Finanzkrisen-Vokabular
07.09.2009
Die Wirtschaftskrise hat die Sprache der Finanzwelt ins öffentliche Interesse gerückt. Begriffe wie Bad Bank, ABS oder Subprime Market waren vor der Krise nur Experten ein Begriff. Hier die wichtigsten Fachvokabeln zum Verständnis der Wirtschafts- und Finanzkrise.
ABS: Englische Abkürzung für durch Forderungen (Asset) gedeckte (Backed) Wertpapiere (Securities). Unternehmen verkaufen Forderungen zum Beispiel aus Kreditkartengeschäften an eine eigens von Banken oder anderen Finanzinstitutionen geschaffene Zweckgesellschaft. Diese Gesellschaft bündelt die Forderungen in neue, breit diversifizierte Pakete und verkauft Anteile daran als ABS. Die Papiere werden in der Regel außerhalb der Börsen gehandelt. Käufer waren bis vor der Krise vor allem Pensionsgesellschaften, Banken oder auch Versicherungen, die sich bei überschaubarem Risiko eine angemessene Rendite erhofften. Der Markt für ABS-Papiere brach Mitte 2007 zusammen und hat sich seitdem noch nicht erholt. Die Typen der ABS unterscheiden sich nach den Forderungspools und tragen Namen wie CDO und MPS.
AIG: Der US-Versicherungskonzern American International Group (AIG) Group hat im großen Umfang Kredite mit geringer Bonität gegen Ausfälle versichert. Diese riskanten Geschäfte wären dem US-Versicherungskonzern AIG in der Finanzkrise fast zum Verhängnis geworden. Der Konzern musste mit 182,5 Mrd. Dollar von der US-Regierung vor dem Konkurs gerettet werden.
Bad Bank: Eine "Bad Bank" ist ein Institut, in das Risiken anderer Banken ausgelagert werden. Solche Risiken sind etwa problematische Wertpapiere und Kreditengagements. Der Staat oder ein Sicherungsfonds übernehmen dafür die Haftung und wickeln sie später ab. Die Einrichtung von Bad Banks wurde im Zuge der Finanzmarktkrise beschlossen, um den Bankensektor zu stabilisieren.
Bailout: Schuldenübernahme durch Dritte. Der Begriff erlangte in den USA Popularität als Bezeichnung für das 700 Milliarden Dollar schwere Banken-Rettungspaket der US-Regierung.
Bank Run: Bei einem Bank Run versuchen zahlreiche Kunden einer Bank gleichzeitig ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen. Grund kann eine drohende Insolvenz der Bank oder auch eine Vertrauenskrise sein. Weil die Bank nicht sofort die nachgefragten Einlagen zur Verfügung stellen kann, beutet ein Bank Run oft den Ruin der Bank. Nachdem bekanntwurde, wie stark die britische Hypothekenbank Northern Rock die US-Kreditkrise zu spüren bekommt, bildeten sich im September 2007 tagelang Menschenschlangen vor den Filialen der Bank.
Basel 2: Neu eingeführtes Regelwerk für die Eigenkapitalvorschriften der Kreditinstitute, um die Banken vor Kreditausfällen zu schützen und damit die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu erhöhen. Gilt seit Anfang 2007 in allen EU-Mitgliedsstaaten für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute. Die Banken müssen die Kreditwürdigkeit der Firmenkunden seither wesentlich stärker berücksichtigen. Experten gehen davon aus, dass Basel 2-Bilanzierungsregeln in der Finanzkrise verschärfend (prozyklisch) wirkten, weil sie die aktuellen Verluste der Banken erhöhten.
Bonität: Bezeichnet die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens oder eines Staates. Die Bonität wird von Ratingagenturen festgestellt. Umso schlechter die Bonität, desto teurer und schwieriger wird es für dieses Unternehmen oder den Staat, sich Geld zu besorgen. Die Refinanzierungskosten steigen, schlimmstenfalls ziehen Geldgeber ihr Kapital ab.
