Alleine 2011 wurde 21 Millionen Euro zuviel kassiert, so die AK.
Beim Wahlkampf-Thema "Wohnen" legt die Arbeiterkammer ein Schäuferl nach: Allein im Jahr 2011 haben neue Mieter in Wien, deren Altbauwohnungen dem Richtwert-System unterliegen, durch unzulässige Aufschläge um 21 Mio. Euro zu viel an Miete bezahlt. Dies ergab laut AK die Analyse von Mikrozensus-Daten der Statistik Austria zu den rund 14.700 Wiener Richtwert-Mietverträgen aus dem Jahr 2011. "Private Altbaumietwohnungen sind viel teurer als erlaubt, weil das Richtwertmietsystem nicht funktioniert", erklärte die Leiterin der AK Konsumentenpolitik, Gabriele Zgubic, am Mittwoch. SPÖ-Politiker sprangen auf den Zug sofort auf und sahen ihre Forderung nach neuen Mietzinsbegrenzungen bestätigt. Das aber lehnt die Vermieterseite ab, etwa der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Und die ÖVP betont, dass Mietpreis-Beschränkungen keine neuen Wohnungen schaffen würden.
Laut Arbeiterkammer (AK) zeigen die Daten, dass jemand, der 2011 in Wien eine befristete private Altbauwohnung (sehr gut ausgestattet, also Kategorie A, mit 60 m2 Größe) neu angemietet hat, im Schnitt 1.610 Euro zu viel an Miete pro Jahr zahlt. Der unzulässige Aufschlag zum Richtwertmietzins bei befristeten Verträgen habe im Durchschnitt satte 53 Prozent betragen, so die AK in einer Aussendung.
2011 wurden insgesamt rund 14.700 neue Mietverträge für Altbauwohnungen der Kategorie A abgeschlossen, davon waren etwa 6.300 befristet. Allein bei den neuen befristeten Verträgen in Wien hätten die Vermieter 2011 um rund 10 Mio. Euro zu viel an Miete kassiert - rechne man noch die unbefristeten Mietverhältnisse dazu, seien es sogar rund 21 Mio. Euro, so Zgubic. Dies zeige einmal mehr, dass das Richtwertsystem nicht funktioniere und zu intransparent sei. Bei befristeten Verträge werde der gesetzliche Befristungsabschlag einfach ignoriert.
Bezogen auf den Wiener Richtwert von 4,91 Euro/m2 im Jahr 2011 - sowie den zulässigen Lagezuschlag von 0,63 Euro/m2 - ergebe sich für unbefristete Verträge eine zu zulässige Nettomiete von 5,54 Euro/m2, für befristete, die ja um 25 Prozent billiger sein müssten, 4,16 Euro/m2. Tatsächlich hätten die Vermieter für befristete Kategorie-A-Altbauwohnungen aber im Schnitt 6,37 Euro/m2 Nettomietzins verlangt, also um 53 Prozent als erlaubt. Für unbefristete Verträge hätten sie 6,93 Euro/m2 netto verlangt, laut AK ein unzulässiger Aufschlag von 25 Prozent.
Die AK selbst, aber auch SPÖ-Proponenten, verlangten am Mittwoch anhand dieser Daten eine Entlastung der Bewohner durch "faire Mieten bei privaten Mietwohnungen durch klare Obergrenzen". Die Zuschläge zum Richtwert müssten nach Art und Höhe gesetzlich festgelegt werden, mit 20 Prozent des Richtwerts nach oben hin begrenzt und im Mietvertrag aufgezählt werden, forderte AK-Präsident Rudi Kaske. Fast deckungsgleich lauteten die Forderungen von SPÖ-Wohnsprecherin Ruth Becher und SJ-Chef Wolfgang Moitzi.
ÖVP-Bautensprecher Johann Singer warnt in einer Reaktion, Mietpreisbeschränkungen würden keine neuen Wohnungen schaffen, sondern den Wohnungsmarkt erlahmen lassen. Die SPÖ "und ihre Vorfeldorganisationen" zielten offenbar nur auf "Eingriffe in die Privatautonomie" ab. Die Volkspartei dagegen wolle mehr Angebot durch eine Mobilisierung des Wohnungsmarktes schaffen, den Neubau intensivieren und die Baukosten gering halten, "und jeder soll die Möglichkeit haben, sich Eigentum zu erarbeiten".
Der ÖVI lehnt die Forderungen zu einer weiteren Begrenzung der Richtwertmieten allerdings ab. Der Immo-Bereich sei einer der letzten Sektoren der Wirtschaft mit einer gesetzlichen Preisbindung, kritisierte Geschäftsführer Anton Holzapfel in einer Aussendung. Er vermisst eine "sachliche Begründung dafür, dass ein Unternehmer in einem frei finanzierten Altbau seine Preise nicht frei kalkulieren darf, in einem Neubau dagegen schon". Der Immobilientreuhänder sei per Gesetz verpflichtet, für seinen Auftraggeber eine bestmögliche Bewirtschaftung der Immobilien zu erzielen - doch sei die mietrechtliche Normwohnung, die im Richtwertgesetz verankert ist, mit den heutigen Standards nicht mehr vergleichbar, so Holzapfel.