Faymann: Grüne Energie muss sozial verträglich sein
18.09.2009Bundeskanzler Werner Faymann (S) hat am Freitag (18. September) im Nationalrat darauf gepocht, dass der Ausbau erneuerbarer Energie sozial verträglich bleiben müsse. "Das hat dort Grenzen, wo die Grenze der Belastbarkeit der Haushalte liegt", sagte er in Beantwortung einer Dringlichen Anfrage der Grünen zum Thema "Solarwende" und Ökostrom. Dass die Bundesregierung die Atomenergie für eine Sackgasse halte, sei bei der Regierungsklausur als gemeinsamer Standpunkt verabschiedet worden.
Bereits jetzt würden die Haushalte aus der Förderung des Ökostromgesetzes durchschnittlich mit 33 Euro pro Jahr belastet. Die kommende Woche zum Beschluss anstehende Novelle erhöhe diesen Wert auf 35 bis 36 Euro. Dies etwa durch höhere Einspeistarife für Ökostrom zu verdoppeln, verdreifachen oder gar zu verfünffachen "würde ich für sozial unverträglich halten", sagte der Bundeskanzler in der von den Grünen beantragten Sondersitzung: "Es geht nicht darum, in eine Richtung zu gehen, die sich die Haushalte zum Schluss nicht leisten können. Das hat nichts mit Mut zu tun."
In Forschung und Entwicklung für Solarenergie und Windkraft zu investieren, sei gut investiertes Geld, allerdings nur mittel- und langfristig. Er unterstütze diese Ausgaben, "obwohl ich weiß, dass viele der Projekte, die wir heute finanzieren, rein rechnerisch nicht konkurrenzfähig sind. Aber ihnen gehört die Zukunft."
Der Kanzler verwies darauf, dass Österreich beim Anteil erneuerbarer Energie auf Platz 4 in der EU liege. Mit 34 Prozent habe man sich bis 2020 ein sehr engagiertes Ziel gesetzt. Investitionen in die Umwelt hätten auch in Krisenzeiten hohe Priorität, so Faymann unter Verweis auf den Eisenbahnausbau.
Entschiedenes Auftreten gegen Mochovce
Die Kritik der Grünen, die Bundesregierung betreibe kein Lobbying gegen den Ausbau des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce, ließ Faymann nicht gelten. Man trete entschlossen gegen grenznahe Atomkraftwerke auf. Bei Mochovce habe sich Österreich durchgesetzt, man habe immer die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert.
Zuvor hatte die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig ihre Initiative als "Antaucher" für Faymann bezeichnet, endlich auf den Weg "grüner Jobs" umzuschwenken. "Unerbittlich und hartnäckig setzen sich die Grünen für eine Energiewende, eine Solarwende ein", sagte sie. In anderen Ländern sei dies bereits erkannt worden, so die Glawischnig, die dabei auch auf Oberösterreich verwies, wo die Grünen im Wahlkampf stark auf dieses Thema setzen.
Glawischnig verlangte mehr Geld für Solarstrom und thermische Sanierung und attestierte Österreich "Gartenzwergniveau" in Sachen Ökostrom: "Das österreichische Gesetz ist extrem ineffektiv. Es wirkt nicht, greift nicht, und wir lassen damit Tausende Arbeitsplätze auf der Straße liegen." In Deutschland belaste der Ökostrom die Haushalte ebenso wie in Österreich mit rund 36 Euro. Während dort aber Tausende Anlagen entstünden, passiere hierzulande so gut wie nichts.
Beim Ökostromgesetz, dessen Novellierung am 23. September im Nationalrat beschlossen werden soll, geht es um die Förderung von Anlagen wie Biomasse-, Solar- und Windkraftwerke und deren Finanzierung über einen Zuschlag zum Strompreis, der von den Kunden bezahlt werden muss. Eine Änderung wurde notwendig, weil die EU-Kommission die gedeckelten Zusatzkosten für Industriebetriebe als verbotene staatliche Beihilfe gewertet hatte. Das Gesetz ist eine Zwei-Drittel-Materie, was den Oppositionsfraktionen die Möglichkeit gibt, im Abtausch für ihre Zustimmung eigene Forderungen hineinzureklamieren.
Grüne sind nicht zufrieden
Der Grüne Abgeordnete Alexander Van der Bellen hat sich mit der Anfragebeantwortung durch Bundeskanzler Faymann unzufrieden gezeigt. Der Kanzler sei nur in wenigen Punkten konkret geworden. In Richtung Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) sagte er, die Regierung verschlafe die wirtschaftliche Entwicklung im Bereich der Photovoltaik. Dieser verwies darauf, dass Österreich bei erneuerbaren Energien europaweit ohnehin eine Vorreiterrolle spiele. Kritik an der Regierung gab es auch von FPÖ und BZÖ. Die SPÖ betonte, dass man vor allem verhindern wolle, dass Arbeitnehmer "unter die Räder kommen". Die Debatte war auch vom Landtags-Wahlkampf in Oberösterreich geprägt.
