Der jetzt bekannt gewordene Sideletter zum Koalitionsvertrag von ÖVP und Grünen enthüllt: So lief der Postenschacher für Top-Jobs in staatsnaher Wirtschaft und Finanz.
Grundsätzlich sei zwar "festzuhalten, dass alle Besetzungen auf Basis von Kompetenz und Qualifikation erfolgen", heißt es in dem Sideletter, der die geheimen Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag vom Jänner 2019 enthält. Das mutet skurril an, angesichts der eindeutigen Polit-Verteilung der Jobs, wie sie in der Vereinbarung festgeschrieben wird.
Der Sideletter, unterschrieben vom damaligen Kanzler Sebastian Kurz und dem grünen Vize Werner Kogler, liefert jedenfalls eine detaillierte parteipolitische Aufteilung, wer welche Posten in der Republik erhalten soll. Das betrifft auch wesentliche Jobs in Wirtschaft und Finanz des Landes.
Nationalbank: ÖVP nominiert Präsident, Grüne Vize
Zum Beispiel in der Nationalbank: Dort wird die ÖVP 2023 den Präsidenten nominieren, die Grünen den Vize. Für das Direktorium gilt: Sollte ein Mitglied ausscheiden, gibt es ein abwechselndes Nominierungsrecht, beginnend bei der ÖVP.
FMA: Je ein Vorstand für ÖVP und Grüne
In der Finanzmarktaufsicht (FMA) geht es 2023 um zwei Vorstandsjobs, welche sich ÖVP und Grüne "brüderlich" aufteilen wollen. Das bringt SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer besonders auf die Palme: Es sei gesetzeswidrig, a die Regierung nur einen FMA-Vorstand nominieren könne - der andere sei von der Nationalbank zu nominieren.
Bei den Infrastrukturbeteiligungen des Bundes (ÖBB, Asfinag, Schig) erhält die ÖVP laut Sideletter bis zu 1/3 der Aufsichtsratsmandate. Bei den anderen Unternehmensbeteiligungen der Republik bekommen die Grünen bis zu 1/3 der Aufsichtsratsmandate.
Auch hinsichtlich des ORF wurde heftig gedealt. So wurde den Grünen der Vorsitz im Stiftungsrat versprochen - im Gegenzug sagte Kogler Ja zu einem Kopftuchverbot für Lehrer. Den Job des Stiftungsrats-Chefs soll nun Lothar Lockl bekommen, der Wahlkampfleiter von Bundespräsident Alexander van der Bellen. Lockl war der erste Generalsekretär der Grünen, ist bereits Leiter des "Freundeskreises" der grünen ORF-Stiftungsräte.
Kogler: "Wichtig, damit ÖVP nicht alle Posten besetzt"
Grüne und ÖVP verteidigten den Sideletter zum Koalitionsvertrag. "Wir waren zwar neu in der Regierung, aber nicht naiv. Wenn man verhindern will, dass die türkise ÖVP alle Positionen besetzt, braucht man als kleinerer Koalitionspartner eine Vereinbarung, wie die Vorgangsweise ist", erklärte Kogler. ÖVP-Klubobmann August Wöginger betonte, solche Vereinbarungen zwischen Koalitionspartnern seien "eine übliche und legitime Vorgangsweise" sowie für die Zusammenarbeit "absolut essenziell".