Google hat bereits zehn Millionen Bücher gescannt

29.07.2009

Der US-Suchmaschinenkonzern Google hat für seine umstrittene Büchersuche bereits zehn Millionen Bücher gescannt, und will die darunter befindlichen urheberrechtlich geschützten Texte in Hinkunft am US-Markt in Zusammenarbeit mit den Rechteinhabern kommerziell verwerten. Dies sagte Annabella Weisl, die Google Managerin Buchsuche für den deutschsprachigen Raum, bei einem Pressetermin in München.

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Die eingescannten Bücher stammen aus vorwiegend US-amerikanischen Bibliotheken oder werden (im "Partnerprogramm") von den Verlagen selbst zur Verfügung gestellt. Urheberrechtlich geschützte Texte sollen in einer ersten Phase der Verwertung in den USA gegen einen kostenpflichtigen Online-Zugang im Volltext zugänglich gemacht werden, wenn der Rechteinhaber zustimmt, so Weisl.

Mit dem Einscannen von urheberrechtlich geschützten Büchern aus US-Bibliotheken, ohne sich vorher auf Nutzungsrechte zu einigen, hat Google harsche Kritik von US-amerikanischen und internationalen, auch österreichischen Autoren auf sich gezogen. Durch einen Vergleich ("Google Book Settlement") mit US-Autoren- und Verlegerverbänden, der im Oktober von einem US-Gericht endgültig abgesegnet werden soll, könnten die Rechte an den Büchern nun für die USA geklärt werden. Außerhalb der USA sind die umstrittenen Buch-Scans derzeit nicht abrufbar, die Buchsuche liefert gemeinfreie Bücher und Scans aus europäischen Bibliotheken als Ergebnisse. Daher verstoße Google auch "nicht gegen europäisches Urheberrecht", so Annette Kroeber-Riel, European Policy Counsel Deutschland/Österreich/Schweiz bei Google. Ob und wann die Buchsuche auch in Europa vollständig angeboten werden wird, sei derzeit nicht klar, so Weisl.

"Google respektiert natürlich das Urheberrecht"

Obwohl "Google natürlich das Urheberrecht respektiert" (Weisl), fühlen sich viele internationale Autoren von der Vorgehensweise überrumpelt. Im deutschsprachigen Raum wollen Autoren und Verleger gemeinsam gegen die Bedingungen des Vergleichs vorgehen. Man wolle jedoch mit dem "heiß diskutierten Settlement" Rechteinhabern vielmehr die Möglichkeit geben, "ihre Urheberrechte online besser verwirklichen können", betonte Kroeber-Riel. Rechteinhaber seien zu jedem Zeitpunkt berechtigt, ein bestimmtes Zugangsmodell zu ihren Texten "freizuschalten oder zu blockieren". Von urheberrechtlich geschützten Werken aus den US-Bibliotheken, worunter naturgemäß auch viele europäische fallen, sind derzeit lediglich drei kurze Schnipsel abrufbar, nicht jedoch der Volltext. Dieser kann aber durchsucht werden - was für viele Autoren über den urheberrechtlich geschützten "Fair use" hinausgeht.

Obwohl dies noch zu Beginn der Scan-Initiative vom Unternehmen verneint wurde, will Google die eingescannten Werke auch über die Werbeeinnahmen hinaus wirtschaftlich verwerten. "Situationen verändern sich", so Weisl auf Nachfrage der APA, "dass dieser Vergleich geschlossen wird, hat vor vier Jahren niemand wissen können". Als ersten Schritt soll es nach Gültigwerden des Vergleiches einen kostenpflichtigen Online-Zugang geben, bei dem der Rechteinhaber selbst den Preis bestimmen soll, so Weisl zur APA. Weitere Details etwa zum Aufteilungsschlüssel der Einnahmen zwischen Google und Rechteinhaber seien "noch nicht final". Dieser orts- und geräteunabhängige Zugang zu Texten (das Buch soll nicht wie ein E-Book heruntergeladen, sondern online genutzt werden), sei "sehr Google-affin". Pläne für eine darüber hinausgehende Nutzung als downloadbares E-Book oder Print-On-Demand gebe es "derzeit" keine, obwohl das Settlement "Möglichkeiten zur zusätzlichen Nutzung umfasst", wie Weisl bestätigt.

Angesichts der anhaltenden Kritik europäischer Autoren und Autorenvertreter gesteht Google-Pressesprecher Stefan Keuchel auf Nachfrage der APA zu, dass der US-Konzern bei der öffentlichen Kommunikation seiner Vorhaben "offensiver und besser kommunizieren" hätte sollen. Die Website zum US-Vergleich (http://www.googlebooksettlement.com) ist "für Normalsterbliche schwer zu verstehen". Dass überhaupt ein Vergleich geschlossen wurde, bedeute nicht, dass Google Recht gebrochen habe. Es sei aber "nicht klar, wie so ein Gerichtsverfahren ausgegangen wäre", so Keuchel in Hinblick auf den Rechtsstreit zwischen US-Autoren und Google. "Wir haben größeres Interesse daran gehabt, uns zu einigen, als jahrelang vor Gericht zu stehen und in der Zwischenzeit untätig sein zu müssen." Ob der Vergleich im Oktober endgültig geschlossen werden kann, hänge auch von den kartellrechtlichen Bedenken ab, die derzeit in den USA noch überprüft werden müssen. Ist eine derartige Überprüfung noch im Gange, so muss der "Termin möglicherweise verschoben werden", so Kroeber-Riel.

