Die Grünen warnen vor der Stilllegung von 1.600 km des heimischen Bahnnetzes. Sie berufen sich dabei auf eine Regionalbahnen-Studie der ÖBB-Holding sowie interne Informationen.
Bahnintern hieß es lediglich, die von den Medien zitierte Studie des Unternehmensberaters Roland Berger sei eine Argumentationshilfe, um Bund und Ländern klar zu machen, welche Kosten bei den diversen Wünschen auf die Bahn zukämen.
Neu in den Bahnüberlegungen sei laut Grünen der Plan, in die Stilllegungswelle auch Strecken der Kategorie "W" miteinzubeziehen. Diese sind insgesamt 1.620 km lang und machen besonders in Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten einen Großteil des Streckennetzes aus. Wobei darunter nicht nur Bahnstrecken in dünn besiedelten Grenzregionen fallen. So ist auch die Strecke Hollabrunn-Korneuburg direkt vor den Toren von Wien eine "W"-Strecke.
Möglich wäre, dass das Land, private Anbieter oder Tourismusverbände den Betrieb übernehmen. Private Investoren sind aber eher an den gewinnbringenden hochprioritären Strecken wie der Westbahn interessiert. So plant die Westbahn GmbH/RailUnion ab Ende 2011 einen Bahnbetrieb zwischen Wien und Salzburg. Die Privatbahn gehört Strabag-Konzernchef Hans Peter Haselsteiner und dem früheren ÖBB-Vorstand Wehinger je zur Hälfte.
Appell an den Bund
Für die Grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser ist nun jedenfalls die Regierung gefragt: "Der Bund hat die Infrastruktur zu erhalten. Die Länder müssen ausschreiben und bestellen, wenn die ÖBB nicht in der Lage sind, eine attraktiven Betrieb zu gewährleisten." In der Vergangenheit hatten Verkehrsexperten das teure "Wunschkonzert der Landesfürsten" kritisiert, wofür dann die Bahn gerade stehen müsse.
Äußerst umstritten ist etwa die rund vier Milliarden teure Koralmbahn im Süden Österreichs. Kritiker meinen, der Tunnel würde sich nur dann rechnen, wenn Graz und Klagenfurt täglich evakuiert werden. Bund und Länder hingegen argumentieren damit, dass man dieses Projekt nicht einfach nur nach betriebswirtschaftlichen Kriterien beurteilen dürfe.
Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht ebenfalls den Bund gefordert, und zwar auch im Bereich der Nebenbahnen. Eine VCÖ-Untersuchung zeige, dass 56 Prozent der Menschen in Österreich in ihrer Mobilität ganz oder zum Teil auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Insbesondere in der Region seien Regionalbahnen für viele Menschen unverzichtbar.
"Von Seite der Politik braucht es daher ein klares Bekenntnis zur Bahn in der Fläche. Regional- und Nebenbahnen müssen aufrechterhalten werden, es braucht ein Ausbaukonzept statt einer Einstellungswelle. Wenn im Straßennetz strenge betriebswirtschaftliche Kriterien angewendet würden, müssten viele Gemeinde-, Landes- und Schnellstraßen zugesperrt werden", hieß es.
Städtebund-Kritik
Kritik kommt auch vom Städtebund: "Ein Rückzug der ÖBB aus 'der Fläche' wird langfristig nicht zu Einsparungen der öffentlichen Hand führen, sondern an anderer Stelle wieder volkswirtschaftliche Kosten erzeugen." Man spreche sich daher "entschieden gegen eine Schließung der Regionalbahnen und gegen die geplante Einstellung der IC-Verbindung Graz-Linz aus."
In Wien tagt zurzeit der Aufsichtsrat der ÖBB-Holding, für Dienstagnachmittag (22.9.) wurde eine Aussendung angekündigt. Neben dem Streckennetz wird die Affäre um die rechtswidrige Sammlung und Speicherung von Krankenakten von ÖBB-Mitarbeitern ein Thema sein. Andere große Baustellen der Bahn sind die Spekulationsverluste, für die es bis heute keine personellen Konsequenzen gegeben hat und der angebliche Überhang an beamteten Mitarbeitern.