Arabische Sommerfrischler - Ende des Booms
13.08.2009Nach der kurzen aber heftigen Diskussion über Äußerungen zu einer möglichen "Russen-Quote" in Tiroler Hotels vor zwei Jahren wiederholt sich die Thematik nun im Nachbarbundesland Salzburg: Diesmal berichtet die Zeitschrift "News" über Unmut über den Anstieg bei den Urlaubern aus arabischen Ländern in Zell am See. Hintergründe sind laut einem zitierten Gastronomen unter anderem der Umgang mit dem Servicepersonal sowie die Angst, die islamische Kleiderordnung würde das Stadtbild des Badeortes verändern. Zell am See ist nach Wien das beliebteste Österreich-Ziel für Touristen aus arabischen Ländern.
Wenig glücklich über diese Debatte zeigen sich die Tourismusverantwortlichen von Region und Land. Schließlich liegen die arabischen Gäste am ersten Platz bei der Wertschöpfung für Beherbergung, Shopping und Reiseausgaben. Sie bleiben länger als andere Urlauber und geben laut Österreich Werbung (ÖW) dreimal soviel aus wie der Durchschnittsgast. Dementsprechend hat die ÖW in den vergangenen Jahren an der Erschließung des Marktes gearbeitet. Während es in den vergangenen fünf Jahren starke Steigerungen gab, sorgen nun aber die "Neue Grippe" (auch "Schweinegrippe") und der bereits weit in den Sommer hineinreichende Fastenmonat Ramadan für herbe Rückgänge in diesem Besuchersegment.
Plus 10,5 Prozent an Übernachtungen
Weltweit war der Mittlere Osten mit einem jährlichen Wachstum von zehn Prozent Wachstum von zehn Prozent der am schnellsten wachsende Reisemarkt weltweit, erfährt man bei der ÖW. Österreich gehört zu den Destinationen, die dabei kräftig profitierten. Ankünfte aus arabischen Ländern haben sich von 2002 bis 2007 mehr als verdreifacht, geht aus Unterlagen der ÖW hervor. Der Hauptgrund für die rapide Zunahme waren die verbesserten Flugverbindungen. Sowohl AUA als auch die Emirates bauten ihre Flugkapazitäten massiv aus.
Hauptsaison ist der Sommer, in dem die Gäste, die hauptsächlich aus Saudi-Arabien, den V.A.E., Kuwait und Qatar kommen, von der heimatlichen Gluthitze in das feuchte Alpenklima mit Bächen, Wasserfällen, Seen und Gletschern flüchten. Erfreulich für die Tourismusindustrie: Urlauber aus diesen Ländern bleiben länger als andere Gäste, nämlich 3,6 Tage und somit überhaupt am längsten unter den Gästen aus Fernmärkten. Mit 307.304 Nächtigungen lagen die arabischen Sommerfrischler im Jahr 2008 auf Platz 18 der Austrostatistik und damit noch vor den japanischen Touristen. Dieser Wert entspricht einem Plus von 10,5 Prozent zu 2007. Der Winter spielt mit insgesamt 34.690 Übernachtungen dagegen noch eine untergeordnete Rolle.
Trendumkehr durch Grippe und Ramadan
Heuer soll jedoch ein Wandel in der guten Entwicklung einziehen. Die "Neue Grippe" und der Ramadan, der heuer schon am 21. August, um zehn Tage früher als noch in der Vorjahressaison, beginnt, sorgen in diesem Jahr in Salzburg für weniger Gäste aus dem arabischen Raum, beklagt Leo Bauernberger, Geschäftsführer der Salzburger Land Tourismus GmbH, im Gespräch mit der APA. Er erwartet ein Minus von rund 15 Prozent. Die Urlaubszeit der Moslems verkürzt sich jährlich um zehn Tage, was sich negativ auf die Nächtigungszahlen auswirkt. Im Vorjahr konnte der seit sechs Jahren ungebremste Boom in Salzburg mit 174.433 Nächtigungen noch um 12 Prozent gegenüber 2007 gesteigert werden.
"Es gibt weniger Nachfrage und einige Stornierungen", meinte auch Hans Wallner, Tourismuschef der Pinzgauer Ferienregion Kaprun-Zell am See. Zahlen für Juli liegen noch keine vor, er rechnet aber zumindest mit einer Stagnation. Trotz der wenig rosigen Aussichten glaubt Bauernberger, dass der arabische Raum nach wie vor ein Wachstumsmarkt für Salzburg ist. Von einem Werbestopp, den laut der neuen "News"-Ausgabe 80 Prozent der in einer internen Umfrage befragten Tourismusunternehmen in Zell am See angeblich fordern, könne nicht die Rede sein, betonte Bauernberger.
