EZB schafft heimlich Milliarden nach Athen

05.03.2010

Not macht erfinderisch: Während die EU Defizitsünder Griechenland zum schmerzhaften Gesundsparen verdonnert hat und nicht einen Euro nach Athen überweist, hilft die EZB wo sie kann - effektiv und geräuschlos.

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Offiziell darf die EZB die Griechen nicht aus dem Schulden-Sumpf zerren, da ihr die Finanzierung von Euro-Mitgliedsländern untersagt ist. Doch um die Misere des Landes zu beenden und das Restrisiko eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone zu minimieren, ist die EZB jetzt kreativ geworden: Sie erhält ihre 2008 wegen der globalen Finanzkrise begonnene Rundumsorglos-Versorgung des Finanzsystems länger aufrecht als erwartet und verschafft den Banken damit mehr Luft - vor allem den griechischen.

Noch mindestens bis Mitte Oktober können die Institute Woche für Woche bei der EZB in Frankfurt vorstellig werden und Geld zum rekordniedrigen Festzins von einem Prozent bei ihr abholen - egal wie viel sie auch wollen. "Das ist der Preis, den die EZB für die Krise in Griechenland zahlt", war die erste Reaktion von ING-Analyst Carsten Brzeski im Interview mit Reuters TV auf die überraschende Ankündigung von Notenbank-Chef Jean-Claude Trichet.

Überraschend war nicht, dass Trichet Europas Banken weiter unter die Arme greift, sondern wie lange er bereit ist, dies noch zu tun. Unterm Strich sind das viele Milliarden Euro für Athen.

Zwar drosselt die EZB schon jetzt bei länger laufenden Refinanzierungsgeschäften den in der Krise angeschwollenen Geldfluss, der Haupthahn für die Liquiditätsversorgung - Geld von Woche zu Woche - bleibt jedoch offen. Das Kalkül: Die in der Finanzkrise gestarteten Nothilfen für die taumelnden Banken in Frankfurt, Paris, Dublin oder Amsterdam helfen auch als billige Euros in Athen und Thessaloniki. Denn ohne funktionierende Geldhäuser sind kein Staat und keine gesunde Volkswirtschaft zu machen - auch nicht im Südosten der Währungsunion.

Doch Trichet tut noch viel mehr für Athen - mit und ohne Worte: Fast schon auffällig lobte der Zentralbank-Chef am Donnerstag Griechenland für seine Sparanstrengungen. Und fast ebenso auffällig und beharrlich verweigerte Europas oberster Währungshüter sich auf Fragen von Journalisten zu antworten, ob die EZB denn bei ihrer harten Linie bleiben wird und Anfang 2011 zu ihren alten strikten Anforderungen für die Akzeptanz von Sicherheiten zurückkehrt. Die Sicherheiten - oft Staatsanleihen - müssen Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegen, wenn sie sich frische Liquidität besorgen wollen.

Und genau hier könnte es zum Jahreswechsel eng werden für die Griechen. Wenn die Ratingagenturen dem Land weiterhin misstrauen und ihre Bonitätsnoten nicht wieder anheben, sind griechische Staatsanleihen ab dem 1. Jänner für die EZB nicht mehr akzeptabel. Die am Donnerstag druckfrisch am Finanzmarkt platzierte griechische Anleihe wäre trotz reißenden Absatzes nur noch die Hälfte wert. Trichet muss alles tun, um das zu verhindern. Noch im Februar war es für ihn "kristallklar", dass die EZB bei ihrer harten Linie bleibt. Nur einen Monat später schweigt Trichet vielsagend - und reizt damit zur Spekulation.

Die Devisenanalysten der Commerzbank bringen es auf den Punkt: "Das weckt natürlich den Verdacht, er könnte nicht mehr dazu stehen. Wenn aber die EZB in diesem Punkt ihre Prinzipien aufgeben sollte, würde klar, dass sie plötzlich aufgrund der Griechenlandkrise Regeln über Bord zu werfen bereit wäre."

Die Folgen für die Glaubwürdigkeit der EZB und das Vertrauen der Finanzmärkte in den Euro könnten Schaden nehmen - vom Vertrauen der Menschen in Euro-Land ganz zu schweigen. Nicht so weit gehen will Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg: "Die EZB will sich den Rücken freihalten. Alles andere ist pure Spekulation."

Spekuliert wird nach der jüngsten Zinsentscheidung der EZB auch darüber, wie lange die Notenbanker noch am Ultraniedrigzins von einem Prozent festhalten. Mehr und mehr Experten erwarten die Zinswende inzwischen nicht mehr in diesem, sondern erst Anfang kommenden Jahres; darunter Schwergewichte wie Goldman Sachs und die Commerzbank.

Die Konjunkturerholung bleibt auf absehbare Zeit holprig und Inflationsgefahren sind nicht in Sicht - Zinserhöhungen sind unnötig, lautet die Gleichung der Experten. Trichet hat am Donnerstag nicht ein Sterbenswörtchen gesagt, das dem widerspricht. Auch das hilft den Griechen.

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