Ohne Milliardenspritze droht Griechenland die Zahlungsunfähigkeit.
Weitere Hiobsbotschaften in der Schuldenkrise und die Angst vor einer Pleite Griechenlands haben die Märkte zum Start in die Handelswoche ins Minus gedrückt. Der deutsche Leitindex Dax sackte um mehr als 2 Prozent ab und schloss am Montag so tief wie seit Juli 2009 nicht mehr. Auch andere Aktienmärkte gerieten in den Abwärtssog. In Griechenland wird die Zeit knapp, denn ohne Milliardenspritze droht dem hochverschuldeten Land in Kürze die Zahlungsunfähigkeit.
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Märkte hochsensibel
Die hochsensiblen Märkte reagierten auch am Montag auf jede Nachricht mit deutlichen Kursausschlägen. Als kleiner Lichtblick wurde von Händlern ein Bericht des "Wall Street Journal" gewertet, wonach Griechenland die dringend benötigte nächste Milliarden-Tranche aus dem Rettungspaket voraussichtlich erhalten wird. Hintergrund sei die Einführung einer neuen Sondersteuer durch die Regierung in Athen, berichtete das Blatt am Montag auf seiner Internetseite unter Berufung auf zwei hochrangige Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Kurs des Euro bremste nach der Meldung der Wirtschaftszeitung seine Talfahrt und fiel auf zuletzt nur noch 1,3640 US-Dollar.
Am Mittwoch wird die "Troika" der internationalen Finanz-Kontrolleure von IWF, EU und Europäischer Zentralbank wieder in Athen erwartet. Sie soll prüfen, ob Griechenland bereit ist, alle nötigen Maßnahmen zu treffen, um das Spar- und Reformprogramm umzusetzen. Geben sie kein grünes Licht für die Auszahlung der nächsten Tranche der Finanzhilfen von acht Milliarden Euro, ist das Land pleite. Die griechische Regierung kann nach eigenen Angaben die Löhne der Staatsbediensteten und die Renten nur noch bis Ende Oktober bezahlen.
"Es mehren sich Gerüchte, dass die deutsche Bundesregierung ein Ende der Griechenland-Hilfe anstrebt", sagte Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann. Er erwartet, dass das "Troika"-Urteil "desaströs" ausfallen dürfte. Vor dem Hintergrund der immer stärkeren Rezession in Griechenland sei auch in nächster Zukunft nicht damit zu rechnen, "dass das Land die bisherigen Sparziele auch nur annähernd erreichen kann".
Noch eindringlicher warnte Chefanalyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank: Es gehe um das "Endspiel" der Eurozone, schrieb er in einem Kommentar. Die Situation habe sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Wirtschaftsminister Philipp Rösler hatte am Wochenende eine geordnete Insolvenz Griechenlands als ultimative Maßnahme nicht mehr ausgeschlossen.
Kritik aus Athen
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou kritisierte am Montag - ohne Rösler beim Namen zu nennen - die Aussagen verschiedener europäischer Politiker. "In einigen Staaten der EU haben wir leider gesehen, dass die antieuropäischen Stimmen lauter werden", sagte er in einer Sondersitzung mit Abgeordneten seiner Partei. Papandreou versicherte, Griechenland werde alle Auflagen erfüllen, koste es politisch für ihn "was es wolle".
Der noch amtierende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark mahnte, kein Land dürfe sich in Sicherheit wiegen. "In der aktuellen Situation ist kein Land wirklich geschützt", sagte er der "Irish Times" (Montagausgabe). Stark, der als sehr stabilitätsorientierter Geldpolitiker gilt, war am Freitag von seinen Positionen bei der EZB zurückgetreten. Er bezog seine Warnung auf die Gefahr, dass Länder plötzlich vom Kapitalmarkt abgeschnitten werden könnten wie etwa Griechenland. "Das kann auch größeren, hoch entwickelten Volkswirtschaften passieren."
Die Märkte wurden von den mahnenden Stimmen zeitweise in eine regelrechte Alarmstimmung versetzt. Der deutsche Leitindex Dax rutschte zwischenzeitlich sogar unter die psychologisch wichtige Marke von 5000 Punkten. Später konnte das Börsenbarometer seine Verluste aber wieder eindämmen und ging mit einem Minus von 2,27 Prozent bei 5072,33 Punkten aus dem Handel. Der Euro fiel zeitweise auf 1,35 US-Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit Mitte Februar.
Insbesondere Aktien der stark in Griechenland engagierten französischen Großbanken erlebten einen schwarzen Montag: Die großen Branchenvertreter schlossen allesamt mit einem Minus von mehr als 10 Prozent. Der französische Leitindex CAC40 markierte mit einem Rückgang von 4 Prozent ein neues Zwei-Jahres-Tief. Eine Explosion in einer französischer Atomanlage hatte die Märkte zusätzlich belastet.
EuroStoxx 50 im freien Fall
Noch kräftiger als der Dax fiel der EuroStoxx 50, der Leitindex der Eurozone. Belastet von zahlreichen sehr schwachen Bankenaktien, insbesondere aus Frankreich, büßte er 3,79 Prozent auf 1995,01 Punkte ein. Damit notierte er zum ersten Mal seit März 2009 wieder unter der Marke von 2000 Punkten. In den USA gab der Dow Jones Industrial zum Börsenschluss in Europa ebenfalls nach.
Die EZB hat unterdessen auch in der vergangenen Woche den umstrittenen Kauf von Staatsanleihen fortgesetzt. Wie die Zentralbank am Montag mitteilte, hat das Volumen bei 13,960 Milliarden Euro gelegen. In der Woche zuvor hatte die Notenbank Anleihen für 13,305 Milliarden Euro gekauft.
Um diese Käufe dreht sich auch der EZB-interne Streit, der den EZB-Chefvolkswirt Stark vergangene Woche zum Rücktritt bewegt haben soll. Stark, der offiziell aus "persönlichen Gründen" sein Amt abgeben will, gilt als "Falke" unter den Geldpolitikern - und damit auch als Verfechter einer strikten Trennung von Geld- und Fiskalpolitik. Der Aufkauf von Staatsanleihen allerdings passt nicht zu dieser Haltung.