Angeklagte im BAWAG/Refco-Prozess freigesprochen
08.05.2020
Nach 15 Verhandlungstagen am Landesgericht Wiener Neustadt.
Wiener Neustadt/Wien. Nach 15 Verhandlungstagen im BAWAG/Refco-Prozess sind alle Angeklagten heute, Freitag, am Landesgericht Wiener Neustadt freigesprochen worden. In der 15 Jahre alten Causa ging es um einen 350 Mio. Euro schweren, sogenannten "Blitzkredit", den die BAWAG an den US-Broker Refco im Jahr 2005 vergeben hat.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Die drei Angeklagten - die beiden ehemaligen BAWAG-Vorstände Christian Büttner und Peter Nakowitz sowie ein weiterer Ex-BAWAG-Manager - waren in Bezug auf den Kredit wegen Untreue angeklagt und mussten sich seit November des vergangenen Jahres vor einem Schöffensenat verantworten.
Der Staatsanwaltschaft zufolge hätten die Angeklagten den "Blitzkredit" im Oktober 2005 an Refco ohne ausreichende Bonitätsprüfung vergeben. Zudem sei fragwürdig gewesen, ob eine ordnungsgemäße Entscheidung im Vorstand zustandegekommen war und ob der Aufsichtsrat hätte miteinbezogen werden müssen oder nicht. Der Kredit hätte laut der Staatsanwaltschaft daher nicht auf die damals erfolgte Weise vergeben werden dürfen. Nur wenige Tage nach der Kreditvergabe meldete Refco im Jahr 2005 in den USA Konkurs an. Das Geld aus dem Kredit konnte nie wieder zurückgeholt werden.
Freispruch auch im zweiten Anklagepunkt
Auch im zweiten Anklagepunkt - der Beihilfe zum schweren Betrug des damaligen Refco-Chefs Phillip Bennett - gab es heute einen Freispruch für alle Angeklagten. Hier argumentierte die Wiener Staatsanwältin Anna Vanessa Wöhrer in der Anklageschrift, dass die Beschuldigten im Jahr 2004 dabei geholfen hätten, die Vermögenslage der Refco besser darzustellen als sie ist und so den damaligen Refco-Käufer, das New Yorker Investmenthaus Thomas H. Lee Partners (T.H. Lee), über die tatsächliche Finanzlage in dem US-Unternehmen getäuscht.
Die Staatsanwältin betonte am Freitag, dass in der Causa vor allem die Frage des Vorsatzes ausschlaggebend sei - also die Frage, ob die Angeklagten wissentlich gehandelt hätten oder nicht. Hierfür habe es im Laufe des Beweisverfahrens sowohl Argumente dafür, als auch dagegen gegeben.
Richterin Lena Pipic führte jedoch im Anschluss an das Urteil aus, dass im Zuge des Verfahrens nicht bewiesen werden konnte, dass die Angeklagten über die "wahre Lage der Refco" Bescheid gewusst hätten. Auch bei der Vergabe des Kredits habe nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden können, dass die Angeklagten wissentlich entgegen ihrer Sorgfaltspflichten gehandelt hätten, begründete sie den Freispruch.
Verteidiger: Keine Beweise zum Vorschein gekommen
Die Verteidiger der Angeklagten hatten zuvor in ihren Schlussplädoyers ebenfalls unisono gesagt, in dem Verfahren seien keine Beweise zum Vorschein gekommen, die dafür sprechen würden, dass die Angeklagten vom Betrug der Refco gewusst hätten. Bereits zur Eröffnung des Verfahrens im November hatten die Verteidiger ausgeführt, dass die Angeklagten nicht die Täter waren, sondern vielmehr selbst Opfer der Refco und ihres ehemaligen Chefs Philipp Bennett geworden seien.
Neben den drei angeführten Angeklagten war der Ex-BAWAG-Vorstandsvorsitzende Johann Zwettler als Erstangeklagter geführt worden. Dieser war allerdings verhandlungsunfähig und nahm daher nicht an den Verhandlungen teil.
Im Vorfeld des heutigen Urteils gab es heute noch zahlreiche Verlesungen alter Zeugenaussagen. Für die Verhandlungstermine im März waren ursprünglich Videokonferenzen mit ehemaligen Mitarbeitern von Refco und T.H. Lee - unter anderem auch mit dem damaligen Refco-Chef Philip Bennett, der in den USA derzeit eine 16-jährige Haftstrafe absitzt - vorgesehen gewesen. Diese entfielen aber letztlich und wurden durch Verlesungen alter Aussagen ersetzt - auch weil einige Zeugen aus den USA dem Vernehmen nach die Aussage verweigert hätten.