Währungshüter dürften den Leitzins am Donnerstag auf 4,25 Prozent herabsetzen
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag die Zinswende einleiten. Deutlich geringere Inflationsraten erlauben es den Währungshütern, den zuvor auf den Rekordwert von 4,5 Prozent heraufgesetzten Leitzins zu senken - voraussichtlich auf 4,25 Prozent. Was das für Häuslbauer, Sparer, Urlauber und Konjunktur bedeutet:
BEKOMMEN SPARER WENIGER ZINSEN?
"Beim Tagesgeld und Festgeld wird sich die EZB-Senkung sofort auswirken", sagt Max Herbst von der Finanzberatung FMH. Denn die EZB dürfte nicht nur den Leitzins, sondern auch ihren Einlagenzins senken. Dieser bestimmt, wie viel Geld die Kreditinstitute für ihr bei der EZB geparktes Geld erhalten. Einen Großteil dieses Zinses haben viele Banken in den vergangenen zwei Jahren an ihre Kunden weitergegeben. Nun dürfte der Einlagezins von 4,0 auf 3,75 Prozent erstmals wieder herabgesetzt werden. Einige Banken haben im Vorgriff darauf bereits ihre Zinsangebote für Tages- und Festgeld gesenkt. "Es besteht zwar nur bei ganz wenigen Banken mit Top-Zinsen die Veranlassung, die Senkung weiterzugeben", sagt Experte Herbst. "Aber dies werden auch sehr viele andere Banken nutzen und ihre geringen Zinsangebote im Anlagebereich weiter senken."
WERDEN RATENKREDITE BILLIGER?
Ja. "Auch die Ratenkredite werden sich dann im Laufe der nächsten Wochen abschwächen - aber nicht sofort", sagt Finanzberater Herbst. "Sinken die Anlagezinsen, sinken auch die Konsumentenkredite, wenn die Banken fair arbeiten, da der Einkauf des Finanzierungsgeldes billiger wird."
WAS BEDEUTET DAS FÜR DEN AKTIENMARKT?
Niedrigere Zinsen sind meist gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität tendenziell steigert. Zum anderen werden Zinspapiere wie Anleihen oder Festgeld unattraktiver, weil sie weniger abwerfen - Aktien wiederum werden dadurch beliebter. "Anleger sollten allerdings nicht davon ausgehen, dass diese Zinssenkung per se ein positiver Impuls für den Aktienmarkt sein wird", betont Thomas Altmann von der Investmentboutique QC Partners. "Die Börsen haben einen ersten Zinsschritt im Juni schon vor Monaten eingepreist."
Entscheidend für die Aktienmärkte dürfte daher der Zinsausblick der EZB sein. "Bei der Zinsdebatte darf vor allem eines nicht vergessen werden: Zu Jahresbeginn lag die Konsens-Schätzung bei sechs bis sieben Zinssenkungen in diesem Jahr", sagt Altmann. "Aktuell liegt diese Prognose noch bei zwei bis drei Zinssenkungen." Dennoch habe der deutsche Leitindex DAX seit Jahresbeginn 30 neue Allzeithochs markiert. "Da sollte es niemanden überraschen, wenn der tatsächliche Beginn der Zinssenkungen nicht zu erneuten Kursgewinnen führt."
WAS IST MIT DEN BAUZINSEN?
Die sind in den vergangenen Wochen trotz der Aussicht auf den sinkenden EZB-Leitzins wieder gestiegen. Im Juni lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von zehn Jahren bei 3,72 Prozent, so die Online-Plattform Statista. Zu Jahresbeginn waren es nur 3,42 Prozent. "Wer wissen möchte, wie sich die Bauzinsen entwickeln, sollte nicht auf den Leitzins schauen, sondern auf die Inflationsrate", so Finanzberater Herbst. Die ist zuletzt in der Eurozone wieder gestiegen, und zwar auf 2,6 Prozent. Eine Folge: Investoren verlangen mehr Geld, wenn sie die in Europa maßgebliche Bundesanleihe kaufen sollen. "Steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, weil Investoren höhere Zinsen fordern, steigen auch die Pfandbriefrenditen - und damit am Ende auch die Bauzinsen", erklärt Herbst.
KOMMT DIE SCHWACHE KONJUNKTUR JETZT IN SCHWUNG?
Niedrigere Kreditzinsen können der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. "Die damit verbesserten Finanzierungsbedingungen für Unternehmen werden die privaten Investitionen ankurbeln", erwartet die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. Allerdings: Die Zinssenkung dürfte frühestens 2025 stützen, erwartet etwa der Sachverständigenrat in seiner Frühjahrsprognose für die deutsche Regierung. "Zinssenkungen wirken sich mit einer unterschiedlich langen Verzögerung auf die Konjunktur aus", sagt auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Im Durchschnitt vergeht gut ein Jahr, bis die Konjunktur von niedrigeren Zinsen profitiert."
WELCHE BRANCHEN PROFITIEREN BESONDERS?
"Grundsätzlich profitieren alle Branchen von niedrigen Zinsen, weil die Unternehmen günstiger an Fremdkapital kommen und mehr investieren", erklärt Commerzbank-Experte Krämer. "Die Zinssensitivität ist aber in der Immobilienwirtschaft sicherlich am größten, weil Bauherren in der Regel sehr viel Fremdkapital benötigen." Gesehen habe man das mit umgekehrtem Vorzeichen nach den massiven Zinserhöhungen der EZB, als die Nachfrage im Wohnungsbau um rund ein Drittel eingebrochen sei.
WERDEN DER EURO GEDRÜCKT UND REISEN IN ANDERE WÄHRUNGSGEBIETE TEURER?
Experten rechnen hier nicht mit größeren Folgen. "Zinssenkungen machen Währungen im Vergleich zu anderen Währungsräumen relativ gesehen weniger attraktiv, also tendenziell schwächer", sagt der Leiter Strategische Vermögensplanung beim Assetmanager HQ Trust, Thomas Neukirch. "Da es sich hier aber nur um einen kleinen Schritt handelt und viele andere Faktoren die Wechselkurse ebenfalls beeinflussen, rechnen wir kurzfristig nicht mit größeren Folgen für Urlauber."