allem darum, Milliarden einzusparen, um BMW auf Rendite zu trimmen.
Unter Zulieferern war Diess gefürchtet - als jemand, der knallhart verhandelt, die Preise drückt und sich in Details bestens auskennt. 2012 tauschte der Manager mit seinem Kollegen Klaus Draeger die Ressorts und wurde Entwicklungschef. Er war vorübergehend als ein möglicher Nachfolger von BMW-Chef Norbert Reithofer gehandelt worden. Als sich jedoch abzeichnete, dass er nicht zum Zuge kommen würde, stieg offenbar seine Bereitschaft zum Wechsel nach Wolfsburg, berichten Insider.
Hochgesteckte Ziele
Winterkorn hat der Marke VW ein Sparprogramm von fünf Milliarden Euro verordnet, um die Profitabilität zu steigern. Die operative Rendite der Hauptmarke, die für die Hälfte des Konzernabsatzes steht, soll bis 2018 auf mindestens sechs Prozent gehievt werden. Zuletzt hatte sie bei knapp der Hälfte gelegen. Dies will VW mit einem Bündel an Maßnahmen erreichen, die teilweise bereits umgesetzt werden. Dabei sollen sich die Abteilungen künftig besser abstimmen, um teuere Doppelarbeit zu verhindern. Kaum bestellte Zusatzausstattungen sollen verringert werden, nicht mehr jedes Modell einen Nachfolger bekommen.
Neben Diess beginnt im kommenden Jahr ein weiterer Hoffnungsträger bei den Wolfsburgern. Ex-Daimler-Manager Andreas Renschler soll die schleppende Allianz der Lkw-Töchter von MAN und Scania vorantreiben. Der 56-jährige frühere Lkw-Boss des Stuttgarter Konzerns löst Anfang Februar Leif Östling ab, der die Lkw-Sparte von Volkswagen seit 2012 leitet. Dem 68-jährigen ehemaligen Scania-Chef war es nicht gelungen, die auf Eigenständigkeit bedachten VW-Töchter enger zusammenzuführen.
Etwas Zeit bleibt noch
Winterkorn hatte unlängst angekündigt, dass er seinen bis Ende 2016 laufenden Vertrag als Vorstandschef erfüllen werde. "Ich wäre dann 69, eigentlich alt genug, um aufzuhören", hatte Winterkorn in einem Interview gesagt. Betriebsratschef Bernd Osteloh hatte im Reuters-Interview jüngst gesagt, er werde Winterkorn bitten, seinen Vertrag zu verlängern. Es gilt als wahrscheinlich, dass der 67 Jahre alte promovierte Metallkundler zwei Jahre dranhängt. Dann würde er auch die achte Version des Wolfsburger Bestsellers Golf auf den Markt bringen, der 2017 oder 2018 an den Start gehen soll. Es wird erwartet, dass Winterkorn dann in den Aufsichtsrat wechselt, wo er Piech als Vorsitzenden ablösen soll. Piechs (77) aktueller Vertrag läuft bis 2017.
Mindestens bis dahin müssten sich potenzielle Nachfolger also gedulden. Offizielle Bewerber für den Posten des künftigen Vorstandsvorsitzenden gibt es bisher nicht. VW selbst verweist darauf, dass es auch interne Kandidaten gebe. Spätestens mit der Berufung von Diess und Renschler ist das Rennen jedoch eröffnet.