CDO: Collateralized Debt Obligations (CDO) sind eine Spezialform der ABS-Papiere. CDO-Zinspapiere bestehen aus einer komplexen Bündelung von Kreditforderungen. Das Risiko von Forderungsausfällen ist auch für Experten schwer zu durchschauen.
CDS: Im Prinzip handelt es sich bei Credit Default Swaps (CDS) um eine Versicherung gegen Kreditausfälle zwischen zwei Vertragsparteien. Eine Partei bezahlt eine Art Versicherungsprämie, die andere Partei zahlt nur bei einem Kreditausfall. Banken können durch CDS ihr Ausfallrisiko von Krediten verringern. Auf die riesige Summe von etwa 60 Bill. Dollar (44,4 Bill. Euro) wurde der Markt für die CDS im Oktober 2008 geschätzt (Nominalwert).
Derivate: Finanzinstrument, deren Bewertung sich von den zugrundeliegenden Basisinstrumenten zum Beispiel Aktien, Anleihen oder Rohstoffe ableitet. Durch sogenannte Hebeleffekte wird die Entwicklung des Basiswerts um ein Vielfaches verstärkt. Hohe Gewinne und Verluste sind mit diesem Finanzinstrument möglich. Derivate wurden ursprünglich dazu verwendet, um sich gegen starke Kursschwankungen abzusichern. Im Zuge der Finanzkrise sind Derivate wegen ihres spekulativen Charakters in Verruf geraten.
Einlagensicherung: Rettungssystem der Banken für Spareinlagen. Österreich hat am 1. Oktober 2008 eine unbegrenzte Garantie für Spareinlagen eingeführt, um das Vertrauen in das Bankensystem wieder herzustellen
Faule Kredite: Im Englischen non-performing loans (NPL). Es sind Kredite, bei denen Kunden mit der Rückzahlung ihres Kredites im Verzug sind oder den Kredit nicht mehr bedienen können. Um die notleidenden Kredite aus der Bilanz zu bekommen, versuchen Banken, die faulen Kredite weiterzuverkaufen.
Hedge-Fonds: Ein spezieller Investmentfonds, welcher in Aktien, Waren, Rohstoffe, Derivate, Anleihen investiert. Durch Derivate und Leerverkäufe könnte der Fonds auch bei fallenden Kursen Gewinne lukrieren. Um höhere Renditen zu erzielen, nehmen Hedge-Fonds über Kredite ein Vielfaches ihres Fondsvolumen auf. Im Verlauf der Finanzkrise sind viele Hedge-Fonds insolvent geworden.
Interbanken-Geldmarkt: Geldmarkt für kurzfristiges Liquiditätsangebot und -nachfrage der Geschäftsbanken. Während der Finanzmarktkrise brach dieser Markt zeitweise zusammen, weil sich Banken gegenseitig nicht mehr vertrauten und die Zentralbanken mussten Milliardenbeträge an Liquidität in den Markt pumpen.
Kreditklemme: Bezeichnet eine unzureichende Kreditversorgung der Unternehmen und Privaten durch die Banken. Ein Grund dafür ist, dass Banken die Kreditkonditionen verschärft haben, weil stärker als früher auf Risiken geachtet wird. Vor allem mittelständische Unternehmen müssen teure Aufschläge zahlen, wenn sie von ihrer Hausbank Kredite bekommen wollen.
Leerverkauf: Mit Leerverkäufen (short-selling) kann an der Börse
auch bei fallenden Kursen Geld verdient werden. Dazu verkauft ein Händler
Aktien oder Anleihen, die er sich gegen eine Gebühr bei Banken ausleiht, um
sie bei fallenden Kursen später billiger zurückkaufen zu können. Allerdings
geht diese Wette nicht immer auf. Steigt der Aktienkurs bis zur vereinbarten
Rückgabezeit, entsteht dem Händler ein Verlust. Leerverkäufe können nach
Meinung von Experten erhebliche Störungen an den Finanzmärkten auslösen. Im
Zuge der Finanzkrise hat die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA
per Verordnung Ende Oktober 2008 ungedeckte Leerverkäufe ("naked
shortselling") von Aktien der Erste Bank, Raiffeisen International
(RI), UNIQA und Wiener Städtische/Vienna Insurance Group befristet verboten.
