In die Energieversorgung Europas werden immer mehr erneuerbare Quellen eingebunden. Das System wird differenzierter und intelligenter, die Umweltbelastung wird eingebremst, aber die Energiekosten werden dadurch steigen. Alternative Quellen bleiben weniger effizient und berechenbar, zeigte eine Diskussion im Rahmen des Forum Alpbach in Innsbruck.
In Deutschland entfallen bereits 30 % der installierten Leistung für die
Stromproduktion auf erneuerbare Energiequellen wie Wind oder Solar. Da diese
aber nicht permanent zur Verfügung stehen, kamen nur 11 % des tatsächlich
produzierten Stroms aus diesen Quellen, sagte Matthias Dürr vom deutschen
Energieriesen RWE.
Um aufzufangen, dass etwa Wind ganz unregelmäßig
weht, seien die Großkraftwerke inzwischen sehr flexibel. Ein modernes
Braunkohlekraftwerk kann seine Leistung in 15 min um 75 % zurückfahren, ein
Atomkraftwerk um 50 %.
Trotzdem dürfe man nicht übersehen: Ein Atomkraftwerk mit 1 GW Leistung produziert etwa 7.500 GWh Strom im Jahr, ein Photovoltaikkraftwerk nur 1.000 GWh. In Deutschland komme noch dazu, dass die neu installierte Leistung von Windkraftanlagen im Norden des Landes stehe, während der größte Stromverbrauch im Süden anfalle, was noch Transport- und Verteilungsprobleme aufwerfe. "Die Herausforderung schlechthin", so Dürr.
"Energie muss teurer werden"
"Energie wird teurer und muss auch teurer werden" sagt Josef Plank, früher NÖ-Landesrat und jetzt Geschäftsführer der Renergie, der Raiffeisen-Gesellschaft für erneuerbare Energie. Erneuerbare Energieträger brauchen vorerst Förderungen, aber auch so werde der Preis für Öl und Gas stabilisiert.
Denn ohne Alternativenergien wäre die Nachfrage nach kohlebasierten Produkten entsprechend höher, was sich auf den Preis auswirken würde. Und wer jetzt Förderungen für Alternativenergien kritisiert, dürfe nicht vergessen, dass auch die alten Kraftwerke früher in strikt regulierten Märkten und ohne Konkurrenzdruck des Marktes gebaut wurden.
"Wir bewegen uns in eine teure Energiezukunft" sagte auch Christine Berg, in der EU-Kommission Leiterin der Beobachtungsstelle für Energiemärkte. Das müsse man auch den Bürgern nahebringen. Bisher seien alternative Quellen mit Förderungen weitergebracht worden, aber es könne auf Dauer nicht so sein, dass "die Bewohner des Gemeindebaus mit ihren Steuern den Bau von Solaranlagen auf Einfamilienhäusern subventionieren".
Zugleich führe kein Weg darum herum, dass "wir von fossilen Brennstoffen wegkommen müssen". Die Bürger müssten eingebunden werden und mögliche Nachteile aus dem Umstieg mittragen - darunter auch den Bau von Hochspannungsleitungen, um bei unregelmäßiger und regional ungleich verteilter Stromproduktion einen Ausgleich zu ermöglichen. Der neue EU-Energiekommissar Günther Oettinger werde ab Frühjahr die Energiestrategie überprüfen und 2011 neue Maßnahmen vorschlagen, erinnerte sie.
Nabucco im politischen Clinch
Weiters steht der Zugang zu Erdgas derzeit im Mittelpunkt der strategische Diskussionen zur Energieversorgung Europas. Der von der OMV federführend betriebene Bau der Pipeline Nabucco von der Osttürkei bis nach Baumgarten in Niederösterreich ist darin ein zentraler Baustein. Wirtschaftliche, strategische und politische Interessen sind dabei eng verwoben, zeigte die Diskussion weiter.
Der Bau von Nabucco soll 8 Mrd. Euro kosten und bis 2014 abgeschlossen sein, erinnerte Christian Dolezal, Sprecher der Nabucco-Gesellschaft. Das Interesse sei hoch, aus Aserbaidschan, Turkmenistan und dem Nordirak, wo sich die OMV und die ungarische MOL zuletzt an Gasfeldern beteiligt haben, werde es genug Gas geben, um die Leitung auszulasten. Und Europa werde dadurch von Russland weniger abhängig.
Verliert Russland das Vertrauen?
Aber die Unabhängigkeit von Russland hat eine Kehrseite: Durch die anhaltende Diskussion und den Bau von Nabucco könnte Russland das Vertrauen verlieren, dass Europa ein verlässlicher Abnehmer seiner Gasvorkommen ist, warnte Gerhard Mangott, Professor an der Uni Innsbruck. Derzeit kann Russland sein Gas über Pipelines nur nach Europa bringen. Aber die alten Gasfelder, aus denen Europa derzeit beliefert wird, neigen sich dem Ende zu. Wenn Russland nun mit hohen Investitionen neue Felder erschließt, könnten künftige Pipelines nach China statt nach Europa ausgerichtet werden, sodass Europa von diesen Gasquellen abgeschnitten wird.
Ein Nabucco-Skeptiker ist auch Mesut Yilmaz, ehemaliger türkischer Premier und nun Abgeordneter im türkischen Parlament. Wenn nächste Woche im türkischen hohen Haus abgestimmt wird, werde es wohl eine Mehrheit für den Nabucco-Vertrag geben, erwartet er, denn die regierende AKP hat genug Sitze dafür. Aber die EU müsse Nabucco massiv fördern, damit sich das Projekt rechnet. "Die EU muss ähnliche Absicherungen geben wie China" fordert er.
Kein Kampf mit China
Dem widerspricht Berg. Es dürfe nicht zu einem "Förderwettkampf mit China" kommen. Die EU müsse den Zugang zu den Quellen in Ländern wie Turkmenistan oder Aserbaidschan "zu Marktbedingungen" bekommen. Und allenfalls sich auch an den Gedanken gewöhnen, dass es Erdgaspipelines gibt, deren Kapazität nicht zur Gänze genutzt wird.
Yilmaz weist auch darauf hin, dass Turkmenistan sein Gas mehrfach verkauft habe und für Europa wohl nichts übrig bleiben werde. Turkmenistan hat Ende 2009 Pipelines in den Iran und nach China eröffnet. Ohne Gas aus dem Iran, das die weltweit zweitgrößten Reserven habe, sei daher Nabucco sinnlos, sagt Yilmaz, dessen Heimatland von dort 6 Mrd. Kubikmeter Gas bezieht.
Aus politischen Gründen gibt es aber keine Verhandlungen zwischen Nabucco und dem Iran. Ob iranisches Gas allenfalls über Zwischenhändler in Nabucco einfließt bleibt aber offen. Jedenfalls ist der Iran derzeit noch kein Nettoexporteur, bezieht das Land doch etwa so viel Gas aus Turkmenistan wie es in die Türkei liefert.
OMV-Gas&Power-Vorstand Werner Auli hat erst diese Woche gesagt, alleine mit Erdgas aus dem aserbaidschanischen Schah-Deniz-Feld im Kaspischen Meer und aus dem Nordirak würde sich die geplante Gaspipeline Nabucco für die Betreiber wirtschaftlich rechnen. Gebaut werde die Pipeline aber nur, wenn es im Rahmen des für heuer geplanten Open-Season-Verfahrens genug Interessenten für Verträge mit einer Laufzeit von jeweils 20 Jahren gebe.