Abgas-Manipulation
VW-Skandal kostet Winterkorn den Job
24.09.2015
Vorstandsvorsitzender macht Weg für einen Neuanfang frei.
VW-Chef Martin Winterkorn tritt wegen des Abgas-Skandals zurück. " Volkswagen braucht einen Neuanfang - auch personell", erklärte der 68-Jährige am Mittwoch im Anschluss an eine Sitzung des engeren Führungszirkels in Wolfsburg. Er habe daher den Aufsichtsrat des weltgrößten Autobauers gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Ein Nachfolger soll in den nächsten Tagen präsentiert werden. Vorschläge zur Neubesetzung des Chefpostens sollten bis zur Sitzung des Aufsichtsrats am Freitag vorliegen, kündigte das Präsidium an.
Insidern zufolge gehören Porsche -Chef Matthias Müller, Audi -Chef Rupert Stadler und der neue VW-Markenchef Herbert Diess zu den Kandidaten. Müller habe dabei größere Chancen, weil er schon lange bei Volkswagen sei und den Konzern in- und auswendig kenne, sagten zwei Person mit Kenntnis der Beratungen Reuters. Demnach wurden bereits am Dienstagnachmittag Gespräche mit den potentiellen Kandidaten geführt.
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Nicht freiwillig
Winterkorn musste offenbar erst zum Rücktritt bewegt werden. Er tue dies im Interesse des Unternehmens, obwohl er sich keines Fehlverhaltens bewusst sei, erklärte er. "Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist." Vor allem sei er fassungslos, dass Verfehlungen dieser Tragweite im Volkswagen-Konzern möglich waren.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte, er habe großen Respekt vor Winterkorns Entscheidung. "Er übernimmt die Verantwortung für etwas, was zu einem Zeitpunkt passiert ist, wo er noch gar nicht Vorstandsvorsitzender von Volkswagen war sondern bei Audi." Winterkorn war Anfang 2007 von der VW-Tochter in Ingolstadt an die Konzernspitze in Wolfsburg gewechselt.
Der amtierende Aufsichtsratschef Berthold Huber zollte Winterkorn Respekt für seine Leistungen in den vergangenen Jahren an der Spitze des Zwölf-Marken-Konzerns. "Zugleich sind wir entschlossen, einen glaubwürdigen Neuanfang mit aller Entschiedenheit anzupacken", sagte der frühere IG-Metall-Chef. Winterkorn habe selbst keine Kenntnis von der Manipulation der Abgaswerte gehabt.
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"Winterkorn hat guten Job gemacht"
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der das Land als VW-Aktionär im Aufsichtsrat vertritt, sagte, das Unternehmen werde gegen die Verantwortlichen Strafanzeige erstatten. Wolfgang Porsche, Vertreter der Eigentümer-Familien, erklärte, die Familien Porsche und Piech stünden weiter zu VW.
Nach Meinung von Analysten war der Rücktritt nicht unvermeidlich: "Winterkorn hat einen guten Job gemacht und hat es nicht verdient, geopfert zu werden", sagte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Aber bei der Größe des Problems und da er für Entwicklung im Konzern zuständig war, muss man diese Pille auch schlucken, wenn es schief läuft wie jetzt." Marc-René Tonn von M.M. Warburg sagte, es sei wichtig, dass Winterkorn die Verantwortung übernehme, ohne dass ihn eine Schuld treffe. "Entscheidend ist, ob sich der Skandal noch ausweitet und wie viele von den elf Millionen betroffenen Fahrzeugen diese Softwaremanipulation im Einsatz haben."
Der Diesel-Skandal hat inzwischen weltweite Ausmaße angenommen und beschäftigt mehrere Staatsanwaltschaften. Bei internen Untersuchungen wurden bei bis zu elf Millionen Fahrzeugen Unstimmigkeiten in den Messwerten festgestellt. Allein für die Rückrufe und weitere Schritte, um Vertrauen in die VW-Technik zurückzugewinnen, legt der Konzern im dritten Quartal rund 6,5 Milliarden Euro zurück und kappt seine Gewinnziele. Die Aktie verlor massiv an Wert. Seit Bekanntwerden der Abgas-Manipulationen büßte VW bis zu 30 Milliarden Euro seines Börsenwerts ein.
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Begonnen hat der Skandal in den USA: Die US-Umweltschutzbehörde EPA hat VW nachgewiesen, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Dort geht es um fast eine halbe Million Autos. Volkswagen droht deshalb eine Strafe von bis zu 18 Mrd. Dollar (16,14 Mrd. Euro).
In den Milliarden-Rückstellungen sind mögliche Strafzahlungen und Schadensersatzansprüche von Anlegern sowie Kosten für die Rücknahme unverkäuflicher Autos noch nicht enthalten. Der Generalstaatsanwalt des Staates New York untersucht den Fall zusammen mit anderen Ermittlungsbehörden. In Braunschweig prüft die Staatsanwaltschaft noch, ob sie gegen Verantwortliche des Konzerns ermitteln soll.
Machtkampf gegen Piech gewonnen
Im April hatte Winterkorn den Machtkampf gegen Firmenpatriarch Ferdinand Piech gewonnen. Danach ging er daran, den Konzern umzubauen. Die zwölf Marken könnten Insidern zufolge in vier Gruppen zusammengefasst werden, um den Konzern flexibler zu machen sollen. Die Pläne für den Umbau sollen einem Insider zufolge am Freitag Thema im Aufsichtsrat sein.
Unter Winterkorns Leitung wuchs VW in den vergangenen Jahren rasant. Der Umsatz verdoppelte sich fast, der Gewinn verdreifachte sich sogar nahezu. 2014 hatte das Auto-Imperium weltweit erstmals mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkauft. Im ersten Halbjahr 2015 verdrängte Volkswagen den japanische Rivalen Toyota von der Weltmarkspitze. Allerdings lag dies vor allem daran, dass der Absatz von VW langsamer schrumpfte als der von Toyota.
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