MBS:
Mortgage Backed Securities sind eine mit Immobilienkrediten besicherte
Spezialform der ABS-Papiere.
OTC: Der außerbörsliche,
sogenannte Over-The-Counter-Markt mit Derivaten umfasst weltweit ein Volumen
von nominell 450 Billionen Dollar (324 Bill. Euro).
PS-Kapital:
Die Republik Österreich hat stimmrechtslose Wertpapiere,
Partizipationskapital (PS-Kapital), bei österreichischen Banken gezeichnet.
Ziel ist es, die Eigenkapitalbasis der Banken zu stärken, die Banken müssen
nach Möglichkeit für das aufgenommene Kapital Zinsen zahlen. Banken welche
PS-Kapital aufgenommen haben, sind die Erste, die RZB, die Volksbanken
(ÖVAG) und die Hypo Alpe Adria. Die BAWAG hat eine derartige staatliche
Kapitalhilfe ebenfalls vereinbart, noch in Verhandlungen ist die Bank
Austria.
Ratingagentur: Ratingagenturen sind private Unternehmen, die gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen aller Branchen, von Staaten und deren untergeordneter Gebietskörperschaften bewerten. Eingestuft wird durch eine Buchstabenkombination (Ratingcode), die in der Regel von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) reicht. Die drei wichtigsten Ratingagenturen sind Standard & Poor's, Moody's und Fitch. Die Agenturen werden von zahlreichen Politikern mitverantwortlich für die Finanzkrise gemacht, da sie die Gefahr fauler Wertpapiere unterschätzt hätten und riskante Subprime-Papiere zu gut eingestuft hätten.
Rezession: Abschwung der Wirtschaft. Nach der am meisten verbreiteten Definition liegt eine Rezession vor, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den Vorquartalen nicht wächst oder schrumpft (sinkendes Bruttoinlandsprodukt). Zu Ende ist eine Rezession laut dieser Definition, wenn die Wirtschaft von einem Quartal auf das andere wieder wächst.
SoFFin: Der deutsche Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) ist mit rund 500 Mrd. Euro dotiert und wird umgangssprachlich als Banken-Rettungsfonds bezeichnet.
Spekulationsblasen: Damit wird ein langfristiger und steiler Preisanstieg bei Aktien, Rohstoffen oder Immobilien bezeichnet. Die Blase entsteht wegen übertriebenen Gewinnerwartungen von Anlegern und ist nicht durch die reale Wirtschaftsentwicklung erklärbar. Wenn weitere Käufer ausbleiben und das Vertrauen in den Markt verschwindet, kommt es zu einem Platzen der Spekulationsblase. Anleger erleiden hohe Verlust wie zum Beispiel beim Platzen der Dot-Com Blase 2001 oder der US-Immobilienblase im Jahr 2007.
Subprime Markt: Als Subprime-Markt wird ein Teil des privaten
Hypothekendarlehenmarkts bezeichnet, der überwiegend aus Kreditnehmern mit
geringer Bonität besteht.
Swaps: Bezeichnet den Tausch
von Zahlungsströmen zum Beispiel von Zins- oder Währungszahlungen.
Systemrelevant:
Eine Bezeichnung für ein Finanzinstitut mit besonderer Bedeutung für
Finanzmärkte und Wirtschaft.
TARP: Troubled Asset
Relief Program, mit dem die US-Regierung versucht, die Stabilisierung des
US-Finanzsystems zu erreichen.
Toxische Papiere:
Bezeichnung für ABS-Papiere (Asset Backed Securities) mit einem hohen
Ausfallrisiko. Experten sprechen von toxischen Papieren, wenn sie am Markt
nur noch zu 40 bis 50 Prozent ihres ursprünglichen Werts gehandelt werden.