Karl-Heinz Grasser sagt, wie er als Finanzminister in der Euro-Krise agiert hätte.
ÖSTERREICH: Sie haben im ersten Teil des Interviews gesagt, Sie glauben, dass dieses Marathonverfahren gegen Sie eine politische Verfolgung ist. Warum?
GRASSER: Man will um jeden Preis Schwarz-Blau zerstören, von den Leistungen der Regierung Schüssel darf nichts übrig bleiben. Man hat noch immer Angst davor, dass der Grasser irgendwann in die Politik zurückkehren könnte. Man will alte politische Rechnungen begleichen, sonst wäre diese Vielzahl an Anzeigen, die alle von den Grünen kommen, nicht erklärbar.
ÖSTERREICH: Würden Sie tatsächlich in die Politik zurückkehren, wenn die Verfahren gegen Sie einstellt werden?
GRASSER: Nein, ich denke nicht daran. Rachemotive haben in der Politik nichts verloren. Aber natürlich würde mir Finanz- und Wirtschaftspolitik Spaß machen. Es braucht heute Politiker in Europa, die diesen Irrweg der Milliardenverschwendung zulasten der Steuerzahler stoppen. Dass man unser Steuergeld den Griechen, Iren, Portugiesen, Italienern und Spaniern schickt, ist nicht in Ordnung.
ÖSTERREICH: Sie hätten das als Finanzminister im EU-Rat nicht zugelassen?
GRASSER: Ich hätte das sicher nicht zugelassen. Ich habe von Anfang an gesagt: Lasst die Griechen pleitegehen und schließt sie aus der Eurozone aus.
ÖSTERREICH: Und warum hat das die EU nicht getan?
GRASSER: Wir erleben derzeit ja die völlige Handlungsunfähigkeit in Europa, den politischen Stillstand. Die Politiker sind heute nicht bereit zuzugeben, dass sie mit den ersten Zahlungen an die Griechen einen Riesenfehler gemacht haben, und schicken deshalb ständig neue Milliarden hinterher. Die einzig richtige Ansage wäre gewesen: Liebe Griechen, ihr habt uns falsche Zahlen gegeben, ihr habt schlecht gewirtschaftet, ihr seid pleite – also geht in die kontrollierte Pleite und verlasst die Eurozone. Aber dazu fehlt den Politikern der Mut – deshalb schicken sie dem bereits verlorenen Geld, das wir auch in Österreich nie wiedersehen werden, ständig gutes neues Geld nach.
ÖSTERREICH: Was wäre die Lösung – ein Kern-Europa?
GRASSER: Ein Kern-Europa wäre die beste Lösung zur Rettung Europas. Es gibt ja nur mehr zwei Wege, um Europa aus dieser schwersten Krise zu führen: Entweder die Europäische Zentralbank beginnt, in der Größenordnung von mehreren Tausend Milliarden Euro Geld zu drucken – dann ist genug Geld da, aber die Inflation explodiert auf über 5 % und wir werden eine starke Geldentwertung erleben. Oder, was viel klüger wäre, wir sagen: Griechen, Iren, Portugiesen, auch Italiener und Spanier sollen die Eurozone verlassen. Dann haben wir in Zukunft ein „Kern-Europa“ aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Finnland, Luxemburg, den Niederlanden – mit stabiler Währung, mit Standortverlässlichkeit, mit Aufschwung.
ÖSTERREICH: Sie glauben nicht, dass unsere Wirtschaft ohne großen Euro-Raum mit Italien zusammenbricht?
GRASSER: Ich liebe die Italiener – das sind die nettesten Menschen mit der besten Küche. Aber sie haben eine völlig andere Wirtschaft – weiche Währung, hohe Inflation, hohe Löhne, keine Spardisziplin. Das funktioniert in einer gemeinsamen Währung nicht. Die Börsen und die Finanzmärkte zeigen ja: Es gibt keine Lösung außer ein „Kern-Europa“.
ÖSTERREICH: Muss Österreich um sein Triple A zittern?
GRASSER: Mich wundert ja, dass bei dieser ganzen Grasser-Verfolgung noch niemand die Größe hatte zu sagen: Ohne Regierung Schüssel hätte Österreich schon lange kein Triple A mehr. Hätten wir damals die Staatsschuld nicht von 70 % auf unter 60 % geführt, hätten wir damals nicht das Nulldefizit erreicht, würde Österreich heute dramatisch schlechter dastehen. Schüssel und ich waren damals diejenigen, die das Prinzip der Schuldenbremse für Europa vorgegeben haben.
ÖSTERREICH: Warum sind die Schulden so explodiert seit Ihrer Regierungszeit?
GRASSER: Weil die Feigheit der Politiker derzeit alle Rekorde schlägt, weil man keinen Mut für unangenehme Entscheidungen mehr hat. Wir haben in der Regierung Schüssel strukturelle Reformen gemacht, wir haben eine Pensionsreform gemacht, eine große Verwaltungsreform umgesetzt und haben die Staatsausgaben kräftig reduziert. Ohne massive Kürzungen bei den Staatsausgaben wird man nie ein Nulldefizit schaffen. Niemand kann immer mehr ausgeben, als er einnimmt – auch der Staat nicht. Das sollte mittlerweile jeder erkannt haben.
ÖSTERREICH: Die Schuldenbremse in der Verfassung finden Sie im Prinzip gut?
GRASSER: Die finde ich sehr gut. Nur, wer eine Schuldenbremse ansagt, der muss auch eine Nulllohnrunde oder nur eine minimale Gehaltserhöhung für die Beamten durchsetzen – sonst ist das reines Wischiwaschi und die Kosten für die Verwaltung explodieren weiter. Wie ernst die Regierung die Schuldenbremse tatsächlich nimmt, wird sie in den nächsten Wochen mit ganz konkreten Reformvorschlägen beweisen müssen.
ÖSTERREICH: Noch einmal: Falls Ihr Verfahren eingestellt wird und Sie rehabilitiert sind, würden Sie in die Politik zurückkehren? Gibt’s ein Comeback?
GRASSER: Nein, ich will kein Comeback. Ich hatte meine Chance. Jeder hat seine Zeit. Und ich habe derzeit nur ein Ziel: meine Probleme mit der Justiz zu lösen, endlich Fairness und Gerechtigkeit zu bekommen, weiterhin glücklich mit Fiona und meiner Familie leben zu können – ohne weiter verfolgt zu werden – und beruflich neu anzufangen.