Die Chronologie der Subprime-Krise

07.09.2009

Am Beginn der Krise steht die jahrelang unkontrollierte Vergabe von Hypothekenkrediten an private Haushalte in den USA. Allein in den Jahren 2003 bis 2007 werden Hypothekendarlehen im Ausmaß von 7 Billionen Dollar (4,88 Billionen Euro) vergeben, das ist mehr als der Wert des gesamten US-Staatsanleihenmarktes. Darunter befinden sich mit 1,3 Billionen Dollar Schuldner mit geringer Bonität ("subprime").

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Viele Darlehensnehmer, oft ohne Einkommen, Vermögen oder Jobs, können in der Folge die Rückzahlungsraten nicht bedienen. Große Darlehensportfolios brechen zusammen und führen zu katastrophalen Ergebnissen und Pleiten unter den finanzierenden Instituten. Im Folgenden eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse von Anfang 2007 bis zur Pleite von Lehman Brothers am 15. September 2008.

2006

US-Immobilienmarkt kühlt ab. Bankrotte von Hauseigentümern häufen sich.

2007

In den USA melden die ersten auf Kunden mit niedriger Bonität spezialisierte Hypothekenfinanzierer Insolvenz an, darunter People's Choice Home Loan und New Century Financial.

Juli: Zwei auf Subprime-Schuldner spezialisierte Hedge Fonds der US-Investmentbank Bear Stearns verlieren über 90 Prozent, obwohl nur in Papiere mit Triple-A-Rating investiert wurde, und müssen geschlossen werden. Der Chef der Schweizer Bank UBS, Peter Wuffli, tritt wegen rückläufiger Gewinne am US-Subprime-Markt überraschend zurück. Die deutsche Mittelstandsbank IKB gibt eine Gewinnwarnung aus und muss aufgefangen werden. Österreichs Banken fühlen sich noch sicher.

August: American Home Mortgage, einer der größten Hypotheken-Anbieter der USA, ist pleite. Die französische Bank BNP Paribas friert das Vermögen von drei Investmentfonds ein. Die EZB schießt 95 Mrd. Euro in das Euro-Bankensystem. Notenbanken rund um die Welt injizieren insgesamt 300 Mrd. Dollar in die Finanzmärkte, um eine Liquiditätskrise zu verhindern. US-Notenbank Fed kürzt Leitzins von 6,25 auf 5,75 Prozent. Krise zieht in Deutschland weitere Kreise: Postbank, SachsenLB, WestLB, HSH Nordbank und BayernLB räumen Engagements ein.

September: Run auf Northern Rock: einer der größten britischen Hypothekenfinanzierer erhält 25 Mrd. Pfund Staatshilfe. Bear Stearns kündigt einen Gewinnrückgang von 61 Prozent im Quartal an. Fed senkt Leitzinsen kräftig auf 4,75 Prozent.

Oktober: UBS schreibt 3,7 Mrd. Dollar ab. Citigroup, Merrill Lynch und Countrywide Bank kündigen hohe Verluste an. Der Dow Jones, Leitindex der New Yorker Börse, schließt auf dem Rekordhoch von 14.164 Punkten. Fed senkt Zinsen auf 4,5 Prozent.

November: Auch die Bank of America, Barclays Bank und der Hypothekenfinanzierer Freddie Mac kündigen Abschreibungen und Verluste in Millarden-Höhe an. Citigroup erhält 7,5 Mrd. Dollar Finanzspritze aus Abu Dhabi.

Dezember: Moody's will Triple-A-Ratings für hypothekengesicherte Wertpapiere senken. US-Präsident George W. Bush kündigt einen nie umgesetzten Plan an, um in Schwierigkeiten geratenen Eigenheimbesitzern zu helfen. Fed senkt Zinsen auf 4,25 Prozent.

2008

Jänner: Bear Stearns-Chef James Cayne tritt zurück. Lehman Brothers kündigt weitere 1.300 Jobs. Fed kürzt Leitzinsen überraschend in zwei Schritten auf 3,00 Prozent.

Februar: Die Subprime-Krise verursacht in Japan einen Schaden von 6,5 Mrd. Dollar. Die britische Bank Northern Rock wird verstaatlicht. Fed-Chef Ben Bernanke warnt vor ansteigenden Bankenzusammenbrüchen.

März: JP Morgan Chase übernimmt Bear Stearns mit Hilfe der US-Notenbank.

April: Deutsche Bank und Merrill Lynch kündigten Milliardenabschreibungen an. Die Begriffe "subprime" (für Schuldner mit niedriger Bonität) und "credit crunch" (Kreditklemme) werden in das Oxford English Dictionary aufgenommen.

Mai: Die weltweiten Abschreibungen der Banken summieren sich laut "Financial Times" bereits auf 450 Mrd. Dollar.

