Für viele Internetuser ist Google nicht mehr als eine praktische Suchmaschine. Für andere stecken hinter den Innovationen des Weltkonzerns brisante Datenschutzfragen: Die Suchmaschine sammelt bei jeder Abfrage anonymisierte Informationen, die für interessensbasierte Werbung, mittlerweile aber auch für die Berechnung von Grippetrends, herangezogen werden. Bei Vorhandensein eines Kontos werden Daten von E-Mails bis zum Kalender auch personalisiert gespeichert. Google selbst will sich angesichts dieser Kritik nun als Wegbereiter für die Zukunft des Datenschutzes im Internet etablieren - mit globalen Projekten für mehr Selbstbestimmung.
Die Vorwürfe gegen Google sind alt, aber offensichtlich schwer aus dem Weg zu räumen. Immer wieder ist in der Öffentlichkeit die Rede von uferlosem Datensammeln gepaart mit Furcht: "Wenn die alles zusammenfügen, liegt das perfekte Profil von mir vor!" Gebetsmühlenartige Beteuerungen des Unternehmens - anonyme und personalisierte Daten würden technisch streng von einander getrennt - helfen gegen diese Ängste scheinbar wenig. Das gilt auch für den Einwand, anonyme Daten und IP-Adressen könnten nie an einen bestimmten Nutzer gekoppelt werden - man wisse ja nicht, wer vor dem PC sitzt: Mama, Sohn oder doch der Großvater? Daher würden festgestellte und gespeicherte Nutzungsgewohnheiten nur etwas über das Verhalten im Moment aussagen, betont man bei Google.
Per Meyerdierks, Google-Datenschutzbeauftragter im deutschsprachigen Raum, sieht sich angesichts der kritischen Haltung mit einem speziellen Problem konfrontiert: "Wir fühlen uns oft in einer Stellvertreter-Position und würden uns wünschen, dass die Diskussion auf eine breitere Ebene gestellt wird." Viele Fragen würden sich einfach bei Google als erstes stellen, betonte der Jurist bei einer Presseveranstaltung in Wien. "Aber Internet und Datenschutz stellen uns alle vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Immer mehr Lebensbereiche finden im Internet statt, alles wird immer interaktiver."
Bemühungen um Vertrauen
Bei Bemühungen um Glaubwürdigkeit und Vertrauen setzt Google seit kurzem auf neue Wege. "2009 hat das Unternehmen begonnen, seine Rolle als Datenschutzwegweiser auszubauen und zu gestalten", erklärte Firmensprecher Kay Oberbeck. Von Deutschland aus habe man mehrere globale Projekte gestartet. Darunter auch die seit zwei Monaten verfügbare Entwicklung namens "Dashboard". Diese Funktion gibt Google-Kontoinhabern Auskunft darüber, was der Konzern über sie weiß. "Das sind alle Daten, die hinter einem Google-Konto stecken", so Techniker Wieland Holfelder. Die Informationen werden auf Knopfdruck auf einer Seite aufgelistet und können auf Wunsch einzeln gelöscht werden.
Ein weiterer Versuch, die Angst vor dem missbräuchlichen Umgang mit sensiblen Informationen zu dämpfen, ist die "Data Liberation Front". Daten können mittels dieser Funktion, die bei zwei Dritteln der Dienste bereits funktioniert, ohne großen Aufwand exportiert werden. Die Philosophie dahinter: Wer Google verlassen will, kann dies jederzeit tun - Nutzer sollen freiwillig bleiben. Das hehre Ziel des Internetriesen: Jeder Nutzer soll über die Datenschutzvorkehrungen bei seinen persönlichen Informationen selbst entscheiden. Die Möglichkeiten, diesbezüglich Einstellungen vorzunehmen, Funktionen ein und auszuschalten, sind laut Oberbeck vorhanden und müssen nur genützt werden.
Adressierte Werbung diskutiert
Besonders heiß diskutiert wird im Zusammenhang mit Google die sogenannte adressierte Werbung, die dafür sorgt, dass beim Abruf eines Sportartikels zum Beispiel eine Werbung für Turnschuhe aufpoppt. Laut Google wird dabei niemand überwacht, ein Algorithmus berechnet den Zusammenhang beider Komponenten anhand erfasster Stichworte - wie bei einem Anti-Virenscanner.
"Das Ganze basiert auf dem Artikel-Inhalt und nicht auf der Person - Alter, Geschlecht sind egal", betonte Per Meyerdierks. So gesehen handle es sich bei dieser Form der Anzeigen um die "datenschutzfreundlichste" Werbung überhaupt.
"Wir geben zwar Gelegenheit, paranoid zu sein, aber keinen Grund", fasste der Jurist zusammen. Er sieht Verbesserungspotenzial vor allem bei den Usern selbst, denen es oft an Medienkompetenz fehle. Über Cookies und deren Funktion wüssten nur wenige Bescheid, bereits in der Schule gebe es zu wenig Aufklärung, lautet seine Kritik. Adressierte Werbung bei Google-Diensten könnte jeder beispielsweise über ein einfaches Plug-In langfristig ausschalten.
Gleichzeitig will Google mit auf den ersten Blick kuriosen Auswertungen erfasster anonymer Daten - wie zur Vorhersage von Grippewellen oder Arbeitslosenquoten - Möglichkeiten einer sinnvollen Verarbeitung aufzeigen, erklärte Kay Oberbeck. "Wir verdienen damit kein Geld. Wir zeigen, wie wichtig Informationen und Daten für die Welt sind und wollen klar machen, was man mit diesen Daten machen kann."
Das Bestreben Googles um den Umgang mit Datenschutz fußt bei all diesen Projekten laut Meyerdierks auf einem einfachen Prinzip: "Wenn man den Nutzer in den Mittelpunkt stellt, wird sich der Rest von alleine ergeben." Alles was User verwenden können und wollen, wird sich demnach durchsetzen. Und zu den Befürchtungen, was Google mit all den gesammelten Daten theoretisch anstellen könnte, meint Techniker Wieland Holfelder nur soviel: "Es ist schwierig, gegen das zu argumentieren, was man nicht tut."