Für Österreich gab es erst vor wenigen Tagen Entwarnung.
Deutschlands größte Drogeriekette Schlecker, die auch in Österreich mit 970 Filialen vertreten ist, steht vor der Pleite. Das Geld reicht nicht mehr für den groß angelegten Umbau, der den seit Jahren defizitären Branchenriesen retten soll. Eine Zwischenfinanzierung für die anstehende Sanierung sei gescheitert, teilte das Unternehmen aus Ehingen bei Ulm am Freitag mit. Nun solle Schlecker über einen Insolvenzplan wieder auf die Beine gestellt werden. "Ziel ist der Erhalt eines großen Teils des Filialnetzes und damit auch der Arbeitsplätze", versicherte die Kette. In Summe beschäftigt Schlecker rund 47.000 Personen, über 30.000 in Deutschland, rund 3.000 in Österreich.
3.000 Jobs in Österreich
Nach dem Insolvenzantrag übernimmt die deutsche Arbeitsagentur die Löhne für bis zu drei Monate. Der Geschäftsbetrieb laufe "unverändert weiter, und auch die Zahlung der Mitarbeitergehälter (...) ist gesichert", teilte Schlecker mit. Der "Weg der Restrukturierung" solle fortgesetzt werden. Was mit den Beschäftigten in Österreich passiert, ist noch nicht klar. In der Gewerkschaft rauchen die Köpfe. Karl Proyer, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp), konnte auf APA-Anfrage noch nichts sagen. "Wir sind dran", sagte er und vertröstete auf später. Bei Schlecker selbst war für die APA noch niemand für eine Stellungnahme erreichbar.
Wenig Chancen auf Fortbestand
Experten sehen für die Drogeriekette kaum Chancen auf einen Fortbestand. Ein Zerschlagungsszenario erscheint am wahrscheinlichsten. "Um so einen Laden umzudrehen, müssen Sie einen sehr langen Atem haben", hieß es. Schlecker habe allerdings weder einen guten Namen, noch gute Standorte. "Vielleicht findet sich trotzdem ein Abenteurer, der das kauft. Aber ich kann es mir nicht vorstellen", so ein Experte, der nicht genannt werden möchte.
Schlecker schreibt seit 2008 Verluste und hatte in den vergangenen eineinhalb Jahren Hunderte Filialen in Deutschland geschlossen - und andere modernisiert. Allein im ersten Quartal 2012 stünden rund 600 unrentable Läden in Deutschland auf der Kippe, hatte es zuletzt im Schlecker-Umfeld geheißen. Konkurrenten wie dm oder Rossmann hatten Schlecker mit seinem Billig-Image und den vielfach verwinkelten, mit wenig Personal besetzten Filialen immer stärkere Konkurrenz gemacht. Zuletzt hieß es, der frühere Edeka-Chef Alfons Frenk solle neue Geldgeber suchen, die den Umbau finanzieren sollten. Doch Finanzinvestoren zögerten.
Erst vor drei Tagen hatte Schlecker-Sprecher Patrick Hacker auf APA-Nachfrage gemeint, Österreich sei von der aktuellen Schließungswelle nicht betroffen. "Innerhalb des Konzerns ist die Situation in Österreich vorbildlich", sagte er. Schlecker-Geschäftsführer Lars Schlecker hatte das Geschäft in Österreich im Dezember als "absolut profitabel" bezeichnet.
Der Firmengründer Anton Schlecker hatte 1965 den ersten Selbstbedienungsladen eröffnet. Ab 1974 setzte Schlecker dann auf den Diskont-Markt - bereits 1977 betrieb er 100 solcher Läden. 1984 waren es bereits über 1.000, 1987 folgte die Expansion ins Ausland. Zugleich geriet das Unternehmen immer wieder wegen der Arbeitsbedingungen und der niedrigen Löhne mit der Gewerkschaft Verdi in Konflikt.
Anton Schleckers Kinder Lars und Meike übernahmen 2010 die Führung. Ein Jahr später verkündeten sie, die Kette neu erfinden zu wollen - denn "niedrige Preise bei Drogerieartikeln findet der Kunde heute überall". Nun wolle Schlecker dafür sorgen, "dass unsere Kunden sich bei uns wohlfühlen", neu gestaltete Filialen sollten her. Doch die Berichte über finanzielle Schwierigkeiten häuften sich.
Der Vorsitzende des Verbandes der Insolvenzverwalter (VID), Christoph Niering, sieht hausgemachte Strukturprobleme als Grund für die Schieflage. "Andere Drogerieketten stehen viel besser da und gewinnen Marktanteile." Eine Sanierung halte er für schwierig. "Schlecker hat ein dramatisches Imageproblem, gleichzeitig gibt es starke Konkurrenten", sagte Niering. Die Insolvenz verschaffe dem Unternehmen aber erst einmal Luft.
In der Handelsbranche wurde die Nachricht wenig überrascht aufgenommen. "Auf dem Drogeriemarkt herrscht ein harter Wettbewerb. Schlecker hat schon seit langem restrukturiert, aber offensichtlich nicht erfolgreich", sagte ein Handelsexperte, der nicht genannt werden wollte. Schlecker unterscheide sich von den Hauptkonkurrenten Rossmann und dm durch seine schiere Größe. Schlecker sei sogar in kleinen Orten vertreten, während sich die Wettbewerber auf zentrale Lagen konzentrierten. "Die haben dann eine ganz andere Kundenfrequenz", erläuterte er. Außerdem leide Schlecker unter den Negativ-Schlagzeilen. "Der Umgang mit den Mitarbeitern kam in der Öffentlichkeit nicht gut an."