Juni: Die US-Investmentbank Lehman Brothers weist einen Quartalsverlust in Höhe von 2,8 Mrd. Dollar auf. Bank of America übernimmt Countrywide Bank. US-Börsenaufsicht SEC kündigt Änderung bei der Regulierung von Ratingagenturen an.

Juli: Zweitgrößter Banken-Crash in den USA: Die Hypotheken- und Bausparbank IndyMac Bank wird geschlossen. Merrill Lynch schreibt weitere 9,4 Mrd. Dollar ab. Mehrere US-Banken berichten über riesige Quartalsverluste. US-Hypotheken-Finanzierer Freddie Mac und Fannie Mae in Schwierigkeiten.

August: Weitere US-Banken fallen der Krise zum Opfer. Lehman Brothers führt geheime Verkaufsgespräche mit südkoreanischen oder chinesische Investoren. Die Verhandlungen scheitern, da Lehman einen zu hohen Preis verlangt. Die US-Beteiligungsgesellschaft Lone Star kauft die angeschlagenen deutsche IKB.

September: Die US-Regierung übernimmt die beiden größten US-Baufinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae. Lehman Brothers beantragt am 15. September Gläubigerschutz. Die Kapitalmärkte stürzen ab. Notverkauf von Merrill Lynch an Bank of America. Die US-Notenbank Fed gewährt dem Versicherungsriesen AIG einen 85 Mrd. Dollar Notkredit. Goldman Sachs und Morgan Stanley wollen "normale" Banken werden. Damit gibt es in den USA keine reinen Investmentbanken mehr.

Die US-Regierung kündigt ein 700 Mrd. Dollar schweres Rettungspaket für die Finanzbranche an. Die sechstgrößte US-Bank, Washington Mutual, bricht zusammen und wird von JP Morgan übernommen. Island übernimmt die Kontrolle über Glitnir, die drittgrößte Bank des Landes. Auch die beiden anderen Großbanken, Kaupthing und Landsbanki, werden verstaatlicht.

Für den deutschen Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) muss ein erstes 35 Mrd. Euro schweres Rettungspaket geschnürt werden, weitere folgen. Mit Staatshilfe über 6,4 Mrd. Euro muss die Immobilienbank Dexia gestützt werden.

Oktober: Sechs große Notenbanken senken gemeinsam die Leitzinsen. Deutschland und Österreich geben eine Komplettgarantie für private Einlagen ab. Deutschland einigt sich mit Frankreich, Großbritannien und Italien darauf, keine europäische Bank fallen zu lassen. Die G-7-Industrieländer befürchten eine Depression und verständigen sich auf eine gemeinsame Krisenbewältigung. Der Dow Jones fällt erstmals wieder seit 2004 unter die 10.000 Punkte-Marke. Die US-Autobranche - vor allem GM und Chrysler - kämpft ums nackte Überleben.

Österreich schnürt ein 100 Mrd. Euro schweres Banken-Hilfspaket, Deutschland eines um 500 Mrd. Euro. Viele andere EU-Länder folgen. In Wien muss die angeschlagene Constantia Privatbank aufgefangen werden.

November: Die Kommunalkredit muss "notverstaatlicht" werden, Ex-Mehrheitseigentümerin ÖVAG pumpt Staat um 1 Mrd. Euro an. Der IWF prognostiziert, dass erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg praktisch alle Industriestaaten in die Rezession abrutschen werden. China kündigt ein 600 Mrd. Dollar-Paket an, die US-Notenbank ein 800 Mrd. Dollar schweres Programm zum Aufkauf von mit Krediten besicherten Wertpapiere. Die EU-Kommission schlägt ein 200 Mrd. Euro umfassendes Konjunkturpaket vor. Opel bittet um Bürgschaften von gut einer Milliarde Euro. Die Finanzkrise erreicht die Chemiebranche. US-Regierung rettet Citigroup mit 300 Mrd.-Dollar-Bürgschaft und steigt mit 20 Mrd. Dollar ein.

Dezember: Die Kärntner Hypo Group erhält als erste österreichische Bank Staatshilfe in Form von 900 Mio. Euro PS-Kapital. Der Notverkauf der Austrian Airlines (AUA) an die deutsche Lufthansa wird beschlossen - die Übernahme erfolgt dann erst Anfang September 2009. Der Staat muss noch 0,5 Mrd. Euro Schulden nachlassen.

In den USA wird der Star-Investor Bernard Madoff festgenommen und im Mai 2009 zu 150 Jahren Haft verurteilt. Er hat im größten Betrugsskandal der US-Geschichte in einem gigantischen Pyramidenspiel Anleger um 65 Mrd. Dollar geschädigt. Auch die Bank Austria und ihre 25 Prozent-Beteiligung Bank Medici sind betroffen. Letztere verliert ihre Banklizenz.