Für Bandion-Ortner "nicht unproblematisch"

Google hat sich mit seiner Vorgehensweise international harsche Kritik eingehandelt. Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) hat jüngst in einer Anfragebeantwortung gewisse Aspekte als "nicht unproblematisch" bezeichnet und eine Überprüfung der rechtlichen Vorgehensweise durch die EU-Kommission angeregt. Das österreichische Urheberrecht würde eine Teilnahme heimischer Bibliotheken am Google-Bibliotheksprogramm nicht erlauben. Erst nachdem der US-Suchmaschinenkonzern mehrere Millionen Bücher eingescannt hat, hat Google einen Vergleich mit der US-"Authors Guild" und der Association of American Publishers geschlossen, der nun im Oktober von einem US-Gericht endgültig abgesegnet werden soll. Dieser soll eine nachträgliche Vergütung der bisherigen Nutzung von 60 Dollar pro Buch und eine künftige Gewinnbeteiligung von 63 Prozent der Erlöse für Autoren bringen, wenn ihre Bücher etwa bei der Buch-Suche Googles Werbeeinnahmen generieren.

Beim Vergleich geht es in der Hauptsache um jene Bücher, die noch urheberrechtlich geschützt sind, aber in den USA nicht mehr lieferbar. Dieses "Google Book Settlement" wird aufgrund des US-Rechtssystems auch für europäische Autoren gelten. Und auch hier wieder muss Google nicht die Autoren um Erlaubnis fragen, sondern die Autoren selbst müssen ihre Ansprüche gegenüber Google aktiv geltend machen. Dies sorgt u.a. auch in Österreich für Missfallen bei den Autorenverbänden, obwohl die Gültigkeit des Vergleiches örtlich auf die USA beschränkt ist.

Und das "Google Book Settlement" hat es daher auch ins österreichische Parlament geschafft: Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) hat zu Beginn der Woche in einer Anfragebeantwortung auf die EU-Urheberrichtlinie hingewiesen und betont, dass es darin "keinen Ausnahmetatbestand" gibt, "der eine massenhafte Digitalisierung, wie von Google vorgenommen, decken würde". EU-Recht wäre aber erst dann anzuwenden, wenn Google die eingescannten urheberrechtlich geschützten Werke innerhalb der EU nützt. Dies ist derzeit nicht der Fall: Über die europäischen Zugänge zur Google-Buchsuche sind derzeit nur Werke aus dem sogenannten Partnerprogramm zugänglich, bei diesen sind die Nutzungsrechte bereits geklärt, bestätigt ein Google-Sprecher in München. Google würde "nie" urheberrechtlich geschützte Werke in der EU scannen, ohne dass die Rechte zuvor geklärt sind, sagte Annabella Weisl, Google Managerin Buchsuche für den deutschsprachigen Raum.

"Nötigung" europäischer Rechteinhaber

Bandion-Ortner sieht es darüber hinaus aber als "nicht unproblematisch" an, dass "aufgrund der Besonderheiten des US-amerikanischen Prozessrechts europäische Rechteinhaber genötigt sind, Erklärungen abzugeben, wenn sie das Recht nicht verlieren wollen, gegen bestimmte Nutzungen durch Google gerichtlich vorzugehen". Denn wer bis 4. September nicht Ansprüche bei Google meldet, hat dieses Recht verwirkt, hat die IG Autorinnen Autoren jüngst in einer Aussendung betont.

Die Justizministerin streicht nun hervor, dass in der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst in Artikel 5 geregelt ist, dass der Genuss und die Ausübung von Urheberrecht "nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden" ist. Die Berner Übereinkunft gilt für Mitglieder der Welthandelsorganisation auch dann, wenn diese die Übereinkunft nicht unterzeichnet haben. Bandion-Ortner würde es daher "begrüßen, wenn die für die WTO zuständige Generaldirektion 'Handel' der Europäischen Kommission in Hinblick auf diese Umstände prüfte, ob die USA ihren Verpflichtungen nach dem TRIPs-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, Anm.) nachkommen". Google stehe einer derartigen Überprüfung "offen" gegenüber und sei jederzeit bereit für Gespräche, sagte Weisl zur APA.

Bandion-Ortner weist darauf hin, dass das österreichische Urheberrecht zwar den heimischen Bibliotheken eine Digitalisierung ihrer Bestände "für den eigenen Gebrauch" erlauben würde. "Eine Digitalisierung zugunsten der Online-Plattform Google ließe diese Bestimmung meines Erachtens aber nicht zu", heißt es in der Anfragebeantwortung. Für Kritik sorgt auch die Google-Auffassung von "nicht lieferbar": "Wenn ein Buch, das in Österreich regulär erscheint, in den USA keine relevanten Vertriebswege hat, gilt das als nicht lieferbar und kann daher Volltext angeboten werden", so IG Autorinnen Autoren-Chef Gerhard Ruiss im Frühling in einem APA-Interview. Ruiss rät den österreichischen Autoren, sich kollektiv über die Verwertungsgesellschaft Literar-Mechana gegenüber Google vertreten zu lassen. Ein dahingehender Auftrag an die Literar-Mechana sei aber nur noch bis 10. August möglich, so Ruiss jüngst in einer Aussendung.

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