Zwischenrufe aus den Abgeordneten-Bänken, der Grüne Ruf nach einer Solarwende sei "reiner Wahlkampf", wollte Van der Bellen gar nicht widersprechen: Er könne nur empfehlen, das Wahlprogramm des Grünen Spitzenkandidat in Oberösterreich, Rudi Anschober, zu lesen: "Das ist guter Wahlkampf". Kritik übte er am Fehlen von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sowie des oberösterreichischen Spitzenkandidaten Manfred Haimbuchner. Diese würden in Oberösterreich "ihre kleinen Auftritte mit Musik und Reden" absolvieren, so Van der Bellen. "Ist das wichtiger als moderne Energiepolitik?"
Die Antwort von Bundeskanzler Werner auf die Grüne Anfrage bezeichnete der Grüne Ex-Parteichef als "sehr enttäuschend". Zur Aussage Faymanns, wonach viele dieser Technologien derzeit noch nicht wirtschaftlich nutzbar seien, meinte Van der Bellen: "Deswegen reden wir ja davon, dass wir das fördern wollen".
Katzian für effizienten Mitteleinsatz
SPÖ-Energiesprecher Wolfgang Katzian betonte, man dürfe den Focus nicht ausschließlich auf die Energiegewinnung legen. Es gehe auch darum, bei der erneuerbaren Energie auch im Hinblick auf Beschäftigung die bestmögliche Wirkung zu erreichen. Denn das Steigen der Arbeitslosigkeit sei noch nicht überwunden. Er plädierte für eine möglichst effektive Einsetzung der finanziellen Mittel, so müssten etwa Arbeitnehmer weitergebildet werden: Ein Schwerpunkt müsse die Schaffung von "Green Jobs" sein.
ÖVP-Energiesprecher Martin Bartenstein verwies darauf, dass Photovoltaik zwar die sauberste, aber auch teuerste Form der Stromgewinnung sei. In Österreich seien dadurch derzeit gerade einmal 0,3 Promille der Stromgewinnung gedeckt. Man müsse der Photovoltaik schon gegenüberstellen, "was Strom aus Wasserkraft oder Windkraft kostet". Der ehemalige Wirtschaftsminister bemängelte, dass in der Anfrage der Grünen, die Wasserkraft keine Erwähnung finde. "Wieso vergessen die die drei Millionen Tonnen CO2, die durch Wasserkraft eingespart werden?" Und auch Windkraft sei billiger - so koste hier eine eingesparte Tonne CO2 deutlich weniger als bei der Photovoltaik.
Der freiheitliche Energiesprecher Norbert Hofer wies das Argument, dass erneuerbare Energie teuer sei, zurück. "1.000 Euro bezahlt jeder Österreicher pro Jahr ins Ausland, um fossile Energieträger anzukaufen". Damit schaffe man aber keine Arbeitsplätze in Österreich. Tatsache sei, dass man den Umstieg auf erneuerbare Energieträger jetzt schaffen müsse. Ähnlich wie Van der Bellen äußerte Hofer die Befürchtung, dass österreichische Firmen den Einstieg in diesen Markt verschlafen könnten, daher müsse man jetzt dafür sorgen, "dass dies auch jene Hilfen bekommen, die notwendig sind". Eine "Renaissance der Atomkraft", wie sie derzeit auf europäischer Ebene stattfinde, sei ein ein brandgefährlicher Irrweg.
Der BZÖ-Abgeordnete Rainer Widmann vermisste die "Umsetzungskompetenz" der Regierung: "Wir harren der Dinge". Österreich sei durchaus in der Lage, energieautark zu werden. Dabei dürfe es aber zu keiner Strompreiserhöhung kommen. Den Ausbau der Photovoltaik müssen unabhängig vom Ökostromgesetz unterstützt werden, forderte er.
Mitterlehner erklärte in seiner Stellungnahme, Österreich habe, was die erneuerbare Energie anbelangt, "den höchsten Anteil beim Strom in ganz Europa". Die hänge vor allem mit der Wasserkraft zusammen. Zur Grünen Forderung nach mehr Photovoltaikanlagen merkte der Minister unter anderem an, dass die Kosten für die Reduktion einer Tonne CO2 mittels Photovoltaik am höchsten sei - "zehnmal so hoch wie bei Windkraft".
Nach rund dreieinhalbstündiger Debatte ist am Freitag die von den Grünen beantragte Sondersitzung des Nationalrats zum Thema "Solarwende" zu Ende gegangen. Zuvor bekannte sich Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich (V) noch zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energie in Österreich versprach eine entsprechende Energiestrategie. Sämtliche Entschließungsanträge der Opposition wurden abgelehnt.