Investment-Skandal

AvW-Schulden könnten auf 240 Mio steigen

12.05.2010

Die offiziell angegebene Summe dürfte weit überschritten werden. Aktuell sieht es nach einer Konkursquote von maximal 20 % aus.

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© www.avw.at
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Die Kärntner AvW ist nicht - wie selbst im Konkursantrag angegeben - mit 50 Mio. Euro überschuldet, sondern mit 185,2 Mio. Das haben die Masseverwalter Gerhard Brandl und Ernst Malleg nach einer ersten Durchsicht der AvW-Bücher errechnet. Nicht berücksichtigt sind allerdings eventuelle Steuerschulden - dem Vernehmen nach will die Finanz mehr als 50 Mio. Euro. Fraglich ist außerdem, ob die Bewertungen richtig sind, sagten die Masseverwalter nach der ersten Gläubigerausschusssitzung am Mittwoch in Klagenfurt.

240 Mio. Schulden möglich

Insgesamt könnte die Überschuldung noch auf 235 bis 240 Mio. Euro ansteigen. Nach derzeitiger Lage zeichne sich für die über 12.000 Besitzer von AvW-Genussscheinen - rein rechnerisch - eine Konkursquote von 15 bis 20 % ab, so Brandl und Malleg. Für die Anleger heißt es trotzdem vorerst warten: Das Konkursverfahren werde sich aufgrund der enormen Komplexität drei bis fünf Jahre ziehen. Die Genussscheininhaber werden ersucht, ihre Ansprüche noch nicht anzumelden.

Die Beteiligungen der AvW sind laut der Aufstellung der Masseverwalter 38,6 Mio. Euro wert. Die Gesellschaften AvW Invest und AvW Gruppe halten laut Firmenbuch unter anderem Anteile an S&T, Hirsch Servo, Binder und C-Quadrat. Hinzu kommen Wertpapiere in der Höhe von 56,8 Mio. Euro. Von diesen insgesamt über 95 Mio. Euro sind aber 46,2 Mio. Euro an die Grazer Capital Bank verpfändet. Bei dem Grazer Geldhaus hat das Finanzkonglomerat 45,7 Mio. Euro Schulden. Zum "frei verfügbaren Vermögen" zählen die Masseverwalter weiters Grundstücke im Wert von 5,6 Mio. Euro, Motorbootzulassungen (200.000 Euro) und 600.000 Euro Bankguthaben.

Der Wert jener Genussscheine, deren Besitzer bereits Klage eingereicht haben, wird mit 41,6 Mio. Euro angegeben. Einige Anleger haben außerdem ein "Forderungsschreiben" an die AvW verfasst (13,8 Mio. Euro). Die "alten" Genussscheine mit Kapitalgarantie, die bis 2001 begeben wurden, stehen mit 11,3 Mio. (eingefordert) bzw. 16,2 Mio. Euro (nicht eingefordert) auf der Passivseite.

Der größte Brocken ist aber die Rückstellung für noch nicht eingeforderte Papiere in der Höhe von 80 Mio. Euro, die der AvW-Steuerberater vorgenommen hat. Das ist aber nur die Hälfte des Genussscheinkapitals von 160 Mio. Euro, die die Anleger noch nicht zurückverlangt haben. Die restlichen 80 Mio. Euro rechneten die Insolvenzverwalter daher zum Überschuldungsstaus dazu, den der AvW-Steuerberater mit 105,2 Mio. Euro angegeben hat, sodass sich insgesamt eine Überschuldung von 185,2 Mio. Euro ergibt. Insgesamt beläuft sich das Genussscheinkapital auf fast 243 Mio. Euro.

Dem Vernehmen nach hat der AvW-Vorstand allerdings die Darstellung seines Steuerberaters nicht freigegeben und wehrt sich jetzt dagegen. Kurz bevor die Gesellschaften AvW Gruppe und AvW Invest in die Insolvenz schlitterten, haben sie ja den Bilanzveröffentlichungstermin vom 23. April auf 17. Mai 2010 verschoben. Begründet wurde das mit dem damals noch nicht fertiggestellten Gutachten von Fritz Kleiner, das die Staatsanwaltschaft Klagenfurt in Auftrag gegeben hat.

Auf das Kleiner-Gutachten, das inklusive aller Beilagen mehr als 8.000 Seiten umfasse, beziehen sich auch Brandl und Malleg: Durch die Expertise "ist klar, dass AvW Invest und Avw Gruppe eine wirtschaftliche Einheit ist. Durch wechselseitige Unternehmensbewertungen wurde die Kursentwicklung beeinflusst und der Genussscheinpreis künstlich in die Höhe getrieben", so die Masseverwalter in einer Aussendung. Im Ergebnis sei dadurch ein "kapitalmarktorientiertes Perpetuum mobile", wie es Kleiner bezeichnet habe, entstanden.

Der Gläubigerausschuss hat heute beschlossen, dass eine Verwertung im Interesse der Gläubiger ist, sagten die Masseverwalter zur APA. Sie werden daher bei Gericht ein Verwertungsverfahren anregen. Außerdem werde man eruieren, "ob ein Haftungsfonds da ist", ob also möglicherweise die Vorstände und Aufsichtsräte der AvW sowie deren Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater in die Bresche springen müssen.

Ob die Verpfändung an die Capital Bank aufgehoben werden kann, ist noch unklar. Man sei jetzt dabei, Stück für Stück alle Punkte aus dem Kleiner-Gutachten sowie die Einwände dagegen aufzuarbeiten. In der Mitteilung heißt es: "Im Zuge der Verwertung des Vermögens von AvW Invest und AvW Gruppe werden wir Schnäppchenjägern keine Chance geben." Im Interesse der Gleichbehandlung aller Gläubiger werde das Verwertungsprozedere in "größtmöglicher Transparenz" abgewickelt werden. "Angesichts des enormen Umfangs der aufzuarbeitenden Sachverhalte, des komplizierten Unternehmensgeflechts und der laut Gerichtsgutachten undurchsichtigen und nicht marktüblichen Verrechnungen" gelte es als erstes, Ordnung und Übersichtlichkeit zu schaffen. Die Causa AvW sei vermutlich das größte Insolvenzverfahren der vergangenen zehn Jahre in Österreich, gaben die Masseverwalter zu bedenken.

Die Masseverwalter riefen die Genussscheininhaber auf, sich noch nicht dem Konkursverfahren anzuschließen. "Die Anmeldefrist wurde im Einvernehmen mit dem Gericht erstreckt, sodass jeder zeitlich ausreichend Gelegenheit findet, seine Ansprüche anzumelden." Man werde die Öffentlichkeit rechtzeitig informieren.

Die nächste Sitzung des Gläubigerausschusses findet am 27. Mai statt. In dem Gremium sitzen neben Brandl und Malleg u. a. die Anlegeranwälte Erich Holzinger und Andreas Pascher sowie Vertreter der Capital Bank und der Finanzprokuratur.

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