Bilanz 2009: So viel Steuern zahlen wir

12.08.2009

Von jedem Euro wandern heuer mehr als 43 Cent an den Staat, knapp 57 Cent bleiben. Entlastung gibt es bei Lohn- und Einkommenssteuer.

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Trotz Steuerreform ist die Belastung für den durchschnittlichen Österreicher weiter hoch. Das ergibt eine erstmals detaillierte Berechnung der renommierten Steuerberatungskanzlei BDO Auxilia. Daraus wird ersichtlich, wie viel von jedem verdienten Euro tatsächlich „netto“ übrig bleibt. Unterm Strich ergibt sich heuer eine Abgabenlast von 43,5 Cent je Euro – es bleiben 56,5 Euro zur freien Verfügung. Das sind um fast 2 Cent (exakt 1,64 Cent) mehr als noch im Vorjahr. Ausgangspunkt für die Berechnungen ist eine Familie mit einem Bruttoeinkommen von 3.500 Euro pro Monat und zwei Kindern.

Österreich bei Abgaben­last im Spitzenfeld

Karl Bruckner, BDO Auxilia-Chef und ehemaliges Mitglied der Steuerreformkommissionen im Finanzministerium, berücksichtigte bei seinen Berechnungen auch Mineralöl-, Tabak-, Gewinn- und Versicherungssteuer. Ergebnis: Pro Monat liefert die Familie 1.523,63 Euro an den Staat ab, das sind 43,5 % des Bruttoeinkommens.
Klar ist: Steuern und Sozialabgaben sind notwendig, um öffentliche Leistungen zu finanzieren - von Straßenbau über Schulen bis zum Hausarzt. Zum Vergleich: Die USA begnügen sich mit einer Abgabenquote von 29 Prozent - es sind aber beispielsweise Ärzte "privat“ zu zahlen.

Eine Berechnung der EU-Kommission ergibt, dass Österreich bei der Abgabenlast von 27 EU-Staaten am vierten Platz liegt. Nur die Dänen, Belgier und Schweden zahlen mehr Steuern und Sozialabgaben. Die geringste Abgabenlast fällt in Irland an.
Die nackten Zahlen sprechen für sich: VP-Finanzminister Josef Pröll nahm allein im ersten Halbjahr 2009 mehr als 10,6 Mrd. Euro an Umsatzsteuer und 9,7 Mrd. Euro an Lohnsteuer ein - samt weiterer "Kleinsteuern“ sind es insgesamt 29 Mrd. Euro.

Steuereinnahmen brechen in der Krise jetzt weg

Aufgrund der Wirtschaftskrise sind heuer die Steuereinnahmen bereits um 5,3 % gesunken. Und die steigende Schuldenlast lässt bereits laut nach neuen Einnahmen (also Steuern) rufen.
Übrigens: Wer 4.000 Euro pro Monat verdient, arbeitet derzeit immer noch für den Staat. Erst ab Freitag, 14. August, wird in die eigene Tasche gewirtschaftet. Heißt: An 155 Werktagen wird für den Staat geschuftet, nur an 96 fließt das Geld aufs Konto.

KARL BRUCKNER: "STEUERBELASTUNG IST HOCH"
Ist die Steuerbelastung zu hoch?
Sie ist nach der Steuerreform, die eine Entlastung von 3,2 Mrd. Euro brachte, immer noch sehr hoch. Österreich liegt mit der Abgabenquote deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Werden bald die Steuern wegen der Staatsschulden erhöht?
Das sollte die letzte Option sein. Zuerst muss der Staat bei der Verwaltung sparen, etwa bei Bundesländer- und Krankenkassenstrukturen.

Ist unser Steuersystem gerecht?
Ich glaube ja. Das Problem ist, dass gerechte Steuersysteme immer auch kompliziert sind. Wenn individuelle Faktoren – von Spenden bis Familienausgaben – berücksichtigt werden, wird es kompliziert. Aber: So komplex wie jetzt müsste es nicht sein. So könnte es bei der Lohn- und Einkommenssteuer eine einfachere, aber gerechte Flat Tax geben.

DEFIZITE EXPLODIEREN: JETZT DROHT EIN SPARPAKET
"Gelingt die Verwaltungsreform nicht, dann bin ich mir sicher, dass Steuern erhöht werden müssen“, schlägt der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl im Gespräch mit ÖSTERREICH Alarm. Tatsächlich lässt der Kampf gegen die Wirtschaftskrise die Defizite explodieren: Rechnete Finanzminister Josef Pröll bei der Erstellung des Budgets im vergangenen Frühjahr für heuer noch mit einem Defizit von 3,5 Prozent – so prognostizieren die Wirtschaftsforscher 4,3 Prozent des BIP: Das sind mehr als 12 Mrd. Euro. 2010 budgetierte Pröll 4,7%, das Wifo rechnet mit 5,8%. Das bedeutet: In den nächsten drei bis vier Jahren steigt die Staatsschuld um 50 Mrd. Euro.

Gewaltiges Loch

Doch auch wenn die Streichung von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung die von Leitl und anderen Experten versprochenen 3,5 Mrd. Euro bringt – ohne neue Einnahmen wird das Budgetloch nicht zu stopfen sein. Budgetexperte Gerhard Lehner rechnet im Gespräch mit ÖSTERREICH ab 2011 mit einem jährlichen Konsolidierungsbedarf von 12 Mrd. Euro - und der wird nicht nur durch ein gestiegenes Wirtschaftswachstum zu erreichen sein. Im Herbst will die Regierung erste Sparpläne vorstellen - Einsparungen im Verwaltungsbereich werden aber nicht ausreichen.

Höhere Steuern

Doch sowohl SPÖ als auch ÖVP versuchen derzeit, Ankündigungen für Steuererhöhungen zu vermeiden. Dabei sind die Fronten längst klar: Die SPÖ sähe gern eine Einführung von Vermögens­steuern - um damit die „Reichen“ zur Kasse zu bitten. Schon jetzt berät eine SPÖ-Arbeitsgruppe unter Leitung von SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder. Doch die ÖVP leistet Widerstand, lässt aber ihr nahestehende Experten bereits laut über eine Anhebung der Massensteuern nachdenken: konkret der Mehrwertsteuer. Was für SPÖ und Gewerkschaft ein rotes Tuch wäre - würden doch Geringverdiener durch diese Steueranhebung besonders stark betroffen.

Also doch sparen, wie Leitl es will? Die Landeshauptleute haben jedenfalls massiven Widerstand angekündigt. Sie haben bis jetzt noch jeden Reformplan zu Fall gebracht.

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