Ein Marketing-Stopp wäre gerade für die Betriebe der Region mit heftigen Einbußen verbunden. Im Gesamtjahr verbringen arabische Gäste den Großteil der Nächte in den Bundesländern Salzburg (47,7 Prozent) und Wien (37,5). Tirol (8,7 Prozent), Oberösterreich (1,8), Vorarlberg (1,5) und Niederösterreich (1,1) werden noch kaum wahrgenommen. Im Sommer 2008 war Wien mit 106.546 Nächtigungen die wichtigste Stadt für arabische Touristen, Zell am See war die Top-Sommerfrischedestination mit 74.576 Nächten. Salzburg Stadt liegt hier mit 27.140 Nächtigungen auf Platz drei der beliebtesten Orte. Es folgen Kaprun (25.991) und Bad Hofgastein (9.600).
Ausgaben weit über Durchschnitt
Schmerzlich wäre ein Rückgang bei den Touristen aus arabischen Ländern vor allem deshalb, weil sie pro Reise in ein europäisches Land rund 1.850 Euro ausgeben. Dreimal mehr als der Durchschnitt, rechnet Klaus Ehrenbrandtner, Market Manager für Arabische Länder bei der ÖW, vor. Was sich die Gäste dafür im Gegenzug erwarten: ein familienfreundliches Angebot (Reisen generell mit der Großfamilie), Höflichkeit, Gastfreundlichkeit und eine sehr hohe Servicequalität.
Besonders geschätzt werden Sicherheit, Sauberkeit und Entspannung in beruhigter Idylle mit Seen, Wiesen und Bergen in gemäßigtem Klima. Aktive Freizeitangebote wie Sport, Kultur, Wellness kommen dabei weniger gut an. Beliebt sind aber gelegentliche Ausflüge per Boot oder Seilbahn sowie Picknicks, Stadtbummel und Shopping.
Ein zentraler Stellenwert kommt dabei neben dem primären Angebot der dahinterstehenden Dienstleistung zu. "Der arabische Kunde ist sehr serviceverwöhnt und lässt lieber organisieren als dies selbst zu tun", heißt es in einer ÖW-Marktanalyse. Urlaub werde dementsprechend fast ausschließlich über lokale Reiseveranstalter und -büros gebucht. Diese sind somit auch die wichtigsten Anlaufstellen für die Platzierung eines Angebots, heißt es bei der ÖW. Die Entscheidung über das Reiseziel werde im Familienverbund getroffen. Berichte von Freunden und Medienberichten zählen zu den Haupteinflussfaktoren. Die Buchung geschieht dabei sehr kurzfristig, zu 85 Prozent im Monat vor dem Abflug.
Gastronomen stellen sich ein
"Die Hälfte der Gastronomen haben sich bei uns im Sommer auf arabische Urlauber spezialisiert", gab Kaprun-Zell am See-Tourismuschef Wallner zu bedenken. "Sie sind froh, dass die Gäste kommen". Natürlich gebe es auch welche, die Touristen aus europäischen Ländern bevorzugen. Die in "News" zitierte Umfrage kenne er aber nicht.
Im Juli und August betrage der arabische Anteil der Touristen in dieser Pinzgauer Region immerhin 15 Prozent. Auch ihr Verhalten habe sich im Laufe der Jahre verändert, sie hätten an Reiseerfahrung dazugewonnen und seien westlicher eingestellt, erklärte Wallner. Zudem habe sich die Bevölkerung Jahr für Jahr mehr an die arabischen Gäste gewöhnt. Die Araber erscheinen jetzt weniger "exotisch", "sind viel offener und suchen mehr Kontakt als früher", sagte der Bürgermeister von Zell am See, Hermann Kaufmann (V), zur APA.
Von einer großen Skepsis seitens der Einheimischen will weder Wallner noch der Bürgermeister etwas bemerkt haben. "Viele sind froh, dass diese Gäste trotz Wirtschaftskrise zu uns kommen. Sie werden dazu beitragen, dass die Sommerstatistik nicht schlimm ausfällt. Vor fünf, sechs Jahren war die Stimmung in der Bevölkerung schlechter. Jetzt gibt es keinen offen ausgesprochenen Unmut, auch wenn der eine oder andere die Entwicklung mit einem sorgenvollen Auge betrachtet", so der Stadtchef.
Auch bei der ÖW spricht man sich für eine langsam wachsende Entwicklung aus: Die Voraussetzung für einen nachhaltigen Erfolg auf den Märkten sei der "Aufbau von langfristigen Beziehungen und einem gelebten Verständnis für die arabische Kultur jenseits von kurzfristiger Profitmaximierung", schreibt Experte Ehrenbrandtner in seinem Marktüberblick.