2009

Jänner: Barack Obama wird als neuer US-Präsident angelobt und will bis zu einer Billion Dollar in die Krisenbewältigung investieren und die Gagen der Manager limitieren. Die Bank of England senkt die Leitzinsen auf 1,5 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit 315 Jahren. Die Arbeitslosigkeit in den USA springt auf 7,2 Prozent - höchster Stand seit 16 Jahren. Die Krise trifft auch Kreditkartenunternehmen.

Der IWF senkt die Weltwirtschaftsprognose 2009 auf 0,5 Prozent. Unternehmen in den USA und Europa kündigen an einem Tag 76.000 Stellenkürzungen an. Japan plant ein 16,7 Mrd. Dollar schweres Hilfsprogramm.

Hilferuf von neun westeuropäischen Großbanken, darunter Raiffeisen International und Erste Group, für einen umfassenden Hilfsplan für Osteuropa. Irland verstaatlicht Anglo Irish Bank. Im Kampf gegen die Finanzkrise wollen mehrere europäische Regierungen weitere Milliarden in die angeschlagene Bankenbranche pumpen. Wirtschaftswachstum in China verlangsamt sich.

Februar: Die USA beschließen ein 787 Mrd. Dollar schweres Konjunkturprogramm. UBS 2008 mit Riesenverlust von 19,7 Mrd. Franken (13 Mrd. Euro). Die Krise greift auf Osteuropa über: Laut Weltbank braucht die Region mit Russland, Ukraine und Türkei 120 Mrd. Dollar, um Banken zu rekapitalisieren. Das Rating für österreichische Staatsanleihen kommt nun unter Druck, die Schuldenaufnahme verteuert sich. Die Erste Group beschließt die Aufnahme von 2,7 Mrd. Euro frischem Kapital, davon bis zu 1,89 Mrd. Euro staatliches PS-Kapital.

März: EU-Gipfel einigt sich auf Verdoppelung der Hilfe für Osteuropa auf 50 Mrd. Euro. Britische Großbank HSBC braucht 14 Mrd. Euro. AIG macht 2008 Rekordverlust von 99,3 Mrd. Dollar. Großbritannien übernimmt die Lloyds Banking Group. US-Notenbankchef Bernanke verlangt eine Verschärfung der Finanzaufsicht. Die Fed kündigt den Kauf von hypothekenbesicherten Wertpapieren im Wert von mehr als einer Billion Dollar an. Die RZB erhält 1,75 Mrd. Euro staatliches PS-Kapital.

April: Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) stellen zur Krisenbewältigung zusätzlich 1,1 Billionen Dollar zur Verfügung. Bis Ende 2010 sollen 5 Billionen Dollar zur Ankurbelung der Wirtschaft ausgegeben werden. Finanzkrise wird laut IWF rund um den Globus Werte von mehr als 4 Billionen Dollar vernichten. US-Banken überraschen mit hohen Quartalsgewinnen. Der zweitgrößte US-Shoppingmall-Betreiber General Growth Properties (GGP) beantragt Gläubigerschutz.

Aufregung um Staatspleite-Sager von Wirtschafts-Nobelpreisträgers Paul Krugman, wonach Österreich nach Island und Irland das Land mit dem größten Risiko einer Staatspleite sei. Finanzminister, Notenbankgouverneur, IWF-Chef und Eurogruppen-Chef widersprechen heftig. ÖVAG erhält vom Staat 1 Mrd. Euro PS-Kapital.

Mai: EZB senkt Leitzins auf Rekordtief von 1,0 Prozent und sieht erste Hinweise auf ein Ende der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 1930er Jahren. Deutschland richtet "Bad Banks" zur Auslagerung "toxischer" Papiere ein.

Juni: Bundesbank erwartet Konjunktureinbruch von 6,2 Prozent. Schweizer Banken im Steuerstreit mit den USA und Deutschland. Obama stellt Plan für die größte Finanzreform seit 70 Jahren vor, Hauptpunkte sind eine Konzentration der Aufsicht bei der Zentralbank sowie die Einrichtung einer neuen Verbraucherschutzbehörde.

Juli: Bei Rezession drohen Österreichs Banken laut OeNB 30 Mrd. Euro Kreditabschreibungen. Deutschland lockert Bilanzvorschriften für Banken. Fed-Bericht: US-Wirtschaft stabilisiert sich. UBS einigt sich im Steuerstreit mit den USA und gibt tausende Kundendaten preis.

August: Die Bank von England stockt ihr Finanzhilfspaket auf 175 Mrd. Pfund auf. Globale Wirtschaftskrise verflacht sich. Frankreichs Präsident Sarkozy facht Diskussion um Banker-Boni neu an. Studie: Finanzkrise kostet Weltwirtschaft bis Ende 2009 voraussichtlich mehr als 10 Billionen Dollar, je Erdenbewohner mehr als 1.500 Dollar (1.044 Euro). Die BAWAG nimmt 550 Mio. Euro plus 400 Mio. Euro Garantien vom Staat.

September: Österreich verlässt die Steueroase - das Bankgeheimnis für Ausländer wird gelockert.

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