EU-Vertragsverletzungsverfahren: Deutsche klagte gegen Einheimischen-Vergünstigungen.
In Österreich könnten wegen einer Maut-Entscheidung in einem EU-Vertragsverletzungsverfahren zum Felbertauerntunnel sämtliche Sonder-Maut-Befreiungen fallen, berichtete die "Tiroler Tageszeitung" (Samstag). Durch den Felbertauern zwischen Osttirol und Salzburg fahren die Osttiroler gratis durch, für die übrigen Tiroler, aber auch Autos aus Teilen Kärntens und Salzburgs, gibt es einen günstigeren Preis. Neben Pkw gelten unterschiedliche Tarife zudem für Lkw und Busse, die heimische Wirtschaft kommt günstiger davon als der Rest. Eine ähnliche Regelung gilt am Brenner, wo Wipp- und Stubaitaler mit dem Vignettenabschnitt keine Brennermaut zahlen müssen, Lkw und Busse erhalten dort aber keine Begünstigungen.
Deutsche Lenkerin klagte
Gegen die Maut-Begünstigungen am Felbertauern hatte eine deutsche Autolenkerin geklagt, die nicht einsehen wollte, dass Pkw-Lenker mit einem "LZ"-Kennzeichen (für Lienz in Osttirol) nichts zahlen müssen, die übrigen Tiroler aber 8 Euro und der Rest der Welt sogar 10 Euro. Ein Innsbrucker Rechtsanwalt, Thaddäus Schäfer, schloss sich der Klage an. Bis 2. Oktober hatte Österreich - also das Bundeskanzleramt - Zeit, sich eine Argumentationslinie zurechtzulegen. Allzu zuversichtlich, dass die Mautregelung hält, sind Experten der "TT" zufolge allerdings nicht.
Geht das EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich aus, könnte das weitreichende Folgen haben: Alle abgestuften Tarife, die eine Begünstigung von Anrainern oder Einheimischen vorsehen, könnten gekippt werden - von der einfachen Mautstraße in Gemeindehand über das Schwimmbad bis hin zur Liftkasse. Dort dürften laut EuGH gemäß der seit 2006 geltenden EU-Dienstleistungsrichtlinie eigentlich keine gesonderten Einheimischen-Tarife mehr erhältlich sein, in Österreich haben sich viele Liftbetreiber damit "beholfen", dass sie die Tarife einfach nicht ausschildern, so die Zeitung. Einheimischen-Tarife gebe es freilich nicht nur in Österreich, sondern vermutlich in jedem EU-Staat.
Bei der Felbertauernstraße AG - sie gehört laut "Firmen Compass" zu 60,46 Prozent dem Bund und zu 36,69 Prozent dem Land Tirol - gibt sich Vorstand Karl Poppeller kämpferisch. "Ich gehe davon aus, dass es weiterhin irgendeine Begünstigung geben wird", sagt er laut "TT". Vor allem für die heimische Wirtschaft könnte es dem Bericht zufolge eng werden. Lkw und Busse aus Oberkärnten, Zell am See und Osttirol zahlen am Felbertauern weniger als die Konkurrenz aus anderen Regionen. Bei schweren Lkw macht das schon einiges aus: Die Osttiroler Wirtschaft zahlt 20 Euro, der Normaltarif liegt bei 80 Euro. Jährlich werden am Felbertauern 8 bis 9 Mio. Euro an Maut eingenommen, 90 Prozent davon durch Pkw. Dass die Osttiroler gratis fahren, kompensiert das Land mit einem Pauschalbetrag.
50:50-Chance
Im Tiroler Landhaus in Innsbruck wird die Chance, dass Österreich mit seinen Mauttarifen durchkommt, auf "Fifty-Fifty" geschätzt, so die "TT". Vielleicht sei die Regelung für Pkw zu retten, für Lkw und Busse sei es ein fast aussichtsloses Unterfangen, würden Experten meinen.
Für Felbertauernstraße-AG-Vorstand Poppeller, der dem Bundeskanzleramt jene Argumente liefert, die die EU-Kommission überzeugen soll, sprechen konkrete Gründe für die speziellen "Anrainertarife", wie sie auf der Homepage genannt werden: "Wir haben uns das ja nicht aus den Fingern gesaugt", wird er im Sonntag-"Kurier" zitiert. So verursache der Verkehr lokal unmessbare Schäden, die die Bevölkerung vor Ort ausbaden müsse, heißt es in den "TT". Und: Die heimische Wirtschaft gelte es zu unterstützen, weil Osttirol äußerst schwer zu erreichen sei - das habe sogar die EU festgestellt. Osttirol sei von der Erreichbarkeit her "nur mit einer griechischen Insel zu vergleichen", so Poppeller im "Kurier". Osttirol sei ein strukturschwaches Gebiet, daher habe es Anreize für die Wirtschaft gebracht.
Zu den Einheimischen-Tarifen für Wipp- und Stubaitaler auf der Brennerautobahn hält Asfinag-Regionalsprecher Alexander Holzedl laut "Kurier" fest, dies sei "die einzige Sondermautstrecke, auf der das der Fall ist". Und im Falle der Tauernautobahn zahle das Land Salzburg den Lungauern eine Jahreskarte.
Österreichs oberster Seilbahner Franz Hörl gibt sich kämpferisch: "Wir werden Einheimischen-Tarife auch weiterhin verwenden", sagt der Obmann des zuständigen WKÖ-Fachverbandes im "Kurier" und sieht sich mit dieser Haltung sowohl im Einklang mit nationalem als auch EU-Recht. "Wenn nötig, werden wir das bis zum Letzten ausfechten."