Karrieresprung

Ederer wird Europachefin bei Siemens

04.05.2010

Brigitte Ederer wird ab 1. Juli in den Vorstand des Münchener Siemens-Konzerns berufen. Sie soll mit der Leitung des Personalressorts und der Region Europa betraut werden. In Verbindung mit ihrer künftigen Funktion wird sie auch den Aufsichtsratsvorsitz der Siemens AG Österreich übernehmen. Dies soll bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 9. Juni 2010 beschlossen werden.

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In zwei Monaten ist die Wienerin Brigitte Ederer Chefin von gut 400.000 Mitarbeitern weltweit. Damit ist die mächtigste Geschäftsfrau Österreichs und ehemalige Wiener Lokal- und SPÖ-Europapolitikerin in die globale Top-Liga der Firmenlenkerinnen aufgestiegen.

Wer ihr an der Vorstandsspitze in Österreich nachfolgt, ist noch offen, soll aber in den nächsten Wochen geklärt werden, hieß es von Siemens Österreich. Ederer löst in München Siegfried Russwurm ab, der wiederum in die Industriesparte von Siemens wechselt und dort Heinrich Hiesinger ablöst, der ThyssenKrupp-Chef wird. Ederer wäre die zweite Frau in der Führungsspitze neben der für den Einkauf zuständigen Barbara Kux. Ederer wollte sich zu ihrem neuen Job nicht äußern, das werde erst nach dem Wechsel nach München der Fall sein, so Pressesprecher Harald Stockbauer.

"Eine Bank mit angeschlossenem Elektroladen" - so wird Siemens oft betitelt. Die Münchner verfügen traditionell über ausgezeichnete Kontakte zur Politik und damit zu Staatsaufträgen, mussten aber in der jüngeren Vergangenheit eine deutliche Imagedelle hinnehmen. Das Unternehmen stand im Zentrum einer Schmiergeldaffäre, deren Spuren auch nach Wien führten. Die leidige Angelegenheit beschäftigt Siemens nun schon seit dem Jahr 2007, erst kürzlich wurden zwei Manager zu bedingten Strafen verurteilt.

Eine weitere Baustelle ist der Personalabbau in der Softwaresparte SIS des Technologiekonzerns. Die Streichung von 4.200 Arbeitsplätzen soll die Sparte mit einem Jahresumsatz von zuletzt 4,7 Mrd. Euro auf den endgültigen Abschied vorbereiten, wie das Unternehmen kürzlich mitteilte. In Österreich werden 1.500 Jobs ausgegliedert. Dies hat in der Vergangenheit zu heftigen Protesten der Belegschaft geführt, derzeit schwelt der Konflikt dahin. Für Ederer besonders unangenehm, gehörte sich doch viele Jahre der Spitze der Sozialdemokratie an. Die Vorzeigemanagerin wurde seit ihrem Wechsel in die Privatwirtschaft für mehrerer Top-Jobs gehandelt, unter anderem auch als ÖBB-Chefin.

Die Münchner sind in drei Sektoren aktiv: Gesundheit, Energie und Industrie. Mehr als die Hälfte des Umsatzes von insgesamt 77,3 Mrd. Euro (2008) wird in der Region Europa, GUS, Afrika erzielt. Für heuer erwartet Siemens im 1. Quartal einen rückläufigen Auftragseingang und einen stabilen Gewinn. Insbesondere das Neugeschäft mit Kraftwerks-und Energietechnik laufe derzeit zäh. Die Erlöse würden vor allem von der Medizintechnik und dem hohen Auftragsbestand in der Energietechnik stabilisiert. Zudem erhole sich das Industriegeschäft teilweise.

Die heute 54-jährige Brigitte "Gitti" Ederer, die ab 1. Juli 2010 im Siemens-Konzern die Personalagenden und die Betreuung der Region Europa leiten soll, hat den größten Teil ihrer Karriere nicht in der Wirtschaft, sondern in der Politik absolviert. Als Europa-Staatssekretärin im Kabinett von Franz Vranitzky war die SPÖ-Politikerin bei den Verhandlungen um Österreichs EU-Beitritt dabei und warb erfolgreich für den Beitritt. Nun soll sie im deutschen Siemens-Konzern die Personalagenden übernehmen und als Chefin für das Europageschäft fungieren.

Ihre Politkarriere begann Ederer in der SPÖ. Nach eineinhalb Jahren als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und vier Jahren als Finanzstadträtin der Stadt Wien im Team von Bürgermeister Michael Häupl wechselte Ederer schließlich von der Politik in die Wirtschaft, wo sie seit Jänner 2001 als Vorstandsmitglied der Siemens AG Österreich tätig ist. Mitte Dezember 2005 folgte Ederer Generaldirektor Albert Hochleitner nach und übernahm den Vorstandsvorsitz der Siemens Österreich AG. Nun soll die Ex-Politikern in die Münchner Zentrale des deutschen Technologiekonzerns wechseln und zudem Aufsichtsratschefin von Siemens Österreich werden. Den Karrieresprung Ederers soll die für 9. Juni anberaumte Siemens-Aufsichtsratsversammlung absegnen.

Ederer wurde am 27. Februar 1956 in Wien geboren. Bereits in der Schulzeit war sie Funktionärin der Sozialistischen Jugend, ihr Studium der Volkswirtschaft schloss sie 1980 mit dem Magisterium ab. An der Universität arbeitete sie im Verband Sozialistischer Studenten mit, seit Mai 1977 war sie Angestellte der Arbeiterkammer Wien. Ende März 1992 wurde sie von Vranitzky als vierte Frau in der Regierung als Integrationsstaatssekretärin ins Kabinett geholt. Dem Nationalrat gehörte Ederer seit Juli 1983 bis zu ihrem Wechsel in die Regierung und dann wieder nach ihrem Ausscheiden an.

Ihr größtes politisches Erfolgserlebnis als Integrationspolitikerin hatte Ederer mit der überwältigenden Zustimmung der Bevölkerung zum EU-Beitritt bei der Volksabstimmung am 12. Juni 1994, als sich mehr als 66 Prozent der Österreicher für einen EU-Beitritt aussprachen. Zu dem von der damaligen EU-Staatssekretärin Ederer versprochenen "Tausender", wonach sich jede österreichische Familie durch den Beitritt im Monat 1.000 Schilling (73 Euro) erspare.

Neben dem in der heimischen Politik sprichwörtlich gewordenen "Ederer-Tausender" bleibt von der Phase der Heranführung Österreichs an die EU auch das "Busserl" des damaligen Außenministers Alois Mock (ÖVP) für seine Regierungskollegin in Erinnerung, das Mock der verdutzten Ederer nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen mit Brüssel auf die Wange drückte. Bei der Unterzeichnung des EU-Vertrags in Korfu fehlte Ederer allerdings - ein Umstand, der die seit Jahren um die Europaintegration bemühte Politikern damals "kurz ein bisschen betroffen" gemacht hatte. Nach der erfolgreichen EU-Volksabstimmung marschierte sie als Einlösung einer verlorenen Wette zu Fuß nach Mariazell.

Die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt (Von April 1992 bis Oktober 1995) schaffte trotz guter Popularitätswerte nie den Sprung in ein Ministeramt. Manchmal hatten Beobachter den Eindruck, dass sie trotz guter Leistungen als Frau in der männerdominierten Parteipolitik zu oft in der zweiten Reihe gelassen wurde. Im Oktober 1995 wechselte sie von der Regierung in die SPÖ-Zentrale in der Löwelstraße als Bundesgeschäftsführerin, im Jänner 1997 kam es zu einem weiteren Umzug ins Wiener Rathaus, wo sie bis Dezember 2000 als amtsführende Stadträtin für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke tätig war.

Ein Angebot von Siemens Österreich für einen Vorstandssessel hatte die studierte Volkswirtin Ederer dann zum Wechsel in die Privatwirtschaft bewogen. Ab 1. Jänner 2001 war sie im Vorstand für die Agenden Bauelemente und Sondertechnik, Produktions- und Logistiksysteme, Medizintechnik, Anlagenbau und Siemens Building Technologies zuständig. Im November 2003 wurde ihr Vorstandsvertrag um weitere drei Jahre verlängert.

Anfang Juni 2005 gab Brigitte Ederer ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem EU-SP-Abgeordneten Hannes Swoboda, das Ja-Wort. Ederer ist kinderlos: "Kinder sind sich nie ausgegangen. Das ist der Preis, den ich für den Job gezahlt habe", sagte sie in Interviews.

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