Regierung uneins
"Biotreibstoff" E10 sorgt für Streit
08.03.2011
Auch der ÖAMTC ist kritisch und warnt vor erhöhten Spritpreisen.
Das Chaos bei der Einführung des "Biobenzins" E10 in Deutschland lässt mittlerweile auch hierzulande die Wogen hoch gehen, innerhalb der Regierung herrscht Uneinigkeit. Während Umwelt- und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (V) am Dienstag vor dem Ministerrat betonte, dass E10 ab Herbst 2012 in Österreich am Markt sein soll, bremst die SPÖ fürs Erste. Infrastrukturministerin Dores Bures meinte, aus ihrer Sicht gehörten Lebensmittel auf den Teller und nicht in den Tank. Ein klares "Nein" zu E10 kam von Bures aber auch nicht. Hier müsse man sich noch die Details ansehen. Berlakovich müsse jedenfalls vor einer Einführung mit ihr Einvernahmen erzielen.
Probleme in Deutschland
Der Umweltminister selbst redete die Probleme in Deutschland klein. Dort habe es nur Kommunikationsmängel gegeben, die man in Österreich vermeiden werde. Klargestellt wurde von ihm, dass er nicht an Biotreibstoffe denke, deren Basis zum Beispiel in Brasilien angebaut werde: "Biosprit aus Österreich ja, Biosprit aus dem Urwald nein." Allerdings kommen die Rohstoffe beim Biodiesel, von dem Österreich derzeit rund sieben Prozent zumischt, nur zu einem Viertel aus Österreich. Bei Ethanol hingegen soll Österreich Selbstversorger sein, heißt es aus der Biosprit-Branche.
Kritik
Aus der Diskussion heraushalten will sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V). Er habe zwar in Österreich bei der Bevölkerung keine Verunsicherung bemerkt. Wenn es aber Probleme mit E10 gebe, werde man sich diese eben ansehen. Die Grünen hatten sich bereits gestern kritisch zu dem angeblichen Biokraftstoff geäußert. Naturgemäß verteidigt wurde der Sprit vom Acker von den Landwirten, die sich von der Bioenergie ein zusätzliches Standbein erhoffen.
ÖAMTC warnt vor Spritpreisen
Die Zeche dafür könnten aber die Autofahrer zahlen, denen höhere Spritpreise drohen, warnt der ÖAMTC. Denn der Biosprit ist teurer als raffiniertes Öl. Der ÖAMTC appelliert daher, parallel zur Einführung von E10 neue Steuermodelle anzubieten. Eine Stützung müsste aber in dem Fall erst recht wieder der Steuerzahler berappen. Der ARBÖ wiederum warnt vor Plänen des Umweltministeriums, dass nach der Einführung von E10 in Österreich der herkömmliche Eurosuper verschwinden soll. Wer dann nicht E10 tanken kann oder will, muss zum teureren Super Plus greifen. Der ÖAMTC regt in diesem Zusammenhang an, dass es künftig E5 und E10 geben solle, der ARBÖ spricht sich massiv für eine Verschiebung der E10-Einführung aus. Immerhin würden 300.000 bis 500.000 Autos in Österreich E10 nicht vertragen.
Während sich Bures heute bedeckt gab, war die SPÖ in der Vergangenheit mehrfach gegen den steigenden Biospritanteil zu Felde gezogen. Sie verwies unter anderem darauf, dass der vermehrte Anbau von Energiepflanzen die Ausbreitung genetisch veränderter Arten voran treibe. Im Gegensatz dazu wollte der jetzige Vizekanzler und damalige Landwirtschaftsminister Josef Pröll (V) E10 bereits im Jahr 2010 einführen.
"Biofuels"
Einmal mehr hat sich heute der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) kritisch zum Sprit vom Acker geäußert. Studien zeigten, dass "Biofuels" in ihrer Gesamtbilanz sogar klimaschädlicher sein können als herkömmliche Treibstoffe. Der VCÖ betont, dass die Reduktion des Treibstoffverbrauchs wichtiger ist als der Ersatz durch alternative Treibstoffe. Eine Studie des Instituts für Europäische Umweltpolitik zeige, dass für die Herstellung dieser Spritmenge eine zusätzliche Anbaufläche für Energiepflanzen im Ausmaß von 41.000 bis 69.000 Quadratkilometer nötig wäre.
"Die Studie hat auch den Anteil Österreichs untersucht: Damit Österreich die Biosprit-Ziele erreicht, sind zusätzlich 104.000 Tonnen Bioethanol und Biodiesel nötig. Laut Studie wird dadurch das Klima mit 300.000 bis 500.000 Tonnen CO2 belastet. Und: Es sind 280 bis 480 Quadratkilometer an zusätzlicher Anbaufläche nötig. Die Gesamtfläche Wiens beträgt 414 Quadratkilometer", rechnete der VCÖ am Dienstag in einer Aussendung vor.
Egal wie sich die Regierung festlegt, am Ende des Tages bleibt der Autofahrer über. Der deutsche Automobilclub ADAC warnt jedenfalls, dass für Motorschäden durch E10 der Fahrzeugbesitzer verantwortlich ist. Zudem müssten Autofahrer wegen der E10-Verunsicherung mit einem höheren Benzinpreis rechnen. Hintergrund ist, dass in vielen Raffinerien wegen der Kaufzurückhaltung Kosten entstehen - etwa für Lagerhaltung und Überstunden der Mitarbeiter. Die dürften letztlich auf die Autofahrer abgewälzt werden, vermutet